„4 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile samen Hinrichtungsstrafen, wie sie in feudaler Zeit üblich waren (Viertei— lung, Wörtl.: badao : «acht Schnitte»), abgeschafft und die Hinrichtung vom öffentlichen Exekutionsplatz in die Gefängnisse hineinverlegt“_ In neuerer Zeit läßt sich eine Tendenz zu «berechenbareren» Straftatbeständen und zur Ausgestaltung formaler Prozeßregeln erkennen. Das Strafrecht soll dabei nach außen hin als glaubhafter Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit vorge_ zeigt werden können. “ Trotzdem besteht die Neigung zu Ubergriffen weiter, so zum Beispiel in der VR China, wo Verwaltungsbehörden das mit juristischen Fußangeln ge— spickte strafprozessuale Gelände einfach dadurch umgehen, daß sie im Wege schlichter Verwaltungsakte drei Jahre «Erziehung durch Arbeit» verhängen, deren Dauer bei mangelhafter Führung beliebig verlängert werden kann, so daß ein «schlechtes gesellschaftliches Element» sein ganzes Leben in einem Arbeitslager zubringen kann, ohne je vor einem Richter gestanden zu haben_ e) Was ist Gerechtigkeit? Den asiatischen Rechtsordnungen ist vor allem ein mit europäischen VorsteL lungen nicht immer vereinbares Gerechtigkeitsverständnis gemeinsam. «Ge? rechtigkeit» läßt sich ja bekanntlich nach fünf höchst unterschiedlichen Maßstäben handhaben: (r)Jedem das gleiche; (z) Jedem nach seiner Lei— stung; (3) Jedem nach seinem persönlichen Engagement; (4) Jedem nach sei— nen Bedürfnissen und (;) Jedem nach Rang. Traditionell wurde in Asien die Option Nr.; bevorzugt; Mao Zedong plädierte demgegenüber für Nr. 3, während die chinesischen «Modernisierer» auf Nr.2 setzen. Die Option Nr. 1 gilt nur im Rahmen des buddhistischen Sangha, wo das Prinzip der Gleichberechtigung herrscht. Was andererseits die «Geltung» des Rechts an- belangt, so tauchen zwischenasiatische Differenzen auf: Im metakonfuziani— schen Kulturbereich, wo Li und Giri (jap.) (also «Moral») einsamen Vorrang vor dem Recht (fa) beanspruchen, ist man geneigt, das Recht nicht als kon— stitutiv, sondern als bloß deklaratorisch, also als Bestätigung des Li, zu be— trachten. Recht ist also nicht autonom, sondern heteronom. Sogar kurzfri- stige «Verträge» werden durch Geschenke oder aber durch ein Zeremonie“ abgesegnet, beispielsweise in Form eines gemeinsamen Mahls, wobei man davon ausgeht, daß es nicht die dürre juristische Abmachung als solche ist, die bindet, sondern der vertrauensvolle Konsens, der zwischen den Parteien besteht. Im malaiisch—islamischen Rechtsbereich andererseits kommt nicht nur der Shariah und dem Adat, sondern auch den nach Adat-Zerernoniell geschlossenen — und damit im wahrsten Sinne des Wortes «geheiligten» — V‘?mägen Autonomie zu. Nicht zuletzt aus diesem Grunde gehört auch der Richter (kathi) mit zu den angesehensten Berufen. 11. Wie in Aszen regiert wird 12; 6. Staat und «Kirche» in Asien „) Fiianmgen zur Wechselwirkung Wie mächtig ist die «Kirche» im Staat? Was diese Frage anbelan [ ' d d‘ hinduistischen Religionsgemeinschaften so gut wie unor!anif'e’ 5t0 itm le also als «Kirche» keinen direkten Einfluß ausüben _ wäh] ai‚.r " ä)nn£(u wenn sich nämlich religiöse Strömungen mit «kommunalistischeitr 112 lite , zum Beispiel Sprachgruppen, verbinden. Auch in China sind die Reliriioriienri immer schwach organisiert gewesen. Das daoistische «Pa sttum» ha%te auf die staatliche Religion so gut wie keinen Einfluß. Allerdingi konnten reli iös verbrämte Ideologien gewaltige Sprengkraft entwickeln wenn es in ih%em Namen zu Bauernaufständen kam. Zu keiner Zeit duldi’te das Mandarinat alternative Machtzentren. Wo sie sich herausbildeten, wie beis ielsweise in der Gestalt reicher Klöster während der Tanngcit, in Form i2rie erischer Mönchsorden während des i6.Jahrhunderts in Japan oder als infolerante Konkurrenzgruppen, pflegte der Staat erbarmungslos zuzuschlagen — man denke an die Vernichtung der großen buddhistischen Klöster in China (9.Jahrhundert) oder der Mönchsritterorden in Japan (16.Jahrhundert) oder an die Christenverfolgungen in Japan, Korea und China. Der Theravada— buddhismus verfügte zwar immer schon über W0lll0rgani5ifl‘tti Mönchsge— meinschaften, den Sangha, doch nahm dieser auf den Staat höchstens in Kri— senzeiten Einfluß. Ansonsten galt das Gebot politischer Abstinenz. Ganz anders der Islam. Die Ulamas (Rechtsgelehrten) sind hier zwar selten straff organisiert, doch können sie in Ausnahmesituationen zu einer geballten Kraft werden, wie es im Iran deutlich geworden ist und wie es sich in Malay— sia anbahnt (Näheres dazu unten S. 247f.). Wie eng sind Religion und Politik miteinander verklammert? Beim Hin— du1smus ergibt sich hier das Paradox, daß er als Organisation zwar kraftlos, als Lieferant gesellschaftlichcr Regeln und Normen dagegen von erdrücken— der Bedeutung ist; das wird an den Kastenvorschriften und an den überlie— ferten Hindubr'ziuchen deutlich, gegen die der Staat zwar energisch vorzu- gehen versucht (vor allem durch Abschaffung des Status der «Unberührbar— keit», der Witwenverbrennung, der Kinderehe etc.), die sich aber, vor allem auf den Dörfern, trotzdem zäh am Leben erhalten. Ganz im Gegensatz dazu hat religiöses Dogma oder Brauchtum auf die Rechtsordnung konfuziani— scher Staaten kaum je Einfluß gehabt, wie es ja überhaupt eines der Haupt— merkmale des konfuzianischen Staatswesens ist, daß es sich von religiösen Fesseln schon früh hat befreien können. In den theravadabuddhistischen Staaten beschränkt sich der Einfluß des buddhistischen Rechts weitgehend auf den Sangha. Außerhalb des Ordens ist das buddhistische Brauchtum an— Schmiegsam und trug damit erheblich zum Missionserfolg des Buddhismus bei. Konflikte mit der staatlichen Rechtsordnung treten allenfalls in extre—