Y 1 12 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile nisterium zum Pramane-Platz, bei dem hinduistische und buddhistische Bildnisse sowie Opfergaben mitgeführt werden. Auf dem «Feld» steht ein Pavillon mit Altar, um den herum Pflanzen und symbolische Gegenstände angeordnet sind, u.a. ein Behältnis mit drei Tüchern, die so gefaltet sind, daß sie sich äußerlich voneinander nicht unterscheiden. Zieht der Oberzere— monienmeister während der rituellen «Test»—Phase das längste Tuch, so ist dies ein Zeichen dafür, daß in der nächsten Saison wenig Regen fällt, zieht er dagegen das kürzeste, so steht ein feuchtes Jahr vor der Tür. Kein Wunder, daß die Bauern gerade diesem Teil der Veranstaltung mit besonderer Auf— merksamkeit folgen. Sodann beginnt die eigentliche Zeremonie. Zuerst wird der Boden gewässert, und dann tritt der von zwei geweihten Ochsen geztr gene Pflug in Aktion, bedient vom Landwirtschaftsminister und flankiert von Brahmanenpriestern, die ins Heilige Muschelhorn blasen. Drei Furchen werden in jede Richtung gezogen und von vier «Himmelsmädchen» mit Körnern aus goldenen und silbernen Schalen eingesät. Um das neubestellte Feld werden zum Schluß noch drei volle Kreise gepflügt. Anschließend er— halten die zwei Spannkühe aus sieben verschiedenen Gefäßen Reis, Sesam, Mais, Bohnen, Wasser, Gras oder ein vergorenes Getränk angeboten. je nachdem, in welcher Reihenfolge sie sich bedienen, weiß der zuständige Brahmane, welche Ernten in der kommenden Saison am besten ausfallen. Anschließend verlassen der König und die Prozession den Platz, den nun die Bauern stürmen, um die ausgesäten Körner aufzulesen und sie unter das ei— gene Saatgut zu mischen”. Blühte das Reich, so war die Macht eo ipso legitim und gut, kam es zu Naturkatastrophen, so sah die Bevölkerung schnell Zeichen an der Wand. Bezeichnenderweise wird der Ausdruck «geming» («Mandat verlieren») im Chinesischen auch heute noch als Ausdruck für «Revolution» verwandt. Daß dieses Denken noch keineswegs der Vergangenheit angehört, zeigen zwei neuere Beispiele: Erdbeben von 1970 in Rangoon und von 1975 in der alten Tempelstadt Pagan erschütterten eine Zeitlang den Glauben an die Ne- Win—Regierung: Im September 1970 war nicht nur die Spitze der Goldpa— gode (Shwedagon), des Nationalheiligtums der Birmanen, sondern auch die Residenz General Ne Wins beschädigt worden. Sogleich waren Gerüchte im Umlauf, daß «die» Shwedagon ärgerlich geworden sei, weil Ne Win mit sei- ner Politik nicht nur eine Wirtschaftskatastrophe heraufbeschworen. son- dern sich königliche Privilegien angemaßt habe, indem er den Hti der ShWC' dagOn, d. h. den mit Gold und Edelsteinen besetzten Pagodenhelm, in cing ner Regie durch einen neuen ersetzen wollte. Als ein Erdbeben am 3-lull ‘_97S in der alten Tempelstadt Pagan, dem Sitz der ersten birmanischen KÖ" “_‘g€‚ U. a. den Ananda—Tempel beschädigte, in dem Ne Win häufig zu medl‘ tieren pflegte, zog sich die Regierung erneut ins Schneckenhaus zurückle _AUCh_ im kommunistischen China ist das alte Erbe lebendig geblieben Dies zelgte sich vor allem 1976, als sich die «Zeichen des Himmels» häufteni [I. Wie in Asien regiert wird 113 Am 8, März ging ein Meteoritenregen über der Provinz ]ilin nieder, am 29_ Mai folgten Erdstöße in den Provinzen Yunnan und Sichuan, und Ende Juli wurde die Millionenstadt Tangshan durch ein Erdbeben vernichtet. Fast zur gleichen Zeit trat der Gelbe Fluß über die Ufer und suchte die Provinzen Henan und Shandong heim; diese Uberschwemmungskatastrophe wurde erst Anfang Oktober in ganz China bekanntgegeben — offensichtlich glaubte die Regierung, möglichen «metaphysischen Deutungen» vorgreifen zu müs_ sell- Den Naturkatastrophen folgten mit «zwingender Logik» die politi- schen Hiobsbotschaften: Im gleichen jahr nämlich starben die drei Spitzen- Politiker Mao Zedong, Zhou Enlai und Zhu De. Spätestens seit dem Tode Macs tauchte dann mit einem Male das alte Schriftzeichen «beng» mit seiner Doppelbedeutung «Der Kaiser stirbt» und «Die Erde hebt» wieder auf— für der! Durchschnittschinesen ein Menetekel. Finster warnte damals die partei- amtliche Renmin Ribao vor «abergläubischen» Mißdeutungen”. Auch Volksaufstände sind ein Zeichen des Himmels. Die Herrschenden wehren sich gegen solche Indizien zunächst mit allen zur Verfügung stehen— den — auch brutalen — Mitteln. Läßt sich der Ansturm jedoch nicht nieder— schlagen, besteht also der «Himmel» auf seinem Finger?.eig, so geben die Regierenden oft schlagartig — und völlig überraschend « auf, weil sie vor al- lem fürchten müssen, daß ihnen der ebenfalls stutzig gewordene Anhang der Gefolgschaft versagt: so geschehen im juni 1987 in Südkorea. c) «Machen, ohne zu handeln — bewirken, ohne zu tun» Aus diesen «universistischen» Zusammenhängen sollte klargeworden sein, daß politische Macht in Asien ernst genommen wird und daß freiwilliger Gehorsam die Regel, Rebellion aber die Ausnahme ist. Ein Politiker im Sat— tel sitzt sehr hoch, stürzt er jedoch, so geht er nicht nur seines Amtes, son— dern seiner gesamten moralischen Substanz verlustig: seine «Worte» ver— schwinden, sein Bild wird wegretuschiert. Paradebeispiele dafür sind etwa Lin Biao, ]iang Qing, Diem, Lon N01 * und nicht zuletzt auch Sukarno. Wer umgekehrt gegen eine «mächtige», also eo ipso gute Obrigkeit oppo- niert, gibt sich als Parteigänger finsterer Mächte zu erkennen, der einen «göttlichen» Willen zu durchkreuzen versucht. Erst von einer solchen Inter- pretation her wird jene elementare Grausamkeit verständlich, mit der 2.3. Zehntausende von kommunistischen Rebellen im Anschluß an den miß— llf“genen indonesischen Septemberaufstand von {965 von der Bevölkerung medergemacht wurden. Selbst in dem sonst so anmutig—unaggressiven Bali Wurden die Unruhestifter auf Friedhöfe gezerrt und dort von der Dorfge- meinschaft mit Feldwerkzeugen massakriert; hier ging es offensichtlich nicht mehr nur um Politik, sondern um Dämonenaustreibung. Freilich gibt es neben den oben erwähnten zwei klassischen Formen des Wlderstands (Nichtausführung von Befehlen und Flucht ganzer Dörfer)