‚40 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile gegenüber dem Sultan. Als Erzschurke gilt andererseits Hang ]ebat, ein Ver— wandter Hang Tuahs, der, nachdem er von der angeblichen Ermordung Hang Tuahs durch den Sultan erfahren hatte, zur Rache schritt und dabei in den Sultanspalast eindrang. Loyalität oder Illoyalität gegenüber dem Here scher — dies waren also die Hauptkriterien für Helden— oder Schurkentum. Als Sekundärtugenden galten ferner Zurückhaltung, Liebenswürdigkeit und Taktgefühl — gewiß aber nicht heroisches Draufgängertum. Gegenüber der traditionellen hat sich die moderne Beurteilung gewandelt. Hang Tuah wird heutzutage gerne wegen seiner blinden Unterwürfigkeit gegenüber dem Sultan kritisiert, während umgekehrt Hang ]ebat inzwischen Lob für seinen Gerechtigkeitssinn und für seinen Kampf gegen M8Chtmißbrauch erntet. Auch in der modernen Literatur gibt es nirgendwo «Helden», die Wegen ihrer Waffentaten geschätzt würden“. Der malaiische Welthafen Malakka war 1511 von nur rund 1500 Portugie— sen aufgerollt worden, für die erste Teileroberung der Philippinen 1565 durch Legazpi genügten sogar 800 Spanier. Mit den militärischen Fähigkei— ten der besiegten Völker kann es also nicht weit her gewesen sein. In der Tat haben auch die Filipinos nie Bewunderung für militärisches Heroentum empfinden können. Ihre aus vorkolonialer Zeit überlieferten «Helden. waren durchweg liebenswürdige Aufschneider, häufig auch Schürzenjäger, die, wenn es denn unbedingt sein mußte, auch militärisch zur Sache gingen, ohne daraus jedoch besonderes Aufheben zu machen. Heutzutage ist der echte Held, wie er vor allem in den Medien auftritt, ein ernsthafter Sozialre— former, z. B. in Lualhatis Bautistas’ Roman «Dekada—7o» («Die Siebziger», 1973). Die «Schurkenrolle» andererseits spielte in vorkolonialer Zeit der Krieger, in spanischer Kolonialzeit der katholische Mönch und heutzutage der «Feind der Gesellschaft»: ein Paradebeispiel dafür gab zuletzt Ferdinand Marcos ab. Zähmend auf die kriegerischen Instinkte hat sich ferner auch der Buddhis- mus ausgewirkt, mit dessen Toleranz— und Tötungsverbot sich Militärwesen und Krieg schlecht vertragen. Der indische Kaiser Ashoka, der nach bluti— gen Feldzügen zum Buddhismus konvertierte, gelebte in seinem 13. Felsen» edikt, daß er von jetzt an nicht mehr Feuer und Schwert, sondern nur noch die milde Religion des Erleuchteten verbreiten wolle. Wenn buddhistische Königreiche gleichwohl immer wieder zur Waffe griffen (etwa die Feldzügt‘ der Birmanen gegen das Mon—Reich und Siam, des Angkor-Reichs gegen alle Cham und der verschiedenen siamesischen Dynastien gegen die Khmer oder g6gen die Laoten, wobei jedesmal die eroberten Hauptstädte geschleift und 8‘9ße Bevölkerungsgruppen in die Sklaverei gebracht wurden), so hängt dies m1t derselben Ambivalenz zusammen, die auch dem Christentum vorqu€P fe_“ i5ti Vom Gebot, «die Feinde zu lieben», bis hin zur Bildung christlicher Ritterorden und zur Austragung von Glaubenskriegen (Kreuzzüge. Hugh” n0ttt?nkriege, 3ojähriger Krieg etc.) gibt es bekanntlich eine breite Skala von [I. Wie in Asien regiert wird 141 «Unvereinbarkeiten». Trotz «unlogischen» kriegerischen Verhaltens ist es in den theravadabuddhistischen Ländern aber nie zur Herausbildung einer «Sa- murai»-Kultur oder zur Hochschätzung des Militärs, geschweige denn zur Ideologie des «Glaubensknegs» gekommen. Auch das Militär, das seit 1932 in Thailand periodisch immer wieder die Macht zu ergreifen pflegt, genießt einen wenig schmeichelhaften Ruf, zumal in den antikommunistisch ausge- richteten Staaten der ASEAN-Gemeinschaft seit den siebziger Jahren eine Tendenz zur Militarisierung der Politik bei gleichzeitiger Politi5ierung des Militärs zu beobachten ist, die den Steuerzahler teuer zu stehen kommt. Diese «Militarisierung» zeigt sich freilich nicht in einer emotional-aggressi— ven Begeisterung für militärische Lösungen politischer Konflikte oder aber in einer wie immer gearteten Verherrlichung des Militärs, etwa als einer «Schule der Nation», sondern manifestiert sich in einem verstärkten Zugriff der Streitkräfte auf die knappen Finanzmittel und in einer Intensivierung pa— ramilitärischer Organisationen, die zumeist als «Civic actions» bezeichnet wurden. Ein besonders plastisches Beispiel hierfür liefert Thailand, in dem das Mi— litär in den achtziger jahren nicht nur die Beschaffung des teuren Jagdflug— zeugs F-16, sondern überdies zahlreiche Programme durchdrücken konnte, die dem innenpolitischen Hauptgegner gelten: Straßenbauprojekte, die we- niger wirtschaftlichen als vielmehr sicherheitspolitischen Erwägungen ent— springen, die Entwicklung von jährlich 800 strategischen Dörfern im Grenz— bereich, die Ausbildung Freiwilliger für den Nachbarschafts—Sicherheits- dienst, die Überwachung ehemaliger kommunistischer Aktivisten (sog. «Karun-Yathep—Programm»), an den Einsatz mobiler Gruppen im Dienste psychologischer Operationen (sog. «Santi-Nimitr—Programm») oder die pa— ramilitärische Ausbildung an den Universitäten“. Noch eine andere Spielform des Buddhismus, der Lamaismus, hat für die Zähmung einiger der rauhestcn Kriegervölker Asiens, der Tibeter und der Mongolen, eine Zeitlang auch der Türken, gesorgt, welche letztere später freilich islamisiert wurden. Die chinesische Qing-Dynastie (1644—1911) wußte recht wohl, warum sie im Zusammenhang mit ihren Feldzügen im 18.Jahrhundert damit begann, überall in Zentralasien den Lamaismus zu Verbreiten. Peking wurde damals als Zentrum des Lamaismus fast so wichtig Wie Lhasa: Zahlreiche lamaistische Tempel entstanden in der Qing—Haupt— Stadt: die «Weiße Dagoba» über dem Beihai—See, der «Yonghle—Tempel» und nicht zu vergessen das «Gästehaus» des Dalai Lama in den Pekinger «West— be_l'gen». Darüber hinaus avancierte Peking zum zentralen Verlagsort lamai— Stlscher Literatur. Die Rechnung dieser «impansionistischen» Besänfti- gl“}gspolitik ging in der Tat auf: in der Mongolei erlahmte der kriegerische Geist, überall breiteten sich Klöster aus, es entstand eine Gebetsmühlen- Welt, und gleichzeitig kam es zu einem merklichen Rückgang der Geburten— rate, da jede Familie wenigstens einen Sohn ins Kloster gab.