20 Einleitung Sieht man jedoch von diesem größten gemeinsamen Nenner ab, so treten schnell zwischenasiatische Unterschiede zutage, aus denen srch bei näherem Zusehen freilich immer noch verhältnismäßig homogene Verhaltenssubsy— sterne herausfinden lassen, und zwar fünf an der Zahl: I. Zu nennen sind hier einmal die metakonfuzramschen Gesellschaften, denen sich die Chinesen, die japaner, die Koreaner, die Vietnamesen sowie die Auslandschinesen in Südostasien — und hier wiederum die meisten Be— wohner Hongkongs und Singapurs — zurechnen lassen. Bei ihnen handelt es sich durchweg um stark «zellularisierte» Gruppierungen mit zentralistischer Staatsideologie und ausgeprägt wirtschaftsfreundlichen «Tugenden». Ma— gneten für den Zellenbildungsprozeß sind überschaubare Gruppen mit Dan— wei—Charakter (siehe S. 57ff.). 2. Ganz am entgegengesetzten Ende der Skala stehen die Thai, die Laoten, die Birmanen und die Khmer, aber auch die Singhalesen, deren gemeinsames Wertesystem so nachhaltig vom Theravadabuddhismus (siehe S. 59ff.) ge— prägt ist, daß ihre vorbuddhistischen Traditionen fast zur Marginalie zusam- menschrumpfen. All diesen Völkern ist eine höchst «individualistische» Le— benshaltung eigen, die sowohl von der überkommenen Produktionsweise als auch vom Theravadabuddhismus beeinflußt ist und deren «aufgelockerte Gesellschaftsstruktur» Aufspaltungstendenzen fördert, die eine staatliche bürokratische Gegensteuerung nötig machen. 3. Die hinduistische Gesellschaft setzt sich aus zahlreichen Lokalkulturen unterschiedlichster Prägung zusammen, deren Verschiedenheit aber letztlich doch wieder durch eine Reihe von Gemeinsamkeiten überbrückt wird. Man denke an die Organisation des Alltagslebens durch das Regelungsfiligran des Kastenwesens, an literarische Hauptüberlieferungen wie die beiden Epen Mahabharata und Ramayana oder die zahlreichen Regelbücher, nicht zuletzt aber auch an religiöse Grundüberzeugungen, die sich mit Stichworten wie Karma, Samsara, Atman oder Brahman wiedergeben lassen. Auch hier gibt es ein ausgeprägtes Gruppendenken, das jedoch, anders als in den metakon- fuzianischen Gesellschaften, nicht an Danweis, sondern an Familien— und Subkastenstrukturen orientiert ist. 4. Die islamischen Gesellschaften Asiens weisen noch weniger Gemein— samkeiten auf als die verschiedenen hinduistischen Völkerschaften; gibt es bei ihnen doch gleich zwei Varianten, nämlich die malaio—islamischen — Bru— nei, Indonesien, Malaysia, Südphilippinen, zum Teil auch Singapur — und die indo—islamischen Gesellschaften — Bangladesch, Malediven und Paki— stan —, denen zwar der Islam gemeinsam ist, die sich aber angesichts des äräftigen Nachlebens vorislamischer Traditionen voneinander unterschei— en. 5. Eine Gesellschaft eigener Art bildet die Mehrheit des philippinischen Volkes, das den Katholizismus angenommen hat und dem außerdem ausge- pragtes Großfamiliendenken eigen ist. [. «Asien» und «Die Astaten» }, Das hier gezeichnete Bild wäre unvollständig, würden nicht auch noch die über ganz Asien, vor allem aber Südostasien, verstreuten Minderheiten er— wähnt, die teils «absorbiert», teils «verschichtet» (vgl. S. 331 ff.) wurden die aber daneben auch, wie in Birma, ihre Identität bewahrt haben, ja um staatli— che Eigenständigkeit kämpfen. Auf die im vorliegenden Zusammenhang nicht erwähnten Nomadenvöl- ker Zentralasiens wird auf S. 87 eingegangen. Bei aller Differenzierung gilt es Proportionen zu wahren: Java und Suma— tra beispielsweise mögen zwar aus der Sicht eines Indonesien—Spezialisten äonenweit auseinanderklaffen —— aus der Perspektive eines China— oderjapan- Wissenschaftlers oder gar aus dem Blickwinkel eines «unvoreingenommenen Europäers» tun sie es ganz gewiß nicht! Es gilt a150‚ eine mittlere Schärfen— emstellung zu finden, die weder die Gemeinsamkeiten noch die Unter— schiede übertreibt.