„2 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstzle sondern konkrete Personen oder Gruppen. Dies gilt besonders bei der Ein- stellung von Personal, das man nicht als «Arbeitskraft», sondern als künfti— gen Teil der Betriebsfamilie betrachtet. Auch innerhalb von Konzernen „- scheinen manchmal Verträge als überflüssrg. Toyota beispielsweise besteht aus einem Netz von 13 Großfirmen und fast 200 mittleren und kleinen Zu. lieferern, zwischen denen seit jahrzehnten Zusammenarbeit besteht, Ohne daß hierfür je ein Vertrag unterzeichnet werden wäre. Betrachtet man sich einer «Schicksalsgemeinschaft» zugehörig, so erscheint ein synallagmau’. scher Vertrag im westlichen Sinne als abwegig. So gesehen ist eine gewisse Abneigung gegen Juristen durchaus verständlich. Auch im traditionellen Indien gab es eine «Vertrags»—Reform, die mit dem entsprechenden westlichen Begriff nur den Namen gemeinsam hat — gemeint ist das sog. «Jajmani»-System, welches sein Entstehen dem Umstand ver» dankte, daß die einzelnen Subkasten aus Gründen der Arbeitsteilung mitein ander kooperieren mußten. Dadurch entstanden dichte Beziehungsnetze, die oft Generationen überdauerten, vom Vater auf den Sohn weitervererbt wurden und für den Dienstleistungsempfänger nicht immer nur von Vorteil waren, sondern durchaus auch zur Belastung werden konnten. Da die obe— ren ]atis keine körperliche Arbeit — und nun gar Schmutzarbeit ‚ verrichten dürfen, sind sie von den unteren (auf solche Dienste spezialisierten Kasten) seit Urgroßväterzeiten nicht weniger abhängig als umgekehrt diese von den Lohnzahlungen der oberen. Die Austauschbeziehungen waren und sind dyadisch, vererblich und bestanden zwischen den Haushalten verschiedener Jati—Angehörigen, wobei schriftliche Verträge lediglich als (deklaratorische) Beweisgrundlage betrachtet wurden. Das ]aimani—System wurde während der britischen Kolonialzeit kodifiziert — und damit rechtlich einklagbar“. ]ajmani—Beziehungen sind keineswegs immer nur «Generationsvertrdge». sondern werden neuerdings auch zwischen Stadtverwaltungen und den Banghi, also den «unberührbaren» Fäkalienbeseitigern, geschlossen. So 1. B. beschäftigt die Stadt Patna im Bundesstaat Bihar derzeit ca. 1000 Banghi ge— gen festen Monatslohn‘”. Das ]ajmani-System ist wettbewerbs—, solidaritäts— und genossenschaft& feindlich. Es läßt sich vorerst nur mühsam durch flexible Vertragsvereinba- rungen westlichen Typs verdrängen“. Durch die asiatische Brille gesehen, sind die Vorbehalte gegen das westliche Recht ohne weiteres zu verstehen. Überall trat ja im 19. und zo.jahrhundert anstelle der schuldnergniidigen und harmoniebedachten traditionellen Regelwerke von Bauerngesellschaften das gläubigerfreundliche und vom Grundsatz der Vertragsfreiheit r.;eprägtc R6Cht von Industrie— und Handelsnationen. Dieses westliche Recht ist größ— tenteils ]uristenrecht und beruht auf der Prämisse, daß die Vertragsparteien 1UrlStisch im Bilde sind, also genau wissen, was sie tun; ein Schuldner, der behaupten wollte, er habe nicht so recht Bescheid gewußt, wird belächulL Kein Wunder, daß der «kleine Mann» westliches Recht spontan ablehnt, I], Wie in Asien regiert wird 123 während die einheimische Elite gern danach greift — 7‚.T aus Moder 'sie— rungs—‚ z.T. aus Standeserwägungen. Letzteres ist vor allem bei dern'1 di— schen Elite der Fall, die schon während der Kolonialzeit entdeckt hatt „ZlAß die juristische Laufbahn, vor allem die Ausübung des Rechtsanwalt bei ufsi eine der wenigen wirklich lohnenden Karrieren für Einheimische erä5fFrete, Kein Wunder, daß das damals eingeführte britische Recht aus 7erech tn ori den einheimischen Advokaten begierig aufgegriffen wurde uiid daßnefer‘hel’ sie es waren, die dafür sorgten, daß die traditionelle Schlichtunts ra is des indischen Dorfes durch motorische Prozessiererei ersetzt wuräepundi daß nicht zuletzt auch, wie Rothermund42 es formuliert, der «indische Freiheits— kampf» weitgehend eine «Rebellion der Rechtsanwälte» war Der indische Advokat spielte hierbei eine ambivalente Rolle: auf der einen Seite führte er die Positionen des britischen Kolonialherren ad absurdum auf der anderen Seite aber trug er sogleich zu einer Art «inneren Kolonisierung» der indi- schen Bauernbevölkerung bei, da das von ihm favorisierte Recht der Kolo— nialherren zur Stärkung des Geldverleihers gegenüber dem Bauern und zur Suprematie der Honoratioren gegenüber den Schwachen führte. d) Strafrecht Ebenso wie die chinesische war die traditionelle asiatische Durchschnitts— Rechtsordnung straf— und steuerrechtslastig. Zahlreiche zivilrechtliche Re— gelungen konnten_überhaupt erst durch Rückschlüsse aus Straftatbeständen erfahren werden. Uberall wurde «exemplarisch», nicht «juristisch» entschie- den. Genau umschriebene Straftatbestände waren nicht gefragt. Teilweise ist dies auch heute noch so. Die VR China führte 2. B. erst 1979, die SR Viet— nam erst 1985 ein kodifiziertes Strafrecht ein. in den dazwischenliegenden dre1ßig]ahren war man mit wenigen Verordnungen gegen «Konterrevolutio— nare» sowie gegen Ordnungswidrigkeiten ausgekommen. Das Strafmaß re1chte von Gefängnis über Arbeitslager bis hin zur Todesstrafe; der Grund— satz der Waffengleiehheit (d.h. die Einschaltung von Verteidigern) war un— bekannt, ganz zu schweigen von genauen Prozeßregeln. Ziel aller Gerichts— Ver_f_ahren war ein zerknirschtes Geständnis. .Uberall in Asien wird hart bestraft. Es ist gewiß kein Zufall, daß sämtliche asranschen Staaten, auch das sonst so moderne japan, an der Todesstrafe festhalten und daß die Kapitalstrafe in Asien häufiger verhängt wird als in Irgendeinem Teil der übrigen Welt, sieht man einmal von den Sonderfällen H0Hgkong und Nepal ab, wo die Todesstrafe abgeschafft wurde. Die Hin— rlchtungsmethoden reichen von Henken über Erschießen bis zum Elektri— SChen Stuhl. In japan sind zwischen 1873 und 1978 insgesamt 6235 Personen eXekut1ert werden, also 59 pro jahr, davon in der Nachkriegszeit (1949—1978) allein 560 Personen, d.h. 17 pro jahr. Allerdings wurden über— all die todeswürdigen Verbrechenstatbestände drastisch reduziert, die grau—