64 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile Ganz anders die Situation in Birma oder Thailand, wo die Fruchtbarkeit der Landschaft und die Problemlosigkeit der Wasserverteilung weniger ge— meinsame Anstrengungen verlangte. Was Kambodscha anbelangt, so hatte eg in der Angkor—Zeit zwar eine gewaltige hydraulische Kultur gegeben. Mit dem Ende Angkors (i431) verlagerte sich jedoch das Zentrum Kambodsclms in Gegenden, die weniger unter dem Zwang des Baus von Bevorratungs- tanks standen, und an die Stelle der hydraulischen trat in den nachfolgenden jahrhunderten eine mehr «ichthylische» (fischereibedingte) Produktion» weise, bei der es keiner kollektiven Zusammenarbeit mehr bedurfm”; Es war aber nicht nur die Produktionsweise, sondern auch der Überbaii‚ der die Vereinzelung begünstigte. Der Selbsterlösungsbuddhismus (Themvada) lehrt, daß jeder Mensch. auf sich allein gestellt, im wahrsten Sinne des Wor. tes Schmied seines Glücks oder Unglücks im nächsten Leben sei. Dies m nicht gerade eine günstige Voraussetzung für Zusammenarbeit mit anderen Wie eng Produktionsweise und Überbau miteinander in Zusammenhang wird am Beispiel des «Auszugs» der kambodschanischen Bevolke» rung aus Angkor (i43i) deutlich. Kaum war sie der hydraulischen «I’lacke— rei» entgangen. nahm sie eine neue Produktionsweise an und konvertierte gleichzeitig zum Theravada. Wo lagen hier Ursache und Wirkung? Es sollte den Roten Khmer vorbehalten bleiben, in den jahren zwischen 1975 und 1978 wieder an die hydraulische Tradition von Angkor anzuknüp- fen, das kambodschanische Volk aus seiner Beschaulichkeit herauszuredien und zu versuchen, auch den Theravadabuddhismus auszumerzen. Die aus den Städten evakuierte Bevölkerung wurde für Dammbauten gigantischen Ausmaßes eingesetzt. Die Rigorosit'a't freilich, mit der diese Politik durchge- setzt wurde, sorgte dafür, daß Schanzarbeiten zu einem Synonym für Skla— venarbeit wurden. Die schwache I"ügung an der Basis wird allerdings durch eine feste büro— kratische Gegenstruktur wieder wettgemacht. EversH weist darauf hin, daß zum Beispiel die Thai—Bürokratie alle Merkmale einer Nomenklatum auf sich vereinigt, angefangen von bestimmten Privilegien und Statussyniluilt‘fi über einen ausgeprägten Corps d’esprit bis hin zur Rekrutierung ihres Nachwuchses, der aus einem geschlossenen Personenkreis kommt. Die Bü- rokraten gelten, ebenso übrigens wie in Laos, Kambodscha oder Birma, Auch heute noch als «Regen und Sonnenschein von oben». Der Baqu 5Chreibt ihnen karmabedingte moralische Autorität zu. erwartet von ihnen Anweisungen und Initiativen, macht sie aber andererseits letztlich auch für das Ausbleiben von Regen oder Sonne verantwortlich. Diese SubordiM’ tionstradition hat sich trotz demokratischer Reformversuche bis heute erhdl’ ten. A15 1960 bei einer Versammlung von Gemeindevorsmhern ein Rclm'm’ Vorschlag verlesen wurde, demzufolge die traditionelle Demut der Bauern vor dem Beamten durch den neuen Geist gegenseitiger Freundschaft ersetzt werden solle, plusterten die Zuhörer vor Lachen”. stehen, ]. Wie asiatische Gesellschaften aufgebaut sind 6; Während also in den metakonfuzianischen Gesellschafte ‘ ' n h zwischen Staat und Dorf/Danwei stattfindet, neigen die theraiaiiralealüidgliz'ilqg schen Gesellschaften zum Monolog der Bürokratie. IS“— 1. Universale und partikuläre Gesellschaften Ging es im vorausgegangenen Abschnitt um die Verdichtungsfähigkdt Von Subsystemen‚ so ist nachfolgend auf die Integrationsf'a'higkeit von Gesamt- systemen abzustellen. „) China und Indien Als Paradebeispiele seien hier China und Indien angeführt, wobei China die metakonfuzianischen, Indien aber die meisten süd— und südostasiatischen Gesellschaften repräsentiert. Beide sind zwar Großfl‘a‘chenstaaten‘iwährend sich China allerdings durch eine nur selten in Frage gestellte Zentralstaatlich— keit profilierte, hängt über der indischen Einheit das Damoklesschwert des Kommunahsmus (i. e. unten S. 83ff.). Dabei sind die Entwicklungen in bei— den I(eichen lange Zeit durchaus parallel zueinander verlaufen. Hier w1e dort waren die Hauptvölker agrarisch orientiert und wurden im Laufe der Geschichte periodisch immer wieder von Nomadenvölkern an e— griffen — und zwar jeweils aus dem Nordwesten. Hier wie dort auch strahglte die Leitkultur von einem agrarischen und meerabgelegenen Herz ebiet hauptsächlich nach Süden aus und führte zur Konfuzianisierung bzwii‘ans- kriti5ierung; gletchzeitig erfolgte die Durchdringung weniger auf expansio— msusche als Vielmehr auf impansionistische (kulturell—erzieherische) Weise und weniger durch kriegerische Mittel als vielmehr durch Methoden der in— neren Kolonisierung, d.h. der Besetzung des Denkens mit neuen Wertvor— Siellungen. Hier wie dort auch stand das Altertum im Zeichen von Großrei— :; en (Han-Dynastie. Maurya—Reich), die von Beamtencorps geführt wur— e_n..Des weiteren hat es in Indien genauso eine lange Lernkultur gegeben Wir In China — man denke etwa an den buddhistischen Sangha oder an das ääig;edljsraéirnangntum. Ebenso wie in China hatte es auch inindien immer chen Herrsc;;ftre erggegeben, den ganzen Subkont1nent in einen}emheitli— mus ] _ tsver an einzubringen. Warum konnte s1ch der Zentralis— & som China durchsetzen, nicht aber in Indien? b D . . . ) Br chmeszsche Unwersalstaal und der indische Kastenparti/eularismus D' - - . - sc;:3afl'iontinuierlich'ste und bei aller Größe auch zentralstaatlichste Gesell— im Et ä\swns, die im Lauf ihrer Geschichte zwar häufig Spaltungen erlebt H e aber doch immer wieder zur Einheit zusammengefunden hat, ist —