‚44 Asiatische Gesellschaften und Verbaltenssfile unterschied zwischen beiden Schulen auf den Punktbringen. Wenn ein So]_ dat den Wehrdienst verweigert, weil er sich dem dreuährigen Trauerritual für seinen verstorbenen Vater unterziehen möchte, so ist er nach den Lehren der Rechtsschule wegen Fahnenflucht zum Tode zu verurteilen, nach konfuzia— nischen Vorstellungen aber als besonders pietätvoller Sohn auszuzeichnm_ Übt ferner der Sohn Blutrache für die Tötung seines Vaters, so ist er gemäß «Fajia» wegen Mordes anzuklagen, gemäß_«Ruiia» aber ebenfalls wegen sei» ner Pietät zu belobigen ' im letzteren Fall freilich kommt es zu einem Korn- promiß zwischen beiden Schulen, insofern der Täter namlich zuerst hingc- richtet, dann aber mit einer Stele auf seinem Grab geehrt Wird. Anhand die. ser Beispiele wird übrigens auch deutlich, warum der Konfuzianismus sich am Ende durchsetzen konnte: weil er nämlich dem Zellular/Danwei—Chamk. ter der chinesischen Gesellschaft eher Rechnung trug als die rechtsbemgene, mit TransdanwehKategorien arbeitende und übrigens höchst «modern» an- mutende Vorstellungswelt der Gesetzesschule. jedes Zeitalter hatte bisher noch «seinen» Konfuzius; Wählen wir im vor- liegenden Kontext die Zusammenfassung eines der bedeutendsten Ruiia— Forscher konservativer Prägung, Zhang Qiyun‘”, der die politische Quinta—se senz des Konfuzianismus auf folgende Punkte bringt: (1) zentrale Bedeutung des Volkswohls; (z) Widerrufbarkeit des Himmelsmandats; (3) Regieren mit Li, d, h. mehr durch Ethik als durch Gesetze; (4) «Berichtigung der Namen» (zum «Zhengming» vgl. unten 5.147ff.); (s) Erziehung durch Einhaltung der überkommenen Rituale; (6) Erziehung ferner durch das gute Vorbild, durch normative Geschichtsschreibung und durch Gleichsetzung von Poli— tik und Ethik; (7) Regierung durch eine geistige und ethische Elite, die nit? mals einseitig «Partei» (dang) ist; (8) Verwirklichung der «Fünf zu Befolgen— den» und der «Vier zu Vermeidenden»: «Hingabe, Befähigung, Altruismus, Bescheidenheit und Würde» sowie «Vermeidung von Bestrafung ohne vor» herige Belehrung, von Kontrolle ohne vorherige Einweisung, von Fremdaw forderung ohne Selbstanforderung und von Forderung ohne Gegenleistung» — kurz: «Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern Zu»; diese Weisheit existiert fast wortwörtlich im konfuzianischen Schrilt- tum! (9) Effizienz durch gründliche Vorbereitung, gesehickte Aufgabendele- g3tion und sorgfältige Nachprüfung; (10) Familie als Mikrokosmos des Stu» tes und Staat als familiärer Makrokosmos: alle Ausdrucksformen der «GC‘ meinschaftsbezogenheit» (ren) seien bereits in der Kleinfamilie angelegt und ließen sich bruchlos auf die «Staatsfamilie» (gut)jia) übertragen; (1 i) Selbst' fegierung auf der «Xiang»(Gemeinde)—Ebene, wobei bereits in den klasse schen «Analekten» vier Untergliederungen auftauchen: ein «lin» (Nachde schaft) besteht aus 5 Familien, ein «li» umfaßt 5 bis 25 Familien, ein «dangg 500 Familien und ein «xiang» 11goo Familien. Die chinesische Gesellschaft War also schon damals zellular gegliedert. (12) Das Gesamtreich schließlrt‘h ist nach dem Prinzip «Mach die Menschen wohlhabend und gib ihnen I‘lrzlc' II. WM in Asien regiert wird 145 hung»°5 zu regieren — dies ist konfuzianischer Pragmatismus in der Nuß- Schale, wie er übrigens auch im reformerischen China wieder Beachtung fin— det. (zum Metakonfuzianismus S. 153f., 160.) Neben diesem «edlen» gibt es aber auch das mißtrauische und Zynische China, das seinen staatsphilosophischen Ausdruck in den sog, «36 Listen» (sanshiliu ji) gefunden hat, die auch heute noch zum allseits präsenten Rüst— zeug jedes politisch Handelnden gehören und von denen hier nur wenige Kostproben gegeben seien: «Den Dolch mit einem Lächeln versteckt hal- ten», «]emanden mit jemandes anderen Hand töten», «Den Gegner heraus— locken, um ihn zu ergreifen», «Im trüben Wasser fischen», «Verführerische Frauen einsetzen», «Die Leiter wegziehen, wenn der Feind hinaufgestiegen ist», «Künstliche Blumen auf den Baum stecken» und ähnliche «altasiatische Weisheiten». Ausgerechnet an dieser Stelle ergeben sich die meisten Berührungspunkte mit der hinduistischen Staatsphilosophie, die, wie Heinrich Zimmer66 fest— stellt, von «nacktem Pessimismus» und vom bloßen Ziel der Machterhaltung bestimmt ist, wobei die von den Handbüchern, vor allem vom Arthashastra empfohlenen Mittel an Zynismus und Amoralität die Lehren Machiavellis bei weitem in den Schatten stellen. Überall ist vom «Gesetz der Fische» (matsya'—nyaya) die Rede, wonach der Große den Kleinen frißt. Innenpoli— tisch bediene man sich geheimpolizeilicher Überwachungsmethoden, der Betörung, der Bestechung, des Betrugs und des «Aushöhlens von innen»“, außenpolitisch der «Geometrie» des Mandala: Du bist umgeben von Krei- sen, die abwechselnd deine natürlichen Feinde und natürlichen Verbündeten anzeigen; der Gegner im ersten dich umgebenden Kreis ist dein Feind, der im zweiten dein geborener Verbündeter — und so abwechselnd weiter“. Auch hier einige Maximen als Kostprobe: «Das letzte Wort sozialer Weisheit ist: Vertraue niemalsl», «Macht geht vor Recht», «Sei ein Reihen wenn du deinen Vorteil berechncst, ein Löwe, wenn du angreifst, ein Wolf, wenn du auf Raub gehst, und ein Hase, wenn du die Flucht ergreifst»"". In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, daß die Regierenden im alten Indien im allgemeinen Kshatriyas waren; die als Präzeptoren tätigen Brah— manen haben sich selbst ein wesentlich vorteilhafteres Zeugnis ausgestellt! Eine ganz andere Welt betritt man Wieder, wenn man zum Staatsbuddhis— mus weiterschreitet, der ja im Altertum in Indien zu Hause gewesen war. Er geht auf das immer wieder verkl'a'rte Reich Ashokas (268—233 v.Chr.) zu— nle, in dem der Staat die Aufgabe sozialer Fürsorge übernommen hatte, um den Gläubigen auf diese Weise Muße zur Selbstbestimmung, zur Verrich— tung gUter Werke und damit zur karmischen Selbstaufwertung zu verschaf— fef_l. Gleichzeitig hatte unter Ashokas Patronat auch die buddhistische Welt— m18510n begonnen, die zur Festigung des Theravada auf Ceylon und von d0rt ans zur Weiterverbreitung nach Südostasien führte. Im Gegensatz zum Konfuzianismus stand hier nicht das säkulare Glück, sondern die Verbesse—