Y., 134 Asiatzscbe Gesellschaften und Verbaltensstile schen Schlagers der siebziger Jahre geworden: Stoßgebet eines verliebten Mädchens am Heiligen Grab. Nicht nur Filmstars, sondern auch Politiker lassen sich gerne beim Urs und beim Blumenopfer vor den Torbögen der Grabmonumente fotografieren“. . . Neben der Volksreligion haben es auch die Mysnkerorden some Bruder- schaften und Gräberkultvereinigungen zu hoher Populantat gebracht. Mit. glieder solcher Gemeinschaften sind jene «Weisen», die in Pakistan «Pir» ge! nannt werden und eifrigen Zulauf finden”? Für die streng fundamentalisti— schen Anhänger des Gesetzesislam (jamaat-1Islami)smd all diese volks- und vorislamischen Phänomene ein Greuel. Während der Volksislam fast so wie, rant ist wie der Hinduismus, herrscht bei den an Khomeni erinnernan Fun— damentalisten strengste Orthodoxie: sie fordern Reinhaltung des_Glaubem und Trennung der Geschlechter. Der Tschador soll fur iede Frau Pflicht sem_ Wie nun soll aus diesem Durch— und Nebeneinander am Ende doch noch ein harmonisches Mosaik werden? Wodurch iiberhaupt kennzeichnet sich ein Islamstaat? Diese Fragen wurden durch die Verfassung von 1956 folgen_ dermaßen beantwortet: (1) Pakistan sei eine Islamische Republik und als sol— che ein auf islamischen Prinzipien beruhendes demokratisches Staatswesen, (2) Staatsoberhaupt müsse ein Muslim sein, (3) es dürften keine unislami— schen Gesetze ergehen, und (4) verboten werden sollen Glücksspmle, Allto— hol, Prostitution und kommunalistische Sektenbildungen“. Dies waren klare Grundsätze, die sich in der Praxis jedoch nicht durchsetzen konnten. Vor allem sah sich die Idee einer islamischen Nation schon bald mit zwei existenzgefährdenden Krisen konfrontiert, nämlich der Renaissance des Ethno—Nationalismus, die vor allem von Bengalen ausging, und einer soz1a— listischen Strömung, die durch Bhuttos (1972—1977) neugegründete Pakistan People’s Party populär wurde. . ' „ Muiibur Rahmans bengalischer Nationalismus war von drei typisch saku- laren Kräften getragen, nämlich dem immer schon höchst selbstbewußten Bengalentum (also einem echten Nationalismus im westlichen Sinne“), ferner von der in Ostpakistan verbreiteten Abneigung gegen die arroganten Panifl> bis und nicht zuletzt vom Mißtrauen gegen jenes Entwicklungsgefalle, das im Zuge des von Ayub Khan (1958—1969) durchgezogenen «jahrzehnts der Entwicklung» zwischen West— und dem (rund 2000 km entfernten) Ostpflkl' Stan entstanden war. Im Kampf zwischen der übernationalen [_Irnnm-Idee und dem bengalischen Nationalismus erwies sich der letztere als übermaclr tig, zumal sich bald herausgestellt hatte, daß der seit dem i4.jahrhundcrt «bengalisierte» Islam des Ostteils mit dem Paniab—Islam im wesentlichen nur die Bezeichnung gemeinsam hatte“. Der Ausgang des Konflikts ist bekannt es kam zum Bürgerkrieg und 1971 zur Gründung eines selbständigen neutn Staates mit dem Namen «Bangladesch». ' Die zweite Gefahr ging vom «islamischen Sozialismus» des Ali BhUÜIO aus, der seinen Sozialismus als modernen Ausdruck altislamischer Vorst€ ‘ [I. Wie m Asien regzert wird I}; lungen verstand”. In einem Manifest von 1977 versprach Bhutto, den Frei— tag zum staatlichen Feiertag zu erklären, eine gesamtnationale Ulama—Aka— demie einzurichten, den Koranunterrieht in den staatlichen Schulen festzu— sc}„rgiben und Koranexemplare in allen Hotels auszulegen. Die Ulamas frei— lich wollten sich durch «Augenwischereien» dieser Art nicht täuschen lassen und verdammten seine säkularistische Politik unter Einsatz religiöser Edikte (fatwas)“. 1977 wurde Bhutto durch einen Militärputsch unter Leitung Ge— neral Zia UlvHaqs ausgeschaltet. Zia, der sich als «Soldat des Islam» auszu— weisen suchte, verkündete am IO. Februar 1979 die «Einführung des Islami— schen Systems». Mit sofortiger Wirkung sollten die in der Shariah vorgese— henen Strafen für Alkoholgenuß, Diebstahl und F.hebrueh in Kraft gesetzt werden. Ferner wurde die Einführung des Zakkat (Armensteuer), des Ushr (zehnten), des zinsfreien Banksystems und eines Bundes—Shariah—Gerichts angekündigt, welch letzteres für die Entscheidung über Beschwerden gegen die Unvereinbarkeit staatlicher Maßnahmen mit islamischen Gesetzen zu— ständig sein sollte. Darüber hinaus wurde eine Islamische Universität (in Islamabad) errichtet und das Fach «Islamkunde» als Schulfach eingeführt. Die «Islamisierungs»—Frage wurde zu einem Lieblingsthema der Medien, vor allem der Fundamentalisten, die übrigens auch Zia nicht über den Weg trauten. Auf den Dörfern freilich kümmerte man sich kaum um das «Islami— sierungsgerede», wie der Anthropologe Richard Kurin im qm)—Seelen— Dorf Chakpur (Panjab) aufgrund einer sich über sechs jahre hin erstrecken— den Feldstudie feststellen konnte”. Die meisten Einwohner dieses Dorfes wandten sich entschieden gegen zwei der drei wichtigsten Neuerungen Zias, nämlich gegen das Opiumverbot sowie gegen die Einführung des Zakkat und des Ushr, deren Erträge am Ende ja doch nur in dunklen Kanälen ver— sickerten. Andererseits befolgten sie mit heller Begeisterung die dritte große Anordnung, nämlich den Auf— und Ausbau von Dorfmoscheen — also ein frommes Werk, für das jedermann gern Zeit und Geld opferte und bei dessen Durchführung das Gefühl «brüderlicher» Gemeinschaft aufkam. Ansonsten nahmen es die Dörfler von Chakpur mit islamischen Institutionen und Mo— ralgeboten nicht allzu wörtlich. Beispielsweise zeigten sie wenig Respekt für den «Dorf—Sayyed» (Abkömmling des Propheten), der über den Moschee— lil‘lltsprecher die Gläubigen zum Gebet aufrief und geistliche Sermone ab— hielt; auch der Dorflehrer, der den Koranunterricht leitete und, wie es hieß, *filnall diesen Allah—Stoff» zuständig war, genoß wenig Respekt. Nur die “f6mg5ten Dörfler auch hielten sich an die fünf Grundgebote des Islam. Nur Vier Oder fünf Personen beispielsweise hielten die fünf Tagesandachten ein; auch «milde Gaben» (Zakkat) wurden kaum gegeben; sogar die Fastenregeln YUrden nur von einer Handvoll von Leuten beachtet. Kein einziger hatte überdies bisher die Pilgerfahrt nach Mekka unternommen A von einer Teil— nahme am «Heiligen Krieg» ganz zu schweigen. Kam es zu alltäglichen Onflikten‚ so konsultierte man keineswegs die heiligen Shariah—Vorschrif-