28 Einleitung (Bhagavadgita); William Jones übertrug Kalidasas «Shakuntala», das auch von Goethe hochgeschätzt wurde. sowie das Gesetzbuch des Manu. Ferner folgten bahnbrechende Monographien aus der Feder von Fergus- son, Cunningham und Colebrook. Vor allem die Deutschen stürzten sich auf die neuentdeckte indische Phi- losophie, allen voran Schopenhauer, Friedrich von Schlegel, Hermann 01— denburg, später auch Helmut von Glasenapp. 1818 wurde der erste deutsche Lehrstuhl für Indologie an der Universität Bonn eröffnet und mit August Wilhelm von Schlegel besetzt. Internationalen Ruhm erlangte der Indologe Max Müller (1823—1900), der durch seine Indienforschungen, nicht zuletzt aber auch durch seine indolo— gischen Vorlesungen für Königin Viktoria, die «Kaiserin von Indien», Welt— ruhm erlangte. Die Goethe—Institute in Indien tragen die Sonderbezeich— nung «Max Müller Institute». Deutsche Wissenschaftler beschäftigten sich aber daneben auch mit China, man denke an Otto Franke, Richard Wilhelm oder, um hier einen der fruchtbarsten Übersetzer chinesischer Literatur zu erwähnen, Franz Kuhn. Die in der Literatur wohl anregendsten religionssoziologischen Studien über China und Indien stammen aus der Feder Max Webers. Um 1900 setzten zwei neue Modeströmungen ein, die diesmal im Zeichen Indiens und Japans sranden. Es war das Werk des bengalischen Nobelpreis trägers Rabindranath Tagore, der mit seiner tröstenden Botschaft überall in Europa, vor allem aber in dem vom Elend gezeichneten Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eine begeisterte Leserschaft fand, nicht zuletzt auch unter deutschen Schriftstellern. Vor allem Hermann Hesse, Waldemar Bon— sels, Max Dauthendey und Stefan Zweig gehörten zu den Rezeptoren eines durch Tagore verklärten Indienbilds. Da man freilich bei einer Reise nach Asien in der Regel nicht nur dem Erhabenen, sondern dem Allt'a'glichen mit seinen grellen Farben, schrillen Tönen, scharfen Gerüchen und höchst ger wöhnungsbedürftigen «schwitzenden» Manifestationen begegnet, sind Ent— täuschungen unausbleiblich. Dies mußten auch Hesse und Bonsels erfahren, als sie zum ersten Mal das wirkliche Indien betraten, vom ersten Rikschafah rer hereingelegt wurden und auf der Straße über Bündel von Menschen hinv wegstiegen. Nach Jahren der Klärung fand das Indienbild aber dann doch noch einen gel'a'uterten Niederschlag, so z. B. in Hesses «Siddharta» (1922) sowie in seinem «Glasperlenspiel» (1946). Auchjapan fand inzwischen rege Aufmerksamkeit. Schon aus früherer Zeit hatte es zwar Berichte über dieses damals noch so ferne Land gegeben; so aus der Feder des Arztes und Naturheilkundigen Franz von Siebold, der nach 1830 im Solde der holländischen Regierung 1 5 Jahre lang auf der Insel Dejima VO!” Nagasaki praktizierte, dem einzigen damaligen Nadelöhr Japans zur AUßenwelt_ Von einigen Reisen ins Landesinnere hatte Siebold Tagebuchein— tragungen mitgebracht, allerdings hauptsächlich mit Kuriositäten. III. Begegnung mit Asien 29 Erst nachdem Japan durch Commodore Perry 1850 zur Öffnung gezwun- gen werden war, um sodann, im Zuge der Meiji-Reform 1868 einen kome— tenhaften Aufstieg durchzumachen, begannen sich die Augen der westlichen Welt voll auf dieses Inselreich zu richten. Bereits die Pariser Weltausstellung von 1867 hatte den Startschuß zu einem «Japonismus» ohnegleichen gege— ben. Was die Europäer an den Farbholzschnitten eines Utamaro, Hiroshige oder Hokusai entdeckten, war eine neue Raumperspektive und eine Fülle von Motiven, die vor allem von Van Gogh, Gustav Klimt und Gauguin ver- arbeitet wurden, wie das Wellen—, das Brücken—, das Kimono- und das Fels- motiv, aber auch die Diagonale (Ernst Ludwig Kirchners «November»), die «Vergitterung» der Landschaft durch Bäume im Vorder—, Mittel- oder Hin- tergrund, das «angeschnittene Objekt» und die sich daraus ergebende for— melhafte Verkürzung einer Gestalt oder eines dynamischen Vorgangs (De— gas’ «Tänzerinnen», Toulouse—Lautrecs «Szenen aus der Demimonde»), die Fächermalerei (Kokoschka), die Wandschirmmalerei (Monet) und das ex- trem schmale Hochformat (Monet, Klimt), der silhouettierte Stil (Frauen- darstellungen Bonnards und Schieles) und der ausgeprägte Symbolismus mit Pflaumenblüte, Herbstmond, Kirsche und Leuchtkäfer.2 Ein schwärmerisches und verklärtes Japanbild zeichnete auch Lafcadio Hearn, ein Amerikaner, der fast sein ganzes Leben in Japan verbracht hatte. Die deutsche Ausgabe von Hearns Werken zieren, in prachtvollen Jugend— stilausgaben, noch heute das Bücherbord jedes Asienliebhabers. Hearn war Vorläufer jener Japanverherrlichung, die dafür gesorgt hat, daß zum Beispiel während des Zweiten Weltkriegs die alten Kaiserstädte Nara und Kyoto von US-Bombenangriffen verschont blieben, ähnlich etwa wie das von den Ame- rikanern verklärte Heidelberg in Deutschland. Die Entdeckung der Kultur Südostasiens begann im frühen 19.Jahrhun- dert, als ein holländischer Offizier in Mitteljava den von Lianen überwach— senen buddhistischen Borobodur—Tempel aus dem 8.Jahrhundert entdeckte und die niederländische Kolonialverwaltung daraufhin mit ersten Freile— gungsarbeiten begann, die sich später an anderen Objekten, wie dem hindui— stischen Prambanan, fortsetzten. Daneben stellten die Holländer geographische und geologische, aber auch soziokulturelle Forschungen an, die unmittelbar der praktischen Kolonial- politik dienen sollten. Man denke etwa an die Arbeiten des Islamisten Snouck Hurgronje, der als erster die Bedeutung des Adat (s. S. 119f.) er— kannte und der eine Doppelstrategie gegenüber den «widerspenstigen» Mus— lims empfahl: Gegenüber dem Islam als Religion sei eine Politik der Neutra— l1tät und der Toleranz, gegenüber dem politischen Islam aber Wachsamkeit und Hellhörigkeit zu empfehlen. Außerdem möge das Adat verstärkt gegen die Shariah des Islam ausgespielt werden, und zwar in der Weise, daß die Kolonialregierung sowohl die Adat—Herrscher auf den Außeninseln als auch die Prijaji—Elite auf Java systematisch unterstützte. Letztlich aber führe der