74 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile b) Der « Vertikalismus» in Südostasien In sämtlichen Gesellschaften Südostasiens spielt die Patronage eine beherr_ 5ehende Rolle — also ein Verpflichtungsverhältnis zwischen Personen‘ die sich von Angesicht zu Angesicht kennen und bei denen der jeweilige “Pa— tron» seiner «Klientel» sowohl an sozialem Gewicht als auch an Besitz über_ legen ist, so daß sich zwischen ihnen ein asymmetrisches Verhältnis CmWik_ kelt. Im Dorfrahmen zum Beispiel überläßt der Patron «seinen» Leuten in aller Regel Grundstücke oder Kredite. während der «Vasall» sich dafür ganz in den Dienst des Patrons begibt. Aus westlicher Sicht pflegt dieses System eine höchst zweideutige Bewer_ tung zu erfahren; die einen sehen die positiven Seiten und verweisen auf die gemeinsame Sicherheit, die durch Klientelverhältnisse geschaffen wird, die anderen entdecken demgegenüber nur den Klassem und Ausbeutungscha. rakter. Beide Standpunkte lassen außer acht, daß Patronagebeziehungen letztlich nichts anderes sind als eine situationsgerechte Ausformung des Ver» tikalprinzips. Der Dorfpatron übernimmt zwei wichtige gesellschaftliche Integrationsfunktionen, indem er einerseits ein kleines, lokales Beziehungs— netzwerk schafft, das er auf der anderen Seite mit dem großen, überlokalen und nationalen Netzwerk verknüpft. Der politische Klientelismus wird da— mit zu einem wichtigen Bindeglied (und übrigens auch Forschungsansatz— punkt) zwischen lokaler und nationaler Politik. Treten mehrere Patrone ge— geneinander in Wettbewerb, entsteht auch sogleich wieder Fraktionismus, der im allgemeinen weniger durch Sachfragen als vielmehr durch unter schiedliche, d.h. nicht—institutionalisierte, sondern rekrutierte I.oyalitl1ten bedingt ist. Solche informellen Beziehungen gibt es in Indonesien beispielsweise in Form des «Bapakismus», d.h. einer persönlichen Beziehung zwischen dem «Vater» (bapak) und den «Kindern» (anak buah)“, die in aller Regel dadurch zustande kommt, daß der potentielle «bapak» über Güter und Privilegien (zum Beispiel Grundstücke, besondere Kenntnisse, Protektion beim Eintritt in Partei— und Staatsämter etc.) verfügt, die für den potentiellen Vasallen - also das «Kind» * begehrenswert oder gar lebenswichtig sind, und daß er ihm außerdem eines dieser Güter zum Geschenk macht, ohne daß der linipr fänger in der Lage wäre, sich mit einer adäquaten Gegengabe zu revanchie ren. Durch diese Gabe gerät der Empfänger in ein Patronageverhältnis. In besonderen Situationen zieht der Bapak das Anak allein durch den Magn6‘ t15mus seiner Persönlichkeit so sehr in Bann, daß sich ein Austausch von Ge< SChenken erübrigt. Im Extrem kann ein «Kind» 70, der «Vater»-Führcr ab“ nur 30 Jahre alt sein ‚ ein Phänomen, das etwa im japanischen Oyabun/ KObUH—Verhältnis undenkbar wäre. Das «Kind» erwartet vom Bapak ch' “f“8 und Sicherheit, während sich dieser umgekehrt darauf verläßt, daß siCh die Kinder für ihn «in Stücke reißen lassen» und ihren «letzten Tropfen Blut ]. Wie asiatische Gesellschaften aufgebaut sind 75 hingeben»zs. Vor allem während der Rebellion gegen die holländischen Ko- loni;lherren waren diese Bapak/Anak—Beziehungen von ausschlaggebender Bedeutung. Umfragen aus nachkolonialer Zeit haben ergeben, daß moralische Ver— l;,flichtungen besonders gut bei den Armen des Dorfes, bei Wirtschaftsmana— gern Und bei religiösen Führem, kaum jedoch bei Frauen ankommen“. Im Zuge der Urbanisierung zeichnet sich, wie Jackson" festgestellt hat, ein Wandel vom eher moralisch begründeten Bapak/Anak—Verhältnis hin zur vorwiegend materiell fundierten Patronage ab. Hier steht also weniger die ‚Hektive Hingabe als vielmehr das Entgeltdenken im Vordergrund. Für die Regierung stellt sich angesichts dieser Tradition die Frage, ob sie sich in ihrer Entwicklungspolitik der Patronage bedienen soll. Zwei Bei— spiele mögen andeuten, welche Bedenken hier bestehen: Von westlichen Ex- perten wurde der Rat erteilt, die Entwicklung der Region Kalimantan da- durch zu dezentralisieren und zu optimieren, daß ]akarta lokale «Seilschaf— ten» mit der Durchführung betraute. Die Regierung winkte jedoch ab, weil sie Machteinbußen befürchtete. Aus demselben Grund wagte es ]akarta auch nicht, das BIMAS—Programm (zur Durchführung der Grünen Revolution) auf die «traditionelle» Schiene zu setzen und die Kräfte vor Ort stärker mit— zubeteiligen. Statt der örtlichen Bapaks wurde die Bürokratie ins Rennen ge- schickt, mit der dann freilich die Bauern wiederum nichts anzufangen wuß— ten”! Auf den Philippinen entstehen Seilschaften häufig in Form von «Barca— das» (wörtl.z <