78 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile Gelagen und seinem Gang . . .»” Es gibt also keine allgemeinverbind_ dem nur kastenspezifische Gebote und Verbote, 50 daß sich nirgends auf der Welt eine «pluralistischere» Ausformung der Berufe, der Anschauungen, Trachten und Wertvorstellungen herausgebildet hat als in der hinduistischen Gesellschaft. seinen _ liche Sittlichkeit, son Berufsfreibeit contra Berufsbindang ' . Obwohl die «Berufsfreiheit» in den traditionellen konfuztamschen Cv€sell- schaften durch Zünfte und Gilden sowie durch eine üppige «Anti—Luxu5_ Gesetzgebung» eingeschränkt war, gab es doch Bewegungsmöglichkeitm_ Klassisches Beispiel hierfür ist das Mandarinat, das, von wenigen besonders niedrigen Bevölkerungsschichten abgesehen, für jedermann theoretisch Zu erreichen war, falls er erfolgreich die «Prüfungshölle» überstand. Im Hinduismus dagegen überfängt die Subkaste (jati: <n Sondern nur unterschiedlich «reine» Personen, Tiere oder Gegenstände, und nichts im traditionellen Indien blieb von der sich daraus ableitenden Hl€fär‘ chisierung verschont: Bei den Menschen ergibt sich die Reinheitsstufenfolge aus der Rangord— nur!g der Kasten. Ganz oben stehen die Brahmanen, ganz unten die „Unbe< rührbaren». Der Brahmane hat seine «Reinheit» dadurch zu wahren, daß er sich nur mit «reinen» Gegenständen umgibt, daß er periodische Reinigungs' zeremonien durchführt und daß er den Kontakt mit «unreinen» Kaste'nälnyilfiii1 hörigen‚ Tieren oder Gegenständen vermeidet. Bei den Tieren gilt die b“ als am reinsten, während das Schwein ganz am anderen Ende der Skala steht- Was schließlich unbelebte Gegenstände anbelangt, so ist das Gold am fcm' ]. Wie asiatische Gesellschaften aufgebaut Sind 79 sten, gefolgt von Messing, Kupfer, Eisen und Lehm. Seide gilt als rein BaumW0“e dagegen bereits als «schmutzübertragend». Unter den Lebens—y mitteln sind am reinsten alle Produkte der Kuh, gefolgt von Reis, We \ und Hirse. Als unrein gelten schließlich alle körperlichen Exkremente — Urin, Stuhl und Samen, aber auch Speichel, Blut, Atem und sogar Haar— und Fingern} gelreste. .Wegen dergUnremhe1t des Spe1chels schreiben manche jatis sogar vor, daß ihre Angehongen Brot oder Obst me vom Stück abbcißen, sondern nur abgebrochene oder abgeschnittene Stücke zum Munde führen, daß sie ferner Trinkgefäße und selbst Zigaretten nie direkt an die Lippen bringen, sondern den Rauch zwischen den Fingern hindurchziehen. Blut wird so sehr verabscheut, daß manche Brahmanen sogar den Genuß von «blutfarbenem» Obst oder Gemüse vermeiden. Alle Personen, die profe5sionell mit Blut zu tun haben, bekleiden im allgemeinen niedrigste Kastenränge ‚ angefangen vom Fleischer über den Abdecker bis hin zum Gerber. Man kann sich vor— stellen, wie ambivalent die Einschätzung des modernen Chirurgen ausfa'llt! Unrein ist der Atem: Man blase deshalb nie direkt in ein Feuer. um so den Gott Agni nicht zu beleidigen. Unrein ist ferner die linke Hand „ man be— nutzt sie ja zur Säuberung der «Ausflußstellen». Auch eine noch so gründli— che Reinigung mit Seife kann an der rituellen «Beschmutxung» nichts än— dern! Frauen gelten übrigens, unabhängig von ihrer Kaste. als unter den Männern stehend, weil sie durch Menstruation und Geburt « .. . . _ .. “den—Staub hmwegwascht; Reinigungskraft kommt auch bestimmten Ols°"en Zu, vor allem aber den «fünf Produkten der Kuh». Sich mit Kuh— l_mg b65chm1eren, bringt nach dieser Auffassung Reinigung, Schuhe aus gundsleder zu tragen, führt dagegen zu extremer Verschmutzung. Zur Reini— "g fuhren auch Tonsuren — deshalb der Haarschnitt, der den Säugling von izen