Asien und «der Westen» richt» waren, sondern die stets engsten Kontakt zwischen Alltagsleben und Religion herstellten, ja deren eigentliche Legitimation auf der traditionellen Überzeugung beruht, daß nur die Heiligung des Alltagslebens den Men- schen zum Besseren führen kann und daß bloßes Fachwissen des Teufels ist_ Die Gemeinschaftsbezogenheit wird auch deutlich im Bereich der Heil— kunst, die zumindest traditionell in Asien noch eine echte Human- Und nicht eine Apparate— oder Pillenmedizin ist. Die beiden Hauptunterschiede zwischen westlicher Schul- und asiatischer Ganzheitsmedizin bestehen darin, daß nach traditioneller p;masiatischer Auffassung Krankheiten selten allein durch physische Ursachen hervorgerufen werden, sondern auf vielfa— che Einflüsse zurückgehen, die psychosomatischer, psychosozialer, ja manchmal «kalendarischer» Natur sind; kein Wunder, daß Heilung sowohl durch Medikamente als auch durch Gesundbeten herbeigeführt wird. Kran- kenhäuser waren jahrehundertelang in Tempeln untergebracht, das Heilwe_ sen wurde vielfach von Mönchen ausgeübt, zum Beispiel in der tibetischen Medizin. Zweitens kann Heilung nicht mit nur punktuellen Eingriffen in den Körper des Kranken, sondern muß ganzheitlich erreicht werden, d.h. durch Benutzung pharmazeutischer, magischer und in jedem Fall auch so- zialer Mittel. In tote beispielsweise wurde der Mensch «erfaßt» durch die alte singhalesische Zauberheilung, deren Hauptelement darin bestand, daß der Kranke im Kreise der Dorfbewohnerschaft die ganze Nacht lang im Freien zu verharren hatte, wobei die grell bemalten Masken der 18 Krank— heitsdämonen an ihm vorbeitanzten. Von dieser Prozedur mußte unbedingt Heilung ausgehen. Hatten sich doch die Erwartungen des ganzen Dorfes auf diese Therapie gerichtet! Hier wurde nicht nur eine Spritze verabreicht oder ein chirurgischer Schnitt vorgenommen, sondern das ganze soziale Umfeld des Kranken zugezogen. Ferner waren im traditionellen Asien einige der in der westlichen Schul— medizin üblichen Methoden vollends verpönt, so zum Beispiel im konfuzia— nischen China die Chirurgie, die Verabreichung von Spritzen oder Impfun— gen, Weil man die Vorstellung hatte, der Körper gehöre den Eltern; Eingriffe liefen auf eine Pietätlosigkeit ihnen gegenüber hinaus. Selbst ein aufgeklärter Intellektueller wie Gandhi ließ es nicht zu, daß seine Frau, die an einer Bronchialinfektion sterbenskrank daniederlag, Penicillin erhielt, wobei er die Weigerung mit einem entsprechenden Hindu—Tabu begründete. In China versucht man auch heute noch, den Körper eher durch Anregung der eige— nen Abwehrkräfte von innen her (zum Beispiel durch Akupunkturb€hand' lung oder Moxibustion) als durch Einschnitte von außen her zu heilen. Die chinesische Volksmedizin arbeitet mit Rezepturen, die bis heute, wenn den meisten auch unbewußt, von «Verkettungs»—Regeln (Himmel/Erde; Näheres dazu oben S. 40) mitbestimmt sind. Medizin erhielt zudem im maoistischen China noch eine politische Dimen— sion, insofern nämlich Millionen von Menschen zur Durchführung hygieni' II. Der eigentliche Unterschied.