6 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile 2 durchsetzte‚ versuchte sogar, den_Zamindaren Landadelsrechte nach briti— schem Vorbild einzuräumen und Sie als Ruckgrat fur das neue politische 5y_ stem zu gewinnen). Damit freilich wurde die Dorfautonom1e nun V'Ol‘lfi'l'ltlx liquidiert. Spätestens damals verlor das indische Dorf seinen Danwei—Staun und wurde Teil des Transdanwe1—Bererches. Zwar versuchten die Briten 5p3, ter mehrere Male, die alte Selbstverwaltung neu zu beleben, um Sich so der immer habgieriger werdenden Zammdare Wieder zu entled1gen; die Page Chayat—Idee jedoch war längst tot. Dieselbe Erfahrung mußten auch dh. Nachfolger Gandhis machen, die im Geiste des Mahatma seit 1957 V_ersu°h‘ ten, die Neubelebung der Selbstverwaltung mit einem «Community 1)c‚_ velopment»—Programm zu verbinden, wobei die staatlichen Mittel uber dm Stufen, von den Distrikten (unterste staatliche Instanzen) uber die «Bl()ckg„ bis hin zu den «Panchayats», kanalisiert werden sollten”. Doch W'ar'auCh hier die Rechnung wieder ohne den Wirt gemacht worden: Zwar erhielten die Dörfer de iure zahlreiche Selbstverwaltungsrechte; da sie jedoch von An_ fang an unter chronischer Finanznot litten, sprach am Ende doch Wieder die staatliche Distriktsverwaltung, von der ia die Hilfsgelder verteilt wurden, das letzte Wort. Da deren Beamte freilich nicht von den Dörfern gewählt, sondern von Delhi ernannt wurden, verwandelte sich die eigentlich angg, strebte Dezentralisierung unterderhand zur administrativen Dekonzentrig rung. Praktisch lief dies darauf hinaus, daß nicht der dorfliche ((F.unf(irffltii' sondern die staatliche Bürokratie auch über solche Fragen entschied, die de iure zum Selbstverwaltungsbereich gehörten. Da die enttäuschte Dortbevöl— kerung daraufhin schnell wieder jegliches Interesse ander Selbstverwaltung verlor und die Entscheidungen der Beamtenschaft sowre der dorfhchen (_;env try überließ, wurde die von Gandhi geforderte Dorfdemokrane de facto zum Instrument der mit der Beamtenschaft klienteli51erten Dorfoligarclnt‘. Angesichts dieser kontraproduktiven Entwicklung warfen Kritiker den Gandhianern vor, sie hätten mit ihrer unkritischen Dorfnostalgie am Itnde das herbeigeführt, was sie gerade hatten verhindern wollen, nämlich die Yet» bürokratisierung und Verstaatlichung der Dorfentw1cklung sow1e die fort— setzung der innerdörflichen Kastengegensätze und der ungerechten Boden— verteilung“. „ \ . ’ Anders als die theravadabuddhistischen und malanschen Gesellschafttfl verfügt das hinduistische Indien allerdings über zwei weitere Auffangbs‘k“ ken, die dafür sorgen, daß die Gesellschaft zumindest in ihren Zellele lL—f‘ strukturiert ist, nämlich die Kasten/]atis sowie bisweilen auch die (;rolsfamk lien (Näheres dazu unten S. 76 ff.). Y [. Wie asiattscbe Gesellschaften aufgebaut sind 63 d) Woher die Verschiedenbez'ten? Als Erklärung bietet sich hier erstens einmal die Unterschiedlichkeit der Pro- duktionsweise an. Für die metakonfuzianischen Gesellschaften liefert die «hydraulische Theorie» Karl Wittfogels brauchbare Hinweise. In fast allen Ackerbaukulturen, die periodisch von zu viel oder zu wenig Wasser bedroht waren, bildeten sich, unter Führung verhältnismäßig großräumiger wasser— bauorientierter (hydraulischer) Fürstentümer, hochintegrierte Sippen— und Dorfgemeinschaften heraus, die gemeinsam Staudämme, Entflutungsanlagen und Wasservorratstanks erstellen, wobei es im Laufe der Zeit zur Herausbil— dung einer die Führung beanspruchenden 4 und meist in Städten lebenden — Beamtenschaft und einer breiten, Hand— und Spanndienste leistenden Bauernschaft kam. In den sechzigerjahren war die «hydraulische Theorie» an allen Universitäten und Forschungsinstituten große Mode. Es stellte sich je— doch schon bald heraus, daß sie nur auf einige wenige asiatische Gesellschaf— ten paßte, u.a. auf die altchinesische Bauernschaft am Gelben Fluß und am Yangzi, auf die altvietnamesische Gesellschaft im Bereich des Roten Flusses, in abgeschwächter Form auch auf Bali sowie auf die Reisbauernkultur des alten Angkor. Demgegenüber traf sie nicht zu auf andere klassische Reis- bauernländer wie Thailand, Birma, das nachangkorische Kambodscha oder auf java. Dort entwickelten sich zwar Königs— oder Sultanatsherrschaften heraus, doch kam es nirgends zur Bildung zentripetaler Einheiten. Höchst plausibel erscheint die Theorie, wie gesagt, für Altchina und vor allem für Altvietnam: Das Klima im vietnamesischen Stammgebiet, dem Becken des Roten Flusses, wechselt jährlich zweimal zwischen Über— schwemmung (Monsunzeit) und Trockenheit. In der Hochmonsunzeit, nämlich im August, steigt der Wasserspiegel manchmal täglich um zwei Me— ter. Auf die Saison umgerechnet, kommt es in einigen Teilen dieses Schick— salsflusses sogar zu Höhenunterschieden von bis zu zehn Meter. Schon ein halbes jahr später allerdings herrscht wieder Trockenheit, und die Saaten lechzen nach Feuchtigkeit. Dieses Hin und Her macht verständlich, warum die Wasserregulierung im Bereich des Roten Flusses einen so alles über— ragenden Stellenwert einnimmt. Eindeichungs—, Beforstungs und Bewässe— mngsmaßnahmen gehören seit jahrtausenden zum Aufgabenbereich der Gesamtgesellschaft. Kein Wunder, daß kollektive Selbsthilfe unter rahmen- hafter obrigkeitlicher Anleitung «dem» Vietnamesen — und «dem» Chinesen — zur zweiten Natur geworden ist und auch außerhalb der Landwirtschaft Zur Wirkung kommt. Auch die koreanischen und japanischen Bauern, deren Naßre15-Terrassenfelder in der hügeligen Landschaft immer mehr die Ab— hange hinaufwanderten, konnten auf die Dauer nur dann zurechtkommen, Zi;nalsllfe.sowohl beim Bau der Terrassen als auch bei der Wasserverteilung Oben koeinander Ruck51cht nahmen und zum Beispiel nicht einfach das von mmende Wasser kurzerhand auf das eigene Feld abzwe1gten.