170 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile bei den hinduistischen Vaishiyas vorhandenen wirtschaftlichen Keime schneller zur Entfaltung gekommen, als es bei Fortbestehen_ der traditione]_ len Herrschaft der Fall gewesen wäre. Kein Wunder, daß es in der Indischen Union zu gewaltigen Ungleichgewichten zwischen wenigen Wohlhabenden auf der einen und einer erdrü'ckenden Armut auf der anderen Seite gekom— men ist. Aus dem «Wertevorsprung» einer kleinen Minderheit erklärt es sich auch, daß Indien einerseits eine der fortgeschrittensten Industrienationen, andererseits aber auch eines der Armenhäuser der Welt ist. Buddhismus und materieller « Verdienst» Oberstes Ziel eines glänbigen Buddhisten ist es, durch religiöse «Verdienste» Karma abzubauen, um so die Startchancen in der nächsten Existenz zu ver— bessern und so einen Schritt auf dem unendlich langen Weg zum Nirvana voranzukommen. Man sammelt «Verdienste», indem man im Tempel ein Blumen— oder Früchteopfer darbringt, einer Buddhafigur Blattgold appli— ziert, eine Buddha— oder Tempelwächterfigur, vielleicht sogar einen ganzen Tempel stiftet. Auf einige wenige Stichworte zusammengedrängt lassen sich die in den theravadabuddhistischen Gesellschaften am meisten geschätzten Verhaltens— tugenden folgendermaßen skizzieren: Großzügigkeit und Freigebigkeit, die aus einem großen Herzen kommen, Individualismus, Pazifismus, Freund— lichkeit, Vorliebe für Späße (auch frivole), Konformismus, Harmoniebe— dürfnis, Respekt gegenüber Älteren und Vorgesetzten, Statusbewußtsein, Formalität im Umgang und «kühles Herz». Abgelehnt werden andererseits vor allem Aggressivität, Unbeherrschtheit und Humorlosigkeit. Es sind m.a.W. soziale „ und liebenswürdige — Werte, die hoch im Kurse stehen, nicht dagegen wirtschaftliche Tugenden. Der sparsame («geizige») Chinese in einem birmanischen oder kambodschanischen Dorf, der jeder Heller zu— sammenkratzt und an immer neue Investitionen denkt, wird vom I)urch« schnittsbuddhisten bemitleidet — und ist wenig beliebt. Dabei sind die Thais, Laoten, Kambodschaner oder Birmanen durchaus keine Verächter materiellen Besitzes. Irdische Güter gelten schlicht als Folge eines verdienstvollen Lebens in den vorangegangenen Existenzen, und sie haben überdies den angenehmen Vorteil, daß der Wohlhabende leichter imstande ist als der Arme, durch Spenden und freigebiges Verhalten zusätz- liches Karma zu sammeln. Andererseits freilich gelten Besitzgier und GC— winnsucht als «durst»— und damit gleichzeitig auch «leid»—erhöhend, vor allem aber karma—mindernd; dasselbe ist bei jeder Arbeit der Fall, die über das Existenznotwendige hinausgeht. Mit dieser Einstellung ist der glaubig€ Buddhist für den Bauern— oder aber den Beamtenberuf geradezu priidesti— men, In der Tat wird der Löwenanteil dieser Berufspositionen in den them» Vada_bUddhistischen Ländern von Birmanen, Laoten, Kambodschanern. Thais und Singhalesen eingenommen, während Handel, Kleinindustrie und 111. Wie asiatische Gesellschaften wirtschaften 171 Transp0rtuntemehme“ in den Händen zugewanderter Chinesen Inder oder , Vietnamesen liegen. Inder, die zu Hause strengen Kastenregeln unterlie en entfalten im Ausland oft erstaunliche Initiative. g ’ Ist der Buddhismus also modernisierungsfeindlich? Max Web r2° h"l d Buddhismus für unfähig, eine «rationale Wirtschaftsethik zu 66 'aktl en während Heinz Bechert“ nicht innere, sondern äußere Ursachiltwm" Clip}; die systematische Divide—et—impera-Politik der Kolonialherren dafl'3 njgaft- wortlich macht, daß die buddhistische Bevölkerung ge enübe ur slä„di- schen Wettbewerbern zu kurz gekommen ist. Allerdings Emß m;nasl;ch hier fragen, warum Engländer und Franzosen keinen anderen Auswe sahen als für ihre neugegründeten Plantagen von weither Inder, Chinesen End Viefna- mesen anzuwerben. Liest man Berichte aus der Kolonialuit so werden als Begründung hierfür immer wieder die gleichen Motive, nämlich Fleiß Ge— schick und «wirtschaftliche Brauchbarkeit» der Zugewanderten erwähnt Eigenschaften, die den «Natives» angeblich fehlten. So fuhr denn auch der Modernisierungszug in sämtlichen theravadabuddhistischen Ländern sogar im nichtkolonisierten Thailand, ohne die einheimische buddhistischie Bau- ernbevölkerung ab — ja er fuhr zum Teil über sie hinweg. Träger industrieller und kommerzieller Entwicklungen sowie Administratoren waren entweder die britischen und französischen Kolonialherren oder aber die von ihnen herbeigeholten asiatischen Hilfskräfte, nämlich Inder und Chinesen in Birma, indische Tamilen in Ceylon sowie Vietnamesen und Chinesen in Laos und Kambodscha. Sogar in Thailand waren es zumeist chinesische Ge- schäftskreise, die den Löwenanteil der modernen Wirtschaft unter ihre Kon- trolle brachten. Die «marginalisierte» Bauernbevölkerung, vor allem aber das ehemals kulturell führende Mönchtum mußte hilflos zuschauen, wie Tamilen, Chinesen oder Vietnamesen im Bündnis mit den Kolonialherren moderne Betriebe aufzogen, die den traditionellen Gewerben das Wasser abgruben, Wie sie westliche Vorbilder nachahmten, während sie gleichzeitig auf die buddhistischen Traditionen herabblickten, und wie christliche Lehr- anstalten die traditionellen Pagodenschulen an die Wand drückten. Kein Wunder, daß es schon bald zu heftigen Reaktionen kam, die religiöse, Soz1alrevolutionäre und nationale Anliegen miteinander verbanden, wobei Teile des laotischen Sangha sogar mit dem kommunistischen Father Lao Zusammenarbeiteten, der versprochen hatte, die «Heilige Stadt» Luang Pra— hang zu verschonen und den amerikanisierten Sumpf in Vientiane auszu— trocknen. „ In allen buddhistischen Ländern kam es ferner zu einem gewaltigen Ge— falle zwischen Metropole und «Peripherie». Bangkok beispielsweise hat 60mal so viele Einwohner wie die zweitgrößte Stadt Thailands, Chiengmai, Manila neunmal so viel wie Davao. Am Ende des Indochinakriegs befand Sich die Hälfte der kambodschanischen Bevölkerung in Phnom Penh. Noch