96 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile Hauptgründungszweck es war, den konventionellen Par- den Segeln zu nehmen, mochte anfangs zwar noch ein Fremdkörper im politischen System gewesen sein, hat sich inzwischen aber zu einem selbstverständlichen Bestandteil des indonesischen Verfassungsle‚ bens entwickelt. Was Indien anbelangt, so setzt sich dort einerseits die «dy‚ nastische» Tradition Nehrus fort, auf der anderen Seite aber gibt es den In— dian Civil Service, dem von Anfang an eine überkommunalistische, allindi- sche Perspektive in die Wiege gelegt worden war — ein institutionalisierung; freundliches Erbe des britischen Kolonialdienstes. setzt und deren teien Wind aus z. Demokratie und Demokratie-Ersatz in Asien a) Der schillernde Demokratiebegnff Obwohl es im traditionellen Asien nie überdörfliche Demokratie gegeben hat, verstehen sich alle 25 Staaten des Kontinents, ob sie nun «parlamenta— risch» oder leninistisch regiert werden, als «Volksherrschaft». Dabei haben die meisten nachkolonialen Staaten nicht nur innerhalb kurzer Zeit alle For— men der ihnen von den Kolonialherren hinterlassenen «Westminster-Demo— kratie», sondern sogar die sich anschließend bildenden autochthonen Demo— kratien abgelegt, sei es, daß das Militär die Macht ergriff (so z.B. in Süd— vietnam, im Kambodscha Lon Nols, in Indonesien nach 1965, in Thailand periodisch seit 1932, in Birma, Pakistan und Bangladesh), sei es, daß sie das «Kriegsrecht» verhängten (Philippinen, Pakistan) oder aber kurzerhand, wie in Indonesien, die Parteienlandschaft auf drei Großgruppierungen zusam- menstutzten und Wahlkämpfe auf kurze Perioden beschränkten, um so die Bevölkerung vor «politischer Unruhe» zu bewahren. In anderen «Demokra- tien» wie in Singapur, wird die politische Opposition durch administrative Angriffe aller Art am kurzen Zügel geführt, und in Malaysia sind Grundfra- gen der Gesellschaftsordnung, die vor allem die Stellung des Malaientum5, der Sultanate und der Minderheiten betreffen, durch Verfassungsergänzung von 1969 der Abstimmung entzogen worden. Unabhängig davon gibt es durchaus demokratische Reservate, wie die 50 gegensatzlichen Beispiele China und Indien zeigen: In China herrscht D? mokratie zwar an der Basis, d.h. im Danwei-Bereich, nicht dagegen "“ Transdanwei—Bereich. In Indien verhält es sich genau umgekehrt: Hier funk“ tionierr Demokratie a la Westminster in höchst eindrucksvoller Weise auf Bündesebene, schon weniger dagegen auf Provinzebene und kaum noch 21} Bezirks- oder Gemeinde(Dorf)—Ebene (zum Absterben der Dorfdemokratle vgl. oben 5. 61 f.). Wenn Indien immmer wieder als «größte Demokratie der Welt»_ gerühmt wird, so hängt dies vor allem mit seinen eindrucksvollen I_“' st1tunonen auf höchster Ebene zusammen — der freien Presse, der freien Of’ 11. Wie m Asien regiert wird 97 fentliChen Diskussion in den Städten und in den Universitäten der k Politi5Ch auftretenden Kongreßpartei und nicht zuletzt auch niit demoiildf)k briti5Ch geprägten Rechtssystem, das von agilen Rechtsanwälten eh dh b wird. Bei näherem Hinsehen wird jedoch schnell deutlich daßg fin (f [ we!t0ffenen Reformern zahlreiche «Regionalfürsten» domiriiere “ä ed efi {eingesponnene Netze mit den dörflichen Grundbesitzern verbiiiidfl‘ Surcd die ihrerseits wiederum kraft vielfältiger Bodenverpachtun >s— und G Aldm ’ leihungsmöglichkeiten ein reichhaltiges Instrumentariufii b ' ' e ver- «ihre» Dörfler zum «richtigen» Wahlverhalten zu verpflichten DSIILKIi', um lismus wird auf Kosten der Demokratie zur Basis hin immer-stäek läge; selbst an der Spitze hat die schöne Politur der Demokratie in den lertzetr-n Ja;- ren durch einen allzu häufigen Gebrauch der Bundesexekution e inüber den Provinzen, durch Verhängung des Ausnahmezustands, dur<%thresse- zensur und Pohze1e1nsatz erhebliche Schrammen abbekommen. b) Demokratie «von oben» Demokratie beschränkt sich in Asien zumeist auf die kleine und überschau- bare Zelle, während sie im «Transdanwei—Bereich» manipuliert wird Hier— für drei Beispiele: . Da ist erstens der Volksentscheid, der häufig schon anstelle von Wahlen durchgeführt wurde. Seit dem Ende der Kolonialzeit haben nicht weniger als elf asiatische Staaten Plebiszite veranstaltet — wohlgemcrkt nicht Volksbegeh— ren, sondern Volksentscheide —, und zwar Bangladesch, Birma, Kambo— dscha, die Malediven, Nepal, Pakistan, die Philippinen, die Republik Korea, Smgapur, Südvietnam und Sri Lanka. Besonders plebiszitvcrliebt waren drei Staaten, nämlich das Kambodscha Sihanouks und Lon Nols (4mal), die Repu— blik Korea (;mal) und die Philippinen (gleich 13mal, und zwar izmal unter Marcos und einmal unter Corazon Aquino). Dabei ging es entweder um die Billigung verfassungsrechtlicher Innovationen (z. B. die Ratifizierung neuer Verfassungen auf den Malediven (1968), in Birma (1973) oder auf den Philip- pinen (1986), des weiteren um den Anschluß Singapurs an Malaysia (1962) Sowie um die Wiedereinführung des Panchayat—Systems in Nepal) oder aber, Weltaus häufiger, um nachträgliche Akklamationen für erfolgreich verlaufene Staatsstreiche (Pakistan 1960 und 198g, Bangladesch 1977 und 1985). In eini— gen amatischen Ländern, vor allem auf den Philippinen, in Südkorea, in Paki— Stan und Bangladesch, zeigt sich schon heute eine Tendenz, das Plebiszit mehr ‘"!d mehr an die Stelle von Wahlen zu setzen. Volksentscheide haben ja zahl— irCIChe Vorteile: sie können ohne lange Vorbereitungszeit und ohne Wahl— N3IT_lpf abgehalten werden, sie verlangen vom «Wähler» lediglich ein «Ja oder laiii?’ wobei ihm das jagdurch ein Trommelfeuer regierungsoffizieller Ver— m hru_ngen schmackhaft gemacht wird, und sie lassen sich mit Leichtigkeit anlpuheren, so daß 95—‘Vo—Ergebnisse keine Seltenheit sinds.