Y 132 Asialtsche Gesellschaften und Verhaltensstile Überzeugung besteht, daß der Inselstaat, der ja bereits unter Kaiser Asholg zum Theravadabuddhismus konvertierte und dann jahrhundertelang als Drehscheibe der Mission in Richtung Südostasien diente, zur eigentlichen Heimat des Buddhismus und daß darüber hinaus das Singhalesentum zum auserwählten Volk Buddhas geworden sei. (} Islam und Stamsgewalt in Pakistan (und Bangladesch) Das Verhältnis zwischen Religion und Staat ist besonders spannungsreich in den sechs von islamischen Mehrheiten bewohnten Staaten Asiens, Pakistan (97 % Muslims), Bangladesch (80 %), Malediven (90 %) sowie in Indonesien (91 %), Malaysia (50%) und Brunei (60%), nicht zu vergessen auch die Staaten mit starken islamischen Minderheiten wie Indien (11 %), die Philip. pinen in Mindanao und auf dem Sulu—Archipel (4 "a), Südthailand (} %) und Singapur (16 %). Theoretisch geht der Islam, wie gesagt, von der Untrennbarkeit zwischen Staat und Religion aus; in der Praxis freilich herrscht das Nebeneinander vor « und dies sogar in einem Staatswesen, das mit dem Ziel einer neuen Muslinr Heimat gegründet worden ist — in Pakistan. Ursprünglich hatte das Gebiet ia bekanntlich zu Britisch—Indien gehört, sich dann aber, nach blutigen musli— misch—hinduistischen Bürgerkriegsauseinandersetzurigen, 1956 als «Islami— sche Republik» konstituiert, und zwar unter dem Kunstnamen «Pakistan», der soviel bedeutet wie «Land der Reinen», zugleich aber auch das Akronym aus Buchstaben der einzelnen westpakistanischen Landschaften ist, nämlich Punjab, Afghan—Frontier, Kaschmir, Sindh und Belutschistan. Ursprünglich hatten sich zwar Hindus und Muslims in der Congress Party zum gemeinsamen antibritischen Kampf zusammengefunden; je mehr jedoch das Ende der britischen Vorherrschaft in Sicht kam, um so stärker wuchs bei den Muslims die Furcht, durch die Hindus majorisiert zu werden; sie bauten deshalb eine breite Abwehrfront auf, die sich organisatorisch in der Gründung der Allindischen Muslim—Liga (1906) sowie der ]amaat—H» lami (1941) und ideologisch in den Schriften eines Alamat Iqbal (1873—1938) sowie des späteren Staatsgründers Ali ]innah (1876—1948) äußerte. jinnahs Staatsphilosophie gipfelte in der «Zwei—Nationen—Lehre», die davon aus- ging, daß Hindus und Muslims nicht nur zwei verschiedenen religiösen, ger sellschaftlichen und kulturellen Systemen angehörten, sondern mehr noch, zwei «Nationen»: sie heirateten nicht untereinander, ia setzten sich nicht einmal an denselben Tisch; sie beriefen sich auf unterschiedliche Traditio- nen, Epen und Vorbilder: wer hier als Held gefeiert werde, gelte dort als T0dfeind'”. Ziel müsse es deshalb sein, für den «gefährdeten Islam» Cini“ Hmm?“ Zu schaffen, in der es keine Paniabis, Bengalen, Belutschen oder Pk tanen mehr gebe, sondern nur noch Muslims — also eine Gemeinschaft der Glaub1gen in der Nachfolge der Umma (Gemeinde) von Medina”. [I. Wie in Asien regiert wird 133 Dieses Ziel kam einer Quadratur des Kreises gleich, weil das eigentliche Merkmal Pakistans von Anfang an die Zersplitterung war und bis heute ge- blieben ist: Dies beginnt bereits bei den verschiedenen sich hier begegnenden Kulturen, die der Indus sogleich wieder voneinander trennt: Zwei der vier Teilstaaten Pakistans, Belutschistan und Paschtunistan, beherbergen Bevöl— kerungeni die sich ihrem Denken und Brauchtum nach eher zu den Stam- mesgenossen in Afghanistan und Iran hingezogen, während die Panjabis und Sindhi5 (östlich des Indus) sich eher im eigentlichen Indien beheimatet füh— len. Das pakistanische Selbstverständnis befindet sich nach alledem in einem Spannungszustand zwischen zwei Extremen, die sich mit den Bildern vom «Pakistaner als einem Araber in der indischen Diaspora» einerseits und ei— nem «Inder in der arabischen Diaspora» andererseits illustrieren/überzeich- nen lassen. Mit dem Kopf ist man zwar nach Arabien, mit dem Herzen aber nach Indien orientiert. Geistiges Zentrum für die Mehrheit der Pakistanis ist nicht die Al—Azar—Hochschule in Kairo, sondern die 1880 in Indien errich— tete Theologische Hochschule von Deoband; Hantitautorität sind nicht Lehrer arabischer Provenienz, sondern die beiden einheimischen Reforma- toren Shah Wali Allah (18.jahrhundert) und Saiyid Ahmad Khan (19.]ahr— hundert); Hauptsymbol des pakistanischen «Nationalismus» schließlich ist das von den Moghul—Kaisern errichtete Rote Port in Delhi. Die Doppelge— sichtigkeit Pakistans führt auch zu außenpolitischen Ambivalenzen: auf der einen Seite neigt das Land zum Zusammenschluß mit Indien — und zwar in Form der SAARC (South Asian Regional Corporation), auf der anderen Seite aber winkt das RCD (Regional Corporation of Development) mit den islamischen Nachbarstaaten Türkei und Iran, mit dessen Gründung sich 1964 die Hoffnung auf einen Wirtschaftsblock vom Bosporus bis zum Golf von Bengalen verband. Daneben gibt es zahlreiche Bewegungen, Denkschulen, Sekten und Un- tersekten, die zeigen, daß es «den» Islam in Pakistan nicht gibt. Bezeichnend vor allem der Volksglaube, dessen Ursprünge vorislamischer Natur sind und der zahlreiche Gemeinsamkeiten mit hinduistischem Brauchtum aufweist, vor allem im Zeichen der Heiligenverehrung. Die Gräber mohammedani— scher Mystiker und Missionare gleichen eher hinduistischen Heiligtümern als den üblichen Moscheen. Dies gilt vor allem für die Torbauten, die zum Jeweiligen Grabmal führen. Höhepunkt eines religiösen jahres ist der Na- menstag des Schutzpatrons, der Anlaß zu einer Pilgerreise (urs) gibt. Anlaß— llCh eines Urs bringen die Gläubigen am Grab des Wadi (Gottesfreundes) Blumenopfer dar, zünden Kerzen und Weihrauch an, beten, singen, tanzen und verhalten sich wie bei einer hinduistischen Andacht. Hinduistisch ist alICh das «Audienz»—Ritualz man geht davon aus, daß der Wadi am Gedenk- tag hthält und die Gläubigen empfängt. Der wichtigste Schrein Pakistans, der «Darbar» (Hof) des Mystikers Ali Hujiwiri in Lahore, kommt häufig in sPlelfilmen vor und ist sogar zum Gegenstand des populärsten pakistani—