90 Asiatische Gesellschaften und Verballensstile liebgewordene Traditionen zurück. Mao Zedong, der im Zeichen d des «Egalitarismus» angetreten war, beendete Seine Laufbahn mit einer Orgie des Personenkults — ebenso Kim Ilsung, Ho Chi Minh, Tschoibalsan oder Kaysone Phomvihan. Schnell kehren sie Wieder zurück, die alten Muster, seien es nun die notorischen Fraktionskämpfgj die gebetsmühlenartige Verwendung von marxistischen Formeln und schließlich - am Ende allen Lateins — die «Reformen», die letztlich zur partiellen Wie! derbelebung alter Wertesysteme führen, wie etwa des Metakonfuzigmismiis im reformerischen China. Not und Elend waren seit jeher ein Stigma der asiatischen Bauerngesell- schaften, fiir die es drei Lösungsmöglichkeiten gibt: vegetieren — emigrieren — revoltieren. «Revolten» gehören zur asiatischen Geschichte seit Menschen, gedenken ‚ etwas mehr in den konfuzianischen und verhältnismäßig Wenig in den hinduistischen Gesellschaften. Man sollte sich fragen, ob die bisheri— gen angeblich «sozialistischen» Revolutionen in Asien nicht eher als Spielart jener Bauernaufst'ainde traditionellen Zuschnitts zu werten sind, denen fünf Eigenschaften gemeinsam waren, nämlich auswegloses Elend als Treibsatz, religiöse Verbrämung als Ideologie, Unbestimmtheit der Methoden (es wird schon «irgendwie» gehen!), Magier oder Priester als Anführer und Anbruch eines glückbringenden «tausendjährigen Reichs» als Ziel — daher die Be— zeichnung «chiliastisch!» «Chiliastisehe Bewegungen» dieser Art, die an die Albingenser oder die Waldenser denken lassen, gab es sowohl in japan und China («Gelbe Tur— bane», «Rote Augenbrauen». usw.) als auch in Südostasien: Im kolonialen java kam es im späten ig. und beginnenden zo.jahrhundert zu einer Reihe von antikolonialen Revolten unter Anführern, die als Verkörperung des Ratu adil (ratu: König, adil: gerecht) auftraten. In Thailand war die Ung- MawRebellion von i901 ein typisches Beispiel für die im theravadabuddhi— stischen Bereich häufigen Phi—bumAufstände (phi bun ist der höchst negativ eingefärbte Ausdruck für einen meist mönchischen Anführer)”. All diese Chiliasmen hatten stets den gleichen Ausgang. Nach vulkanartigen Eruptio» nen endeten sie wieder dort, wo sie begonnen hatten: Gewitter ohne reine gende Wirkung, die von der Geschichtsschreibung denn auch als typisChti Elemente eines normalen Zyklus registriert wurden. Offensichtlich bedarf Asien nicht eruptiver Revolutionen, sondern langsam mahlender Rein schnell in der «Massenhme» un (IUCN. Y II. Wie in Asien regiert wird Im folgenden Kapitel sollen nicht die Regierungssysteme einzelner Staaten Sondern die Probleme beschrieben werden, die angesichtg eines aus der Tra—l ditl0_n ererbten «vormodernen» Wertesystems auftreten. Dabei sind neun Bereiche zu behandeln, und zwar unter den Stichworten Stabilität Demo- kratle, staatliche.h.inheit, Macht, Recht, Verhältnis Staat/Kirche» verhältnis zum Militar, politische Philosophie und politische Kultur , I. Zw15chen Personalisierung und Institutionalisierung Wie stabil smd die asiatischen Staaten? Das traditionelle Asien bestand aus einer Girlande von Personalverbands- und nicht etwa aus Territorial—Staaten im Sinne der modernen westlichen Definition. Solche «Staaten» wurden zusammengehalten durch Treueeide oder Tributverhältnisse, durch periodische Rundreisen des Königs durch Entsendung persönlich betrauter Kontrolleure, durch Einforderung «per- sönlicher Garantien», wie sie beispielsweise unter den japanischen Toku— gawa durch Vergeiselung von Familienangehörigen am Hof des Shoguns geleistet wurden, durch Besetzung von Staatsämtern mit Verwandten oder Vertrauten des Königs, durch häufige Rotation der Funktionäre, durch re— gelmafhgen Austausch von Geschenken und Treuegeliibden, durch die Ein- schaltung von Spionen (auch dies vor allem bei den Tokugawa) und durch das Verbot an Beamte, Amter in solchen Gegenden auszuüben, in denen sie geboren wurden — letzteres eine chinesische Dienstrechtstradition, die aller- dings mittels Adoption des betreffenden Beamten durch «Eltern» aus einer anderen Region allzu häufig umgangen wurde. Nicht Freiheit und Unabhän— gigkeit, sondern (freiwilliger) Dienst und Treue, Vasallenverrat und Illoyali— tat waren die zentralen Denkkategorien. Personalverbandsstaaten in diesem Sinne waren die indischen Königreiche d€S Mittelalters mit ihren Maharaja/Samanta (Großkönigs/Nachbarschaftg— ä9nlgS)—Beziehungen, das mittelalterliche japan der Daimyos und Samurais, féfnähäjfpl'iijscmn- Sippen— und Dorfgemeinsgchafts(barangay)—Verbände, und so a zu osgasmnschen «inlandsstaaten» mit ihrer Re15bauernkultm — Staats %ü; as c ine_5ische Kaiserreich; obwohl es namhch dort eine durch fessiofien ungen lgeswbte, also «uberpersonhche» Burokrane gab, die «pro— nem het_fer» Wir te also irgendwo sonst, kam es doch immer Wieder zu ei- igen Tau21ehen zw15chen Palast— und Staatsamtern (zum Beispiel