* Ij6 Asiattsche Gesellschafter! und Verhaltensstile Theorie) oder weil sie vom «Zentrum» zur «Peripherie» herabgedrückt wor_ den seien (Theorie der strukturellen Gewalt), weil sie keine Rohstoffe bc— säßen usw. All diese Ansätze leiden daran, daß sie zu sehr mit westlichen Prämissen arbeiten, statt die betreffende Gesellschaft aus ihrem Cng„cn Wertesystem heraus zu verstehen. Es gibt nun einmal in einigen asiatischen Gesellschaften «wirtschaftsfreundliche» Überlieferungen, die man bei ande_ ren vergeblich sucht. Man denke etwa an die Chinesen, Japaner, Koreaner_ Parsen oder jainas einerseits und an die Angehörigen theravadabuddhiub scher Gesellschaften andererseits, in denen Gewinnstreben als Erweckung von «Leid» verpönt ist. Zwischen Modernisierungsfiihigkeit und Werte— system besteht also nicht nur ein enger, sondern in aller Regel ein für die Wirtschaftsentwicklung ausschlaggebender Zusammenhang z. Überkommene Formen des Wirtschaftens und Wirtschaftsdenkens a) Neun typisch panasiatische Traditionen Erstens hat nirgends im traditionellen Asien die Wirtschaft als solche ie eine eigenständige Rolle gespielt. Sie war niemals losgelöst und autonom, \«‚)llr dern stets in die Gesellschaft eingebettet. Aus diesem Grunde gab es ni!“ gends eine eigene Wirtschaftsb'tirokratie, eine spezifische Wirtschaftslehre oder aber eine ausgegliederte Wirtschaftsgeschichtsschreibung. Auch hier dominierte also «Ganzheit»! Ein zweiter wichtiger Kulturbestandteil war die Subsistenztradition‚ [iin Bauer hatte etwa seinen kleinen Fischweiher, seine zwanzig Kokosnuß bäume und sein Reisfeld, mit denen er einen bescheidenen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Wozu sollte er sich da mit Vermarktungsfrüchten herum-f plagen? Wirtschaftliche Tätigkeit diente der Bedürfnisbefriedigung. Selbst beim Güteraustausch standen nicht der Gewinn, sondern die (icgenseitig keit im Vordergrund ‚ eine Gewohnheit, die vor allem in der ostasiatischen Geschenkpolitik sowie in der chinesischen Maxime weiterlebt, daß eine .1u‚v gewogene Balance die Grundlage allen Wirtschaftens sei. Wenn es zu l’n;.r passen und Rückschliigen kommt, so liege dies im allgemeinen nicht am Rohstoffmangel oder am Fehlen technischer Kenntnisse, sondern an 1-Di<> proportionen» zwischen Einnahmen und Ausgaben, zwischen Stadt und Land oder zwischen Erzeugung und Konsum. Auch rein wirtschaftliche Überlegungen und Kostenrechnungen spielten nur eine untergeordnete ROlle. Die Könige von Angkor etwa zogen, ähnlich wie die pharaonischen I)}"”amidenbauer, Nekropolen und Erinnerungstempel in die Höhe, die am s$hlllß nahezu das gesamte Volksvermögen verschlangen. Wichtig war hie!“ mcht der Rechenstift, sondern das Ritual. [I]. Wie asiatische Gesellschaften wirtschafren I)'7 Gewinne wurden drittens selten reinvestiert und statt dessen meist in Grundstücken angelegt (_China), für «gute Werke» (z_ B_ Herstellung einer Buddhafigur oder Bau eines Tempels) Verwendet (Theravadabuddhismus) oder aber in Stiftungen für Brahmanen eingebracht (im mittelalterlichen Indien). _ _ _ Viertens «adelte Arbeit» kemesfalls. Die Vorstellung von der Arbeit als ei- nem Mittel zur Selbstverwirklichung oder als sittlicher Ausdruck innerweltli- cher Askese wäre dem traditionellen Asien absurd Vorgek0mmen_ Hoch ge— schätzt war demgegenüber jede Art von Muße « ganz besonders im Staats- b„ddhismus, dem ja die Meditation der Gläubigen am Herzen zu liegen hatte, etwas weniger allerdings im Konfuzianismus, der Arbeit eher als dialektisches Korrelat zur Muße begriff. In ganz Asien galt es als gesellschaftliches Privileg, nicht körperlich arbeiten zu müssen, sondern andere für sich werken zu las- sen. Reichtum und Armut bemaß man nicht nach der Höhe des Besitzes, sondern nach der Möglichkeit, andere für sich arbeiten zu lassen. Sieht man von den nomadischen Völkern ab, so gab es ein durchgehendes Ideal, nämlich Grundbesitzer zu sein und sich auf Kopfarbeit beschränken zu können, die körperliche Arbeit aber den unteren Schichten zu überlassen, die meist kein Land besaßen. Diese Vorstellung galt nicht nur für das chinesische Manda— rinat oder die Brahmanenkaste, sondern auch für den buddhistischen Sangha, dem im Gegensatz zum abendländischen Mönchtum zwar das Ora, nicht aber das Labora oblag. Körperliche Arbeit wurde auf die unteren Schichten oder die niedrigen Kasten abgewälzt, im theravadabuddhistischen, lamaistischen und islamischen Asien häufig auch auf Sklaven. Daß man andere für sich arbeiten ließ, führte ‚ fünftens — zu einer mar- kanten Trennung zwischen der politischen Führungsschicht und der Bevöl— kerung, die sich nach Bauern, Händlern und Handwerkern gliederte. Die Elite lebte zumeist in Residenzstädten, entwickelte eine Große Tradition und war für den Zusammenhalt des «Staates» so ausschlaggebend, daß (zu- mindest in Südostasien) ein Feind nur die Hauptstadt zu erobern brauchte, um das ganze Land zu besitzen. . Trotz des Zwangs, körperlich arbeiten zu müssen, nahm der Bauer in ganz Asien einen verhältnismäßig angesehenen Platz in der Gesellschaft e1n,wäh— rend umgekehrt der Händler, der stets im Verdacht der Verschlagenhert und der Profitgier stand, ganz am unteren Ende der sozialen Leiter ange51edelt War, die beispielsweise in China und Tokugawa—japan aus wer Sprossenbe- stand. Eine Ausnahme hiervon gab es lediglich in der islamischen Welt, deren Prophet Mohammed ja einst den ehrbaren Beruf eines Kaufmanns ausgeübt hatte. Zwischen Bauern und Kaufleuten standen die Handwerker, Zu denen nicht nur die schlichten Gewerbetreibenden, sondern auch Tem- pdarchitekten, Bildhauer und Ingenieure gehörten, deren über ganz Asren verbreitete Wunderwerke auch heute noch das Erstaunen der Nachwelt erregen.