138 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile putras als Waffe gegen die Überfremdung und als sichtbares Symbol der ei— genen «Vorrechte» betrachtet wird. — Drittes Kriterium ist die Wiederbelebung alter Rituale, die der Rema» laiisierung dienen. Es werden Titel verliehen, Nichtmalaien in das malaiisehe Zeremonie“ einbezogen, Loyalitätsversprechen gegenüber dem König abge— geben und pompöse Auftritte der Sultane bei Staatsveranstaltungen insze_ niert. Gleichzeitig übt das Sultanat einen mäßigenden Einfluß auf die Com- munity-Konflikte aus. . . Einzigartig der Aufbau der politischen Führung in Malaysia: In echter Verschichtungsmanier stehen dort eine moderne und eine traditionelle Säule unvermittelt nebeneinander. Da gibt es einmal das auf fünf jahre gewählte Parlament, das sich aus einem Abgeordnetenhaus (Vertretung des Bundes) und einem Senat (Vertretung der einzelnen Staaten) zusammensetzt, sowie eine weltliche Regierung, geführt von einem Ministerpräsidentm. Daneben aber erhebt sich das traditionelle Sultanatssystem, das aufs engste mit dem Bundesstaatensystem verquickt ist: 9 der 13 Bundesstaaten sind Sultanate, an deren Spitze die traditionellen malaiischen Regenten stehen, die anderen 4 dagegen Gouvernements mit «Gouverneuren». Die neun erblichen Sultane wählen alle fünf Jahre unter sich einen König (den Yang di Pertuan Agung) zum verfassungsmäßigen Staatsoberhaupt. Die formale Konsultation zwi- schen den neun Sultanen findet viermal jährlich anläßlich einer Regenten- konferenz statt, der vor allem religiöse und rituelle Fragen vorbehalten blei— ben. In allgemeinen politischen Fragen erteilen sie «Ratschläge», die kein Parlament und kein Ministerpräsident ungestraft «überhören» kann. In den einzelnen Sultanaten bestehen «Räte für die islamische Religion», die den Sultan in Religionsfragen und malaiischem Brauchtum beraten und Rechts— gutachten abgeben, religiöse Stiftungen verwalten, religiöse Abgaben und die vom Sultan ernannten Imame, Richter und den jeweils höchsten religiö— sen Amtsträger des Bundesstaates, den Mufti, überwachen. Die Rolle der islamischen Gerichtshöfe ist beschränkt: sie dürfen lediglich solche muslimi- schen Vorgehen aburteilen, die eine Strafe unter sechs Monaten Gefängnis oder unter 1000 malaiischem Dollars nach sich ziehen”. Dies ist eine verhält- nismäßig klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen säkularer und «kirchli- cher» Rechtsordnung. 7. Einstellungen zum Militär sowie zu Krieg und Frieden Anders als in Europa haben Militär, Rittertum und Heroisierung der Kriege[ in Asien kaum je eine Rolle gespielt, sieht man einmal von fünf Ausnahmfn ab, nämlich den mongolischen Dschingiskhaniden, von den japanischen 53‘ ml_lrais, von den indischen Kshatriyas und Rajputen, vom theokratiskjhen Militärstaat der Sikhs im 18. und 19.]ahrhundert sowie von den «H€1hgcn I]. Wie in Asien regiert wird „9 Krieger!“ des Islam, die über viele jahrhunclerte die hinduistischen König— reiche heimsuchten. Im übrigen aber war die Verherrlichung des Krieges un— bekannt, vor allem im konfuzianischen Kulturkreis. Dort gab es dem Militär gegenüber drei Haltungen, namlich erstens die Geringsch'altzung alles Militä- rischen: «Hao ren bu dang bmg» («Ein guter Mensch wird nicht Soldat») lautet ein jedem Chinesen vertrautes Sprichwort. Aus konfuzianiseher Sicht hat der Soldat eine ähnlich dubiose Funktion wie das Strafrecht: man braucht es zwar, nimmt es aber nicht gern zur Kenntnis, da es Indiz für das Versagen der konfuzianischen Moral ist. Zwar kennt die Volkstradition mehrere populäre Generäle, allen voran den später zum Kriegsgott erhobe— nen Guam Yu, der sich freilich weniger durch Heroismus als vielmehr durch Gerissenheit auszeichnete und deshalb nicht zufällig auch als Schutzpatron der Kaufleute verehrt wird. Den Gegner setzt man lieber politisch als militä— risch matt, indem man sich beispielsweise «mit dem Fernen verbündet, um das Nahe zu bekämpfen», indem man den Feind durch Geschenke besänftigt oder indem man die «Barbaren» mit Hilfe des Tributsystems «zivilisiert». Damit ist bereits eine zweite Tradition angedeutet, nämlich die strenge Auf» sicht des Zivilmandarinats (wen) über das Militär (wu). Im Verlauf der Ge— schichte erwiesen sich die Wen—Elemente stets als staatstragende und inte— grierende Kräfte, während immer dann, wenn das Militär die Zügel in die Hand bekam, Auflösung im Verzuge war. Eine dritte Vorstellung verband sich mit dem «erzieherischen» Einsatz des Militärs. Territorialgewinn oder Sicherung wirtschaftlicher Vorteile gehörten nur ausnahmsweise zu den Hauptzielsetzungen militärischen Handelns. Meist ging es statt dessen um «Straf— und Erziehungsfeldzüge» gegen «ungehorsame» und unbotmäßige Nachbarn; dies war übrigens auch noch bei den Feldzügen gegen Indien (1962) und gegen Vietnam (1979) der Fall”. Im Lichte dieser Vorstellungen mußte die Dominanz der «Volksbefrei— ungsarmee» nach 1949 dem Durchschnittschinesen als durchaus «unnormal» erscheinen. Sie erklärt sich denn auch aus der besonderen Situation heraus, daß sich hier nicht der Staat eine Armee schuf, sondern diese umgekehrt den Staat. Mit dem Einsetzen der Reformen (1978ff.) begann der politische Ein— fluß des Militärs rapide abzunehmen. Auch in den islamischen Staaten Südostasiens, wo der «Heilige Krieg» für den Glauben eigentlich zu Hause sein sollte, gab es nie eine Verklärung des Heldentums. Beweis dafür ist der bedeutendste klassische Held der malaii— schen Geschichte, Hang Tuah, der als Verteidiger Malakkas gegen die Portu— g1esen (1511) in die Geschichte eingegangen ist und der mit seinem Aus— SPFUCh «Malaien werden niemals von der Erde verschwinden» ein Wort ge— Prägt hat, das ähnlich klingt wie «Noch ist Polen nicht verloren»“. Hang Tuflhs Ruf hat auch dadurch nicht gelitten, daß die Portugiesen am Ende Malakka stürmen konnten; denn im Vordergrund der Wertschätzung stan— den nicht seine Waffenkunst und sein Mut, sondern seine fraglose Loyalität