176 Asiatische Gesellschaften und Verba/tensstile Kauf nehmen oder aber moderne und profitable Betrieb5f0rmen fördern, damit aber gleichzeitig den (ebenfalls nützlichen) Traditionen den T0desstoß versetzen _ mit der Folge, daß eine vielleicht noch stärkere Landfluchr statt— findet. Wichtigstes Heilmittel wäre hier gewiß eine Landreform, die es den — nunmehr zu Eigentümern gewordenen — Bauern erlaubte, neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, zum Beispiel einen gemeinsamen Maschi— nenpark oder einen kooperat1ven Betrieb etc. 4. Geeignete und unpassende Entwicklungsmethoden a) Holzwege Weitgehend fehlgeschlagen, weil am asiatischen Wertesystem gescheitert, sind der kapitalistische, der marxistische und der Raiffeisen—Weg. Der west— lich-«kapitalistische» Weg hat sich mit dem Scheitern der oben beschriebe— nen «Wachstumsstrategie» diskreditiert. Aber auch mit marxistischen Me— thoden war kein Staat zu machen. Zum einen lassen sich Danwei—, Kasten» und Oyabun/Kobun—Strukturen nicht einfach durch «Klassen»—Bildungm ersetzen (dazu im einzelnen oben S. 88ff.), zum andern hat das Scheitern der maoistischen, vietnamesischen oder Pol—Pot—Revolution bewiesen, daß Kahlschlagkonzepte nur den Widerstand, nicht aber die «revolutionäre Be— geisterung» der «Volksmassen» mobilisieren. Niemand vergreift sich auf die Dauer ungestraft an Traditionen, die der breiten Bevölkerung Beurteilung» maßstäbe dafür liefern, was «normal» und was anomal ist. Sogar der «mittlere Weg», den das RaiffeisewModell aufzuzeigen schien, hat nicht alle Erwartungen erfüllen können. Raiffeisen hatte in den sechziger Jahren des t9.jahrhunderts Maßnahmen zur solidarischen Selbsthilfe für die Kleinbauern des Westerwalds entwickelt, die auf sieben Prinzipien auf—ge; baut waren: (1) personelle Überschaubarkeit der Genossenschaften, (z) un- beschränkte Solidarhaftung der Mitglieder, (3) keine Dividendenauszah— lung, (4) Gewinnansammlung im Gemeinschaftsfonds, (g) unentgeltliche Mitarbeit der Genossenschaftsfunktionäre, (6) Vergabe von Krediten nur an Mitglieder, (7) Anleihen, Spargelder und Gewinne als einzige Finanzquck len. Einzelne asiatische Länder, in denen das Modell bereits Ende dt‘S I9.]ahrhunderts eingeführt worden war, hatten sehr rasch damit begonnen. ein Prinzip nach dem anderen über Bord zu werfen: Da (vor allem im Thera- vada— und Hinduismus—Bereich) die an Subsistenzwirtschaft gewöhnten Bauern den Sinn einer Solidargemeinschaft nicht zu begreifen vermochten. mußte zunächst schon einmal der Staat die Finanzierung übernehmen ' und versueß damit gegen die Prinzipien 4 und 7, also gegen den Grundsatz der konektiVen Selbsthilfe. Da ferner die wohlhabenderen, auf ihren Besitzstand pochenden Bauern fürchteten, für ihre ärmeren Berufskollegen am Ende die * III. Wie axiatzsche Gesellschaften wirtschufi‘en 177 Zeche zahlen zu müssen, wurde eine beschränkte Haftunw ein efüh„ _ Ver— stoß gegen Prinzip 2, das die Solidarhaftung regelt, die jä übegrhau t weni zu einer Gesellschaft wie etwa der hinduistisdten paßt deren K 5 „g Subkastenordnungen von Natur aus genossenschaftsfeindlich 35 (in—Aubef selbst in den rund 10000 ländlichen Genossenschaften Thailand s'lndS let' hilfe und Selbstverantwortung kleingeschrieben. In aller Re el 5 '„(11 d'e Ge- nossenschaft dort nicht als Eigeninstitution der Mitglieder gson‘txlleifn btsten— falls als eine Einrichtung zugunsten der Mitglieder betrachtet die Staats el— der verteilt und in der die Genossenschaftsbürokratie daher hiöchst arefna- listisch auftreten darf — Verstoß gegen die Prinzipien z 4 und vor lällem 7 Auch werden die genossenschaftlichen Kredite häufig nicht für roduktive Zwecke verausgabt, sondern für die Bestreitung des Lebensuntefhalt5' Nur in den seltensten Fällen werden sie wieder zurückgenhlr, I)äg ist ein Verstoß gegen den genossenschaftlichen Geist überhaupt. Da die Dorfgemeinschaf- ten meist nicht genügend Kapital aufbringen können, erzwingt der Staat manchmal eine gesamtregionale Kooperation, so zum Beispiel in Form der malaysischen Reismühlengenossenschaften. Dadurch aber geht das Prinzip der Freiwilligkeit und der Uberschaubarkeit verloren. In kaum einem asiati- schen Land überdies verzichtet der Staat auf die bürokratische Überwa- chung der Genossenschaften — Verstoß gegen Prinzip Nr. ;33. Kein Zufall ist es, daß Genossenschaften im Stile des Raiffeisen—Modells eigentlich nur in einem Land haben Wurzeln schlagen können, nämlich im metakonfuziani- schen Taiwan, wo sich die obengenannten sieben Prinzipien gut mit der Danwei—Struktur vertragen. b) Der dritte Weg Angesichts der Tatsache, daß es in Asien verschiedene Wertesysteme mit jahrhundertelanger Tradition gibt, müssen von vornherein zwei Tatsachen als ausgemacht gelten, nämlich daß es erstens — allen Empfehlungen der Gruppe 77 zum Trotz — kein kulturübergreifendes, also für die Volkswirt— schaft aller Länder gleichermaßen gültiges Patentrezept gibt und daß zwei- tens die Modernisierung nicht in ein paar Stunden vor sich gehen kann, son— dern einen langen und mühevollen Anpassungsprozeß durchlaufen muß. Wie weit die Region von einem panasiatischen lintwicklungsmuster ent- fernt ist, läßt sich auf kleinstem Raum bereits in Malaysia beobachten. In einer Fragebogenerhebung bei 391 Managern aus 112 malaysischen Firmen Wurden beispielsweise 1981 die Einstellungen malaiischer, chinesischer und «anderer» (d.h. indischer und eurasischer) Manager im Hinblick auf fünf Themenbereiche ermittelt. Dabei kamen zwar durchaus Gemeinsamkeiten ZUm Vorschein, etwa die Einstellung zur «Arbeitsplatzgestaltung» und zum «Profitstreben»: Sowohl malaiische als auch chinesische Manager wünschten SlCh zum Beispiel eine «anspruchsvolle Tätigkeit» und möchten möglichst