173 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile ohne Einmischung von oben arbeiten können. Beide auch betrachten ihr Einkommen vorrangig als Mittel zur Bestreitung eines angemessenen Le_ bensunterhalts, nicht jedoch als Statusanzeige, der indische Durchmhnitts— manager reagierte hier jedoch ganz anders. Auf der anderen Seite unterschei— den sich malaiische Führungskräfte von ihren chinemschen Kollegen be» trächtlich in der Einstellung zur «Firmenloyalität», zum «Führungssül» und zur «Umcrnehmenspolitik». Der chinesische Manager ist bereit, mit seiner Firma durch dick und dünn zu gehen und im Interesse der Firmenfamilie Opfer zu bringen, während für den Malaien Loyalität zur Firma ihre Gren— zen hat. Was den Führungsstil anbelangt, so sprachen sich Chinesen für ei— nen Betriebsleiter aus, der seinen Untergebenen alle nötigen Informationen verschafft und ihnen ansonsten Freiraum läßt, während der malaiische Ma— nager eher den «harmonisierenden» Führer bevorzugt, der stets präsent und «eher Freund als Vorgesetzter» ist. Im Hinblick auf die Unternehmenspoli— tik schließlich bevorzugen Chinesen eher die Profitmaximierung, während Malaien zur Harmoniemaximierung neigen“. Auch wenn diese Umfrage mit schablonenhaften Vorstellungen (hie «Kampong-Mentalität»: mystisch—animistisch, fatalistisch, passiv und kon— formistisch, dort «Händlermentalität»: fleißig, ehrgeizig, materialistisch und skrupellos) aufgeräumt hat, tritt der entscheidende Unterschied doch höchst plastisch hervor: Der Danwei—Mentalität der Chinesen haben die Malaien nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Angesichts solcher grundlegenden Unterschiede war es auch nicht ver— wunderlich, daß die Anfang der achtzigerjahre modische «Look East»—Poli— tik, die den Blick der Asiaten auf die Modellejapan und Korea lenken sollte, gescheitert ist. Das japan—Modell mag zwar für China oder Vietnam taugen, nicht jedoch für ein rein malaiisches oder birmanisches Unternehmen! Kein Wunder, daß an die Stelle des «Look East» inzwischen das «Look around» getreten ist. Die wirtschaftlichen Auffassungen sind also ganz gewiß «nicht überall gleich», sie lassen sich ferner auch «nicht überall sofort» verändern. Vielmehr haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, daß radikale Umsturzversuche den Entwicklungsprozeß nicht etwa beschleunigen, sondern ihn im Gegenteil verlangsamen. Vor allem die zehnjahre Kulturrevolution in China 0966—76). die Khmer-Rouge—Epoche in Kambodscha (1975—78) und diejahre des «hat— ten Kurses» in Laos (1975—79) sowie in Südvietnam (1975»79) sollten bewio sen haben, daß Frontalangriffe auf das bestehende Wertesystem die Bevölke» rung zu innerer Emigration sowie zähem und langanhaltendem Widerstand — Oder aber zu Reaktionen an der Wahlurne reizen: In Indien etwa erhielt die Reglerung Indira Gandhis für verschiedene Radikalprogramme, u.a. die Massensterilisierung indischer Männer Mitte der siebzigerjahre, einen Denk» ;ettel_ Radikalprogramme endeten bisher in Asien fast überall mit einem yrrh“55‘eg und mußten später korrigiert werden, u. a. in Form von «Rer Y [I]. Wie asiatische Gesellschafter; “"vrl51‘haften 179 normalisierungsprozessen», wie sie etwa in China und Vietnam seit Anfang der achtz1ger jahre im Gange Sind— Iéd€r I‘rontalangriff auf das soziokultu— relle System fordert einen hohen Preis — sogar im disziplinierten japan, das nach einer zweieinhalb jahrhunderte dauernden AbSchottung (1646—1868) rch die «von oben» ein teleitete Meii—Re ‘ ' \ Sänden Reformstrudel hirieingeriet: Ininur iii? fütif68) 1“ einen membemu— _ jahren wurde fast alles an gesellschafthcher Ordnung abgestoßen, was in jahrhunderten ewachserl war, sei es nun das Samuraitum, das L€hn5h8rrensvstem der Daiiii 05 oder das Vier-Klassen—System‚ Vom Zeitpunkt des «Ausstiegs aus dem Mifielaltfl» bis zum Sieg uber eine europaische Großmacht, nämlich das zaristische Ruß— land, vergingen lediglich 36 jahre. Erneut i; jahre später gehörte japan, am Ende des Ersten Weltkriegs, bereits zu den Großen Fünf der internationalen Politik und begann zu den Westmächten auf fast allen Gebieten in Konkur— renz zu treten. Wozu Europa fünfjahrhunderte gebraucht hatte durchrast€ der Schnellzug japan in nur wenigen jahrzehnten, und zwar übe; die Statio- nen: konstitutionelle Monarchie - Liberalismus — Imperialismus — Militärdik— tatur — Besatzung (zum erstenmal in der Geschichte japans) — westliche «De- mokratie» und wirtschaftliche Supermacht. Was diesem Volk zugemutet wurde— und was es am Ende erreichte „ war uiigeheuerlich, hatte aber seinen Preis: das ganze Volk scheint unter Überdruck und Ubernervosität zu leiden. Vor allem auf die vom Wertesystem her verwandten Chinesen wirktjapan mit seinen Kriminalitäts—‚ Arbeitslosen