53 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile noch so bedeutsam erscheinen läßt, ist die Tatsache, daß jeder Vietnamesc oder Chinese, der in eine Stadt umzieht, stets «sein Dorf mit sich herUm- „ägp‚_ Möglichst schnell schließt er sich emer_neuen «Grundemheir» _ chin.: «Danwei» # an, und zwar einer Fabrik, einer städtischen Nachbar. schaft, einer Universitätsfakultät oder dergleichen. Bei der Danwei tendieren Produktions— und Konsumtionsbereich 7‚ur Deckungsgleichheit. In den Städten brechen beide Bereiche zwar manchmal auseinander, insofern der einzelne dort nicht immer am gleichen Ort arbci- tet, wo er lebt, doch gehen auch in den heutigen Stadtgemeinden die Bemu_ hungen dahin, solche Trennungsfälle auf ein Minimum einzuschränken und überall «Siemens—Siedlungen» einzurichten. Selbst die größte Stadt der Welt, Shanghai, ist kein Ort anonymen Wohnens, sondern ein nach «Nachbar— schaften» durchparzelliertes und mit Nachbarschaftsbetriebcn gespickm Gmßzellengebilde, in dessen Untereinheiten jeder jeden kennt. Die Damwi fühlt sich nicht nur für die Produktion und Verteilung, Sicherheitsfragm, Freizeitgestaltung, Hygiene und «Kultur» verantwortlich, sondern kümf mert sich auch um das Privatleben ihrer Mitglieder und wird notfalls im Wege der Schlichtung (zum Beispiel bei einem Ehestreit) tätig'. Die Danwei begünstigt also die «Zellularisierung» der Gesellschaft, för— dert partikuläre Loyalitäten sowie «ethischen Relativismus» (man fühlt sich nur dem Danwei—Genossen, nicht aber der anonymen Öffentlichkeit im Transdanwei—Bereich verpflichtet), und sie sorgt durch ihre struktureigenen Mechanismen dafür, daß es Danwei—Demokratie und Danwei—Sozialpolitik gibt, während im Transdanwei-Bereich von Partizipation oder sozialer Un— terstützung nur ganz ausnahmsweise die Rede sein kann. Der Dualismus von Danwei— und Transdanwei-Bereich ist das Hauptstrukturmerkmal der metakonfuzianischen Gesellschaften. Wegen ihrer Überschaubarkeit vermiv telt die Danwei—Gemeinschaft eine Art Wir—Gefühl; auch ist sie örtlich stabil und auf lange Dauer angelegt: man stelle sich einen Augenblick lang vor, daß nur ein Teil der chinesischen Milliardenbevölkerung umzöge oder mit dem Privatauto einen Feiertagsausflug unternähme. Ein Zusammenbruch der In— frastruktur und der Benzinversorgung Wäre die direkte, eine Umweltkaia» Strophe die indirekte Folge. Kein Wunder, daß die mit Grundrechten sonst SO großzügig ausgestattete Verfassung von 1982 keine Freizügigkeit enthält. Zwei ]ahrzehnte lang versuchte Mao Zedong die altehrwiirdige Danwei« Autonomie durch Volkskommunen sowie durch Parteigremien auszuböh- len, die er wie Nägel in die Danweis hineinhämmerte, ohne sich allerding,S gegen den passiven Widerstand vor allem der Dörfer durchsetzen zu kim- nen. Hauptmerkmal der «Reformen», die Ende der siebziger jahre began- nen, war denn auch nicht von ungefähr die Re-Autonomisierung der Dörfer und Fabrikbetriebe. ' _ D‘e h06hgmdige Gerinnungsf'a'higkeit konfuzianischer Gesellschaften läßt Sich besonders deutlich auch unter den chinesischen Auswanderern n21Ch ], Wie asiatische Gesellschaften aufgebaut sind ;9 Südostasien beobachten. Schon kurz nach ihrer Ankunft kristallis' . h überall in Indonesien, vor allem aber in den Straits Settlements vol:ert)en 51c Georgetown und_5mgapur Vereinigungen herau5, die nach Verwa d enlinfg, landsmannschafthcher Herkunft, Dialekt oder aber auch Beruf “ tT_C da t, waren und die sich als Wohlfahrts— und Unterstützungs esellenhgig le er Provinzclubs (zum Beispiel gemeinsame Herkimft aus de? Proj'c a gen, a 5 dong), als Beerdigungsvereine, als Kaufmanns— und I-Iandwerkä"?ld „ang(; - nicht zu vergessen — auch als Geheimgesellschaften verstandeiglinegvglrcll’l letzterer Eigenschaft sie Schutzmaßnahmen ge en Üb . „ _ _ schen Bevölkerung trafenl. g erg“ffe der emheim1- b) Schwacb gefügte Gesellschaften.- der thera‘vadabuddhistiscbe und malaiisclae Gesellschaftstyp Eine ganz andere Welt betritt man in Thailand, das der Amth 1 Embree3 als Paradebeispiel einer «loosely structured society» entde ko l?ge Jeder gehe hier seinen eigenen Weg; es gebe kaum festen Zusarnmenhialtt alt. ten ein «Keep in line» und fast nie ein «Be on time». Undenkbar beis ‚'Sl _ weise, daß drei oder vier Thais, die nebeneinander auf der Straße daherkbe S: men, je in Gleichschritt verfielen. Die «schwache Fügung» be innt vi?e Embree feststellt, bereits bei der Familie. Zwar sei der Vater dorfdurdhads als Oberhaupt anerkannt, doch übe er seine Funktionen anders als in Viet— nam oder China, niemals patriarchalisch aus. Über die Ausdehnung der ei- genenVerwandtschaft bestünden höchst wolkige Vorstellungen — ganz zu schweigen von einem («konfuzianischen») Verlangen, mit «drei Generatio- nen unter einem Dach» zu leben. Angesichts des losen Familienzusammen— halts konnten Sich Eltern ihrer Kinder nie ganz sicher sein; eines Tages seien s1eeben einfach weg. Auch Ehen hielten nicht lange — eine Beobachtung die ubr1gens ebenso für Kambodscha und Birma4 gilt, besonders aber, für fiialay;1a, wo die Ehescheidungsraten in manchen Gegenden bei über 70 % gen . Bindungen mit Danwei-Charakter wird man auf Dorfebene vergebens su- Clllen. Dies gilt übrigens auch für den Großteil der malaiischen Welt, wo es 221:;g igä£ijääioÄialgieäe, also etwa auf Territorialität oder auf Blutsgemein— hUngen ibt (;i e in upgen,flsondern fast nur «dyad15che» (Paar—)Beue- jedem Fi“ ;b ie gai;zAaäi hpersonl1chen Sympath1en oder auf Berechnung, in deutl' h b . er au — oc-Uberlegungen beruhen. Dies w1rd vor allem _ IC ei der Untersuchung eines beliebigen Kampung, also eines lener gäizäeiain«gorferl»‚ddie in der Regel bandförmig entlang von Straßen und Wo das eing ;:)gt Sfln änd deren Bewohner selten genau zu sagen wußten, €reieh der ; o; » en et und das andere anfangt. Diffus auch der Einzugs- einem «Zemane nen Moscheen; vergeblich wurde ein Europaer ferner nach rum mit Kirche und Rathaus» suchen".