„4 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile auch noch eine dritte, höchst sublime und von den Machthabern offensichn lich gefürchtete Spielart, wie sie von dem ]avaner Sawito 1976 vorgefüh„ wurde, um die «korrupten Machenschaften» der Regierung Suharto anzu‚ klagen. Sawito zog sich in den Kraton der alten Königsstadt Solo (Sur;ikartg) zurück, fastete, meditierte und gab in geschickt inszenierten Verlautbam„. gen der Bevölkerung zu„verstehen, daß die Endzeit der Regierung Suharro „gebrochen sei. Die Uberreaktion Suhartos, der seinen Kritiker durch mehrere Prozesse bis zur Zermürbung verfolgen ließ, zeigt, daß Sawito an einen Zentralnerv gerührt hatte”. Die religiös bedingte Obrigkeitsgläubigkeit macht es übrigens erst Ver— ständlich, daß sich die hochkultivierten ]avaner über 300 jahre lang von ei. nem europäischen Volk beherrschen ließen, das ihnen an Menschenzahl unendlich unterlegen war. Die Besetzungjavas und anderer Inseln durch die Japaner im Zweiten Weltkrieg führte bei der Bevölkerung zu höchst wider» sprüchlichen Gefühlen: Zwar wurde sie als Fortsetzung der holländischen Kolonialherrschaft empfunden, doch gab es da andererseits eine alte Weissa— gung, derzufolge einst «kleine gelbe Menschen aus dem Norden» die Ret— tung bringen würden. Erst als die Besatzer kurz vor ihrer Niederlage 1945 zu brutaler Machtausiibung übergingen, muß es auch dem letzten Indone— sier klargeworden sein, daß ihre «Macht» sich wieder verflüchtigt hatte. Die holländischen Kolonialherren umgekehrt wußten recht wohl, was sie taten, als sie in den späten jahren ihrer Herrschaft dazu übergingen, Wayang-Vor- stellungen zu überwachen, von denen möglicherweise verschlüsselte Wider- standssignale ausgingen. Das traditionelle Machtkonzept leistet auch im nachkolonialen Asien ei— nen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Stabilität der einzelnen politi- schen Regime und bildet insofern einen gewissen Ausgleich für das oben bei schriebene Institutionalisierungsdefizit. Nach wie vor wird gern gehorcht: auch ist Asien das Eldorado «starker» Politiker — man denke an Mao Ze— dong, Ho Chi Minh, Kim II Sting, Lee Kuan Yew, Ne Win, Suharto, Mare cos oder an die Nehru-Dynastie. Auch Frauen können am Nimbus der Macht teilhaben, z.B. Indira Gandhi, Sirimave Bandaranaike oder aber die Begum Nusrat Bhutto und ihre Tochter Benazir als Führerinnen der Paki— stan People’s Party, gar nicht zu reden von den Ehefrauen führender Politi— ker, für die der Weg «from teacups to politics» in der Regel sehr kurz ist. Y 11. Wie in Asien regiert wird 115 5. Die Asiaten und das Recht 4) Verflechtung von Rechts- und Sittenora'nung D.” traditiogelle Asfxgen begtaäd ausgneist hochzellularisierten Gesellschaften, d‘ffäfiirvlvriedeerliii’efs'e'fivii£f"riiräilha>Ubaif “ff" ““ de5ha"’ dem “Ge' se » n e or - ' " ' (oder wöchentlich) auf Märkten, im Tempäl‚ auf dini 3311 tr3f SlCh taghCh latz unter dem Banyangbaum oder bei d — m orfversammlungs- P 1 b wurde h' _ d en gießen Prozesaonen. Das Zu- sam}gien}e len . R h 1er wgmger urch Rechtsbesnmmungen als durch Wo ver a ter; m;) aRmfin 11 er ieäerter Brauche, Sitten und Moralvorstel— fä'äfiifffäiä' auisofänfifasr "8 ii Rigifl ““ Straf' "I’d S‘e“e"egeln’ die nungs')Verwaltung und der äeltuliins Rihdt etw;Ran L€lStungs—_ oder Pla- d [ .Öse Hein '—h g g . _ von egeln auf Tradition, Alter 0 er re ig; gung (nic t etwa positive Setzung) beschrankt. Der Staat hatte kein Gewaltmonopol, sondern mußte seine Sanktionsmacht mit vielen .Gsfäzrfiiriniiil'riieätaititi}>énci.Il\ijur;iäolr)forvfleriäundleianweis, mit Kasten, Gilden und theravadabuddhistischen oderiima(l) “lefi 6 en» 5ChW3Ch war?“, Wie m den . . __ ansc en Gesellschaften, griff die Büro— kratie direkt durch. Uberall aber wurde private («Blut»—)Rache schon früh durch Formen gewaltfreier Konfliktbeilegung abgelöst. Recht, Sitte, Brauchtum und Moralvorstellungen gingen überall ohne scharfe Trennung ineinander über. Vor allem in China galt 2000 Jahre lang das «Reg1eren durch die Sittenordnung» (li), d. h. durch die geheiligte Tradi- téon u;d mcät etwa das «Reg1eren durch Gesetze» (fa), als Ideal. Aus diesem f„zum e 1uc W}ilirlden die Amtswalter pr1_niar nicht Juristisch, sondern kon— d ianisc gesc ut — und staatlich gepruft. Ritusprudenz, nicht ]urispru— _enz, war die DeVise‚ Nicht Justiz und Verwaltung, sondern das gute Vor- bild des 1eweiligen Vorstands in der Familie, der Sippe, des Kreises und des Reiches waren gefragt. Charakteristisch für die traditionelle chinesische Ge— sellschaftsordnung war die weitgehende Ungeschiedenheit von Recht und Sitte,_ von Znil— und Strafrecht sowie von Gesetzgebungs—, Richter— und ignsltilistiationsgewalt. Maßgebend für das Gedeihen der Gesellschaft wa— dal-, 1 t ich vollkommene Personhchke1ten, nicht perfekte Gesetze. Es fehlt Reef: auc an einem e1genstand1gen JuristenstaHd und an einer spezifischen hun tsw1ssenschaft. Diese Betrachtungswe15e lebt unausgesprochen noch nachedweiter, vorallem in der Schhchtungspriontät, in der ständigen Suche Juri5t er Gerechtigkeit des Einzelfalls oder in dem Versuch, ein Recht ohne V0rheen z}t: schaffen. «Freundschafthche Verhandlungen», Arbitrage und SBrvanräsc en der «Clausularebus smstantibu5» gegenüber dem «Pacta sunr Jüri a» Slndü€lfllgöflB€lSpl€lé ftir die Sehnsucht nach einem «Recht ohne st' um», So konnte uber dem chinesischen Recht das Motto «Nicht juri— “Ch, sondern anständig» stehen.