160 Astatiscbe Gesellschaften und Verhaltenssli/e b) Wirtschaftsfiirdernde und —hemmende Sondertmditionen der großen Kultur/weise Die Wirtsc/mflstztgenden des Metakonfuzianisrnus In der metakonfuzianischen Welt herrscht eine außerordentlich Wirtschafts— freundliche Grutidstimmung. Sie wird gefördert durch die Vorliebe für das Diesseitige, Machbare und Konkrete, vor allem aber durch eine vorteilhafte Mischung von vier Grundtugenden, die für beträchtliche Effizien7 sorgen . Da ist erstens die Anerkennung von Leistung. Seit jahrhunderten herrsefn nicht der Blut—, sondern der Lern— und Prüfungsadel. Arbeit gilt nicht als I.ast, sondern als selbstverständlicher Bestandteil des Lebens. Das Gleichnis von der «Vertreibung aus dem Paradies» ist dem konfuzianischen Kultur kreis fremd. Während die malaiische Familie in den Zoo geht, um sich über die Tiere und den schönen Nachmittag zu freuen, geht der Cliil]t\i\t‘llt‘ Händler dorthin, um den malaiischen Familien etwas zu verkaufen_ Zu nennen ist. zweitens, die Sparsamkeit, die ja bekanntlich im [llt't'.'l\.ltl.i— buddhistischen oder malaiischen Kulturbereich keineswegs geschätzt ist. Wenn immer wieder die Frage auftaucht, warum es die 16 Millionen All‘v landschinesen in Südostasien zu beträchtlichem Wohlstand gebracht haben, während die malaiischen Buniiputras nur bescheidene Fortschritte er7‚ielen konnten, so ist darauf zu antworten, daß es für die einen als «werthalt » gib, jeden verdienten Dollar zu reinvestieren, während es die anderen für inor.e lisch (weil adat»geboten) halten, den Gewinn gemeinsam mit Freunden rn teilen und zu verbrauchen ‚ womöglich in einer weihevollen Slametan Zen» monie. Überall herrscht eine Verteilung», ganz selten eine Spargesinnung: hier Hortungs—, dort Verteilungsmentalit'a't. Freigebigkeit ist im islamischen Malaysia genauso eine Haupttugend wie im buddhistischen Thailand. Wo man ja religiöse «Verdienste» nur durch Spenden und großzügiges Verausga ben erwerben kann. Wenn überhaupt, so legt ein Malaie sein Geld nicht an! der Bank an (Zinsnehmen ist ja verbotenl), sondern in «Hana» (Eigentum; Wie Boden, Vieh, Hausbesitz und juwelen, investiert also nicht prodiikti\. Die Subsistenzmentalität «Rezeki» ist noch weit verbreitet: Wozu sollte man über den Bedarf hinaus arbeiten und investieren? Ein drittes wirtschaftsförderndes Element ist der Glaube an die I‘ill\‘l‘ «Welt unter dem Himmel» « früher Ausdruck des sino7.entrischen \Xi'eltbiltb heute Panorama eines globalen Wettbewerbs. Wirtschaftlich am bedeutsamsten aber ist die vierte hier zu nennende Tugend, nämlich die aus dem Zellulan und Danwei—I)enken (dazu „ben 5. 57ff.) resultierende Korporativitiit. Es herrscht das Bewußtsein, «im glei chen Boot» zu sitzen. Während Staat, Unternehmen («Kapital») und (n‘ Werkschaft in westlichen Gesellschaften, vor allem im angloamerikanist“lit‘fl Bereich, oft weit auseinander driften, ziehen sie in China und japan meist AH einem Strang. Nicht von ungefähr ist ja der Großteil aller Gewerkschaften Y 111. Wie asiatische Gesellschaften wzflsc/vaften 161 auf Betriebsebene angesiedelt, fügt sich also organisch in das (oben 5 68 ff. beschriebene) Vertikalschema ein und wird damit Teil der «Betriebsfaniilie». Betriebsgewerkschaften und —management aber pflegen mit sicherem Instinkt die Gemeinsamkeiten zu betonen («Wir sitzen in einem Boot») — hierbei leb- haft unterstütztvon den f<5eilschaftensangehörigen» aus der Staatlichen Wirt- SCh;,tfrsbürokratie‚ die mit den Betrtebsführern durch persönliche Beziehun— gen (Guanxi) verbunden sind und sich nach ihrer Pensionierung vielleicht gar auf einem wohldotierten Betriebssessel niederlassen können. Korporativitat motiviert auch zu größerer Risikobereitsehaft und zu lang- fristigen Invest1ttonenjund Absatzstrateg1en. Bekannt dafür sind diejapaner, die ja z.B. auf kurzfristige Gewmne gern verzichten, wenn sie (langfristig wirksame) Marktanteile gewinnen können. Der malaiische Durchschnitts— unternehmer dagegen reißt lieber, um hier ein chinesisches Sprichwort zu zi- tieren, der «vorüberfliegenden Gans schnell eine Feder aus», als in eine Gän- sefarm zu investieren. Es ist unter diesen Umständen gewiß kein Zufall, daß die «Asian—Americans», die in den USA die drittgrößte Minderheit hinter den Schwarzen und den «Hispanics» bilden und die sich zumeist aus Chine- sen, Vietnamesen und Koreanern rekrutieren, inzwischen zur «Modellmino- rität» geworden sind, weil sie im allgemeinen höhere Berufspositionen ein— nehmen und mehr verdienen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Wenn als Grund für diesen Erfolg «bessere Ausbildung» und höherer disziplinarischer Druck der Familien auf die Kinder angeführt wird“, so erscheint dies etwas kurz gegriffen; ist es doch nicht der Druck der Eltern als solcher, sondern die Impfung mit bestimmten Werthaltungen, wie Disziplin, Lernfreude, Leistungsbewußtsein und Zurückstellung des Ich zugunsten des Wir, die dem Nachwuchs von vornherein optimale Ausgangsbedingungen sichert. Gerade im amerikanischen Kontext werden freilich auch die weniger vorteilhaften Seiten des metakonfuzianischen Wertesystems deutlich. «Amerikanische Eigenschaften» wie Unkonventionalität, lnnovationsbesessenheit, Zukunfts- glaube, Risikofreude und die Fähigkeit, Rückschläge schnell wegzustecken, sind Eigenschaften, die den konformistischen, an Bewährtem festhaltenden, vergangenheitsorientierten, überaus vorsichtig agierenden und unter Ge- sichtsverlust schwer leidenden Asiaten im allgemeinen abgeben. Unter allen metakonfuzianischen Gesellschaften ist bisher japan am häu- figsten beschrieben worden. Viele jahre wurde sein Wirtschaftswunder auf Ursachen zurückgeführt, die sich inzwischen längst als unerheblich erwiesen haben, z.B. auf die US—Wirtschaftshilfe nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die märchenhaften Gewinne, die die iapanische Industrie aus dem amerika— mschen Korea- und Vietnam—Engagement ziehen konnte, auf die angeblich «lächerlich niedrigen Löhne» der Arbeiter, auf die vielfältigen Staatssubven— tionen oder aber auf die krankhafte Sucht nach wirtschaftlicher Überkom- Pensation als Ausgleich für die militärische Niederlage von 1945. All diese Ansätze greifen, wie gesagt, zu kurz, weil die soziokulturellen Antriebsmo-