174 Asiatische Gesellschaflen und Verba/tensmle der Verschärfung des Dualismus aber werden weitere Ungleichgewichte ge- schaffen oder vergrößert, so die Disparitäten zwi5chen java und den «Außeninseln», die Ungleichgewichte zwischen Stadt und Land sowie der Widerspruch zwischen verbesserten Ernteergebnissen und wachsender Ar. beitslosigkeit im Gefolge kapitalintensiverer Produktionsmethodm, Die bedenklichen Folgen der «Grünen Revolution» leiteten einen Prozeß des Umdenkens ein, der in den siebziger jahren zur Ablösung der Wachs, tums— durch die Grundbedürfnisstrategie führte, die, wie oben bereits beA tom, weniger auf die Entwicklung der Wirtschaft als Vielmehr auf die Ent« wicklung des Menschen abstellte. In Zukunft sollten neben den materiellen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Kleidung, Wohnung und Gesundheit auch die immateriellen Grundbedürfnisse befriedigt werden, die bisher g;„„ außer acht gelassen worden waren, wie z. B. die soziale Eingliederung (das Gegenteil wären die mit vorgehaltenem Gewehr erzwungenen «Arbeitsein— sätze» im Kambodscha derjahre 1975 bis 1978), die Teilnahme an dörflichen (und vielleicht sogar überdörflichen) Entscheidungsprozessen, ferner die Teilhabe an Ausbildungs— und Informationseinrichtungen und ganz beson— ders die Möglichkeit zu «kultureller Identität». Ziel der nationalen (und in; ternationalen) Entwicklungspolitik sollte es von nun an keineswegs mehr sein, den philippinischen oder indonesischen Bauern zum Kalifornier oder Mitteleuropäer werden zu lassen oder ihn auch nur anderen asiatischen Be— rufskollegen anzugleichen. Ein buddhistischer Thai hat nun einmal andere Erwartungshaltungen als ein katholisch—philippinischer Bauer, für den wie- derum ein Stadtbewohner Hongkongs oder Singapurs genauso fremd ist wie für den Einwohner Vientianes ein Bürger Tokyos oder Seouls. «Ente wicklung» soll nicht darauf hinauslaufen, daß Birmanen am Ende zu Ameri» kanern werden. Vielmehr geht es um die Ermöglichung verschiedener Le— bensstile. Dazu gehört auch, daß der indische oder laotische Bauer nicht sein Dorf verlassen muß, sondern sich — «Dorfentwicklung» „ in seinem ange— stammten Milieu den Erfordernissen des zr.]ahrhunderts anpassen kann. Hierfür „ und nur hierfür — sind die nötigen Strukturveränderungen herbei' Zuführen, die zumeist auf die Errichtung von Dorfindustrien, von Gesund heitszentren, von Wasserversorgungseinrichturigen, von Anschlußstraßen und innerdörflichen Wegen, ferner auf die Schaffung der nötigen Absatw und Bezugswege sowie auf bessere Erziehung und Maßnahmen zur Be» kämpfung von Fehl— und Unterernährung, nicht zuletzt auch auf Erhaltung gewachsener Dorfdemokratien hinauslaufen. Vorteilhaft wirkt sich hierbei aus, daß für eine «Revolution der steigenden Erwartungen» kaum Ansatz! punkte vorhanden sind: Für einen birmanischen Buddhistcn kommt ja der Westliche Glaube, daß Fortschritt identisch sei mit zunehmender Güterpro— dUlfli0rl, höherem Energieverbrauch und wachsender Urbanisierung einer Lebensphilosophie gleich, die der Grundlehre Buddhas, wonach die «Gier» nach Gutern eigentliche Ursache allen Leidens ist, diametral zuwiderläuft. [I]. Wie aszatisz‘he Gesellschaften u‘zrtschafkyy; 17; Statt dessen erscheint die selektive Erhaltung von Traditionen wünschens— wert. Dies hat vor allem die VR China erkennen [flüsgc das «Neue» auf den Trummern des «zerstörten Alten» hatte aufbauen wol— len,-.dle dann am Ende aber doch Wieder auf "Wfak(‘rifuzianischc Elemente zuruckgre1fen mußte v vom Kambodscha Pol Pots ganz ‚„ schwei en das den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben hat. 4 } g ’ Eine auf Traditionen Rücksicht nehmende lintwieklungsstrategie hat au- ßerd€fr_l den Vorteil, daß Sie weniger kapmlmtensiv ist als die Wachstums- strategle und daß Sie (auf dem Umweg über eine bessere Ausbildung der Frauen) auch die Chance fur eine Drosselung des Bevölkerungswacllsmms verspricht. Die langfristig beste Entw1cklungspolitik ist heutzutage ja eine erfolgreiche Familienplanungspolitik, die freilich auch wiederum nur gelin— gen kann, wenn die «traditionelle Sozialversieherung» (in [«‘Orm vieler Kin— der) durch eine moderne Somalpolitik glaubhaft .ibgelöst wird. Einstweilen gilt eine große Nachkommenschaft immer noeh als wertvoll _ 50 in China— oder gar als gottgewollt — so der Islam. jede Tradition muß sich anpassen, sobald sie sich mit westlichen Metho- äen eifiitl)äßt. ngtl immer e}r]1twickelr;1 sich die beiden theoretisch so leicht arste aren ie muster ( ler Wac stum nach westlichem ' «Entwicklung» auf der Schiene soziokultureller Traditionen) zii\/(e)irribelfrcii,hzilri)df festen Zielkonflikt, den es bewußt auszutragen gilt. Nirgends stehen hier «glatte» Lösungen ins Haus Entwicklung wird hier zu einem geistigen/so- ziokulturellen Prozeß mit durchaus schmerzlichen Opfern. Hierfür ein Bei- spiel: Im traditionellen Java gab es, wie in den meisten anderen asiatischen Gesellschaften, außerordentlich starke Unterschiede im Bodenbesitz. Aller— dings federte die Tradition (d.h. das Adat) dieses Mißveth1ltnis durch sanfte Ausgleichsmechanismen ab. An der Reisernte beispielsweise, die außeror- dentlich arbeitsintensiv war, weil die Ähren mit dem Reismesser einzeln ab- geschnitten wurden, konnte jedermann teilnehmen und sich dafür, je nach Region, eine Entlohnung in Höhe von ein Siebtel oder ein Zehntel der Erntemenge sichern. Als Folge der Einführung moderner Anbau— und Be— triebsmethoden im Rahmen des BIMAS»I’rogramms («Grüne Revolution») haben sich die Verhältnisse auf dem Reisacker inzwischen grundlegend geän— dert: Das traditionelle wurde durch ein kommerzialisiertes Verfahren abge— löst, insofern nun der Reis bereits auf dem Hahn an ortsfremde Händler ver- kauft und durch bezahlte I.ohnarbeiter geerntet zu werden pflegt. Damit aber sahen sich die armeren Bauern vom einen auf den anderen Tag ihres bis— her üblichen Zubrots beraubt, Der traditionelle soziale Ausgleichsmechanis— mus, das «gotong royong» (siehe oben S, 98f.), iahrhundertelang ein fester Bestandteil des soziokulturellen Wertesvstems der iavanischen Gesellschaft, geriet damit aus den Angeln“. ' Die politische Führung steht hier vor einem Dilemma: Soll sie die Beibe— haltung der Tradition, damit aber gleichzeitig auch niedrige Produktivität in n, die ursprünglich