“ Ganzheitlicb/eeit 47 scherGrundregeln «mobilisiert» und Hunderttausende " auf die Dörfergeschickt wurden, die zugleich auch eine]on lißarfUßar'2tén» hatten. «Arzt» ist eben nicht einfach nur ein Beruf send pd0 1U$Cl_le MIS'S.IO}I ges Spektrum ab, zu dem früher auch noch Zauberei ueiinMedl‘lt ein v1elfalti- Besonders deutlich pflegt im allgemeinen das Befreriid 3816 geh0rten- Durchschnittsasiate dem neuzeitlichen Individualismus en ZU sem" das d'er Hauptthema der asiatischen Tradition war das Verlan entgegenbrmgt. El'n nicht nur mit dem Nächsten und der Natur, sondern augfin n'aCh Harmonie gen..Makro- und Mikrokosmos, Himmel und Erde Gätt mitdde Jensem_ hen in engem Bezug zueinander. Nichts ist in dieseni analo un' MCHSCh Ste- bild, Wie oben ausgeführt, zufällig oder isoliert. Vereinzelglsmrffnd'en W€lti als unglückverheißend, im Buddhismus als «leid»—verursaulig gdllt m China als Irrtum .— im Sinne von «Maya» — interpretiert. GlaubeC end" Oder erd emermdwduellen Seele ist sowohl nach buddhistischer 1 an 16 SUb5ta'nz duistischer Uberzeugung eine der drei Ursachen, die das feidaucllll n8Ch hm- Wiedergeburt» in Bewegung halten. Der Mensch wird als Divo'de «Rad'der als In-d1viduum begriffen. Die allseitige Rückbindung in der V} films, m€ht zelne befindet, läßt es ratsam erscheinen, alle Extreme und €}C J'e' er€1n' zu vermeiden, da sie ja nur zu entsprechenden Gegenausschléfnselfl'gllfelten sei es im Gefolge der Yin—Yang-Dialektik oder aber der Ver eltguen k renl'_ tat des Karma. Allen asiatischen Wertesystemen ist das Grunäbedrjgfs 'ausa h Gle1chgewichtigkeit und nach einem «Weg der Mitte» eigen — sd1 zms [Bac' spiel im chinesischen «Zhongyong». Jede Einseitigkeit wie etwa dilemB el- nung des Verstands auf Kosten des Gefühls oder einei einzi en men iii?- chen Charaktereigenschaft auf Kosten der anderen sind verpörgiti Auch? '1- tische Lebensweisheiten, wie sie in bibliophilen Ausgaben in'unzählisijri Auflagen auf den westlichen Buchmärkten erscheinen, kreisen fast imr%ier \Il)mldll{e'«Mltte'» und das Ganze und sind von einer alles durchdringenden Frleaui1 tikhbestimmt ... nach dem Schema: Kein Glück ohne Unglück, keine H“ de 0 ne Leid, kein ‚Licht. ohne Finsternis, alles hat seinen Preis. Für den selllr;ir;iuirilnddden Buddh15ten ist Glück und Freude nur eine Augenblickser— di g, . ie von einer trugenschen Scheinwelt vorgegaukelt Wird und auf Wil? Rzrgtlelisrittlenllilgakxtliitt)il(gielben kä‘ln, wie sie der Vertreter einer ganz anderen Eitelkeit über Eitélkeiten jin « vanlit?s vamtatum et omnta vamtas» (Oh Um d' Ab kl“ ‚_ es _ist cite) ormuliert hat. “ rer-seits liseer«aucgekegrtheig» ward Amen haufig bene1det. Dafur hat es ande— Kam und aueh — Dimnen' eeä oven oder Bach, keinen Rembrandt, keinen bus oder Fritjof Nanse;nsfn es VZillens. — keinen Vasco da Gama, Colum- Sentative westliche V n ervorge racht, um hier nur einige wenige reprä- Und Willenswelt zu ertreter 2rlier ausdifferenz1erten Gefuhls—, Verstandes— Wegen seiner Aus e rliier}ilner}il. . fetchze1t1g erscheint der Durchschmttsasiate 'Chkeit nicht besogflg c en eit ur den Europaer im allgemeinen als Persön— ers interessant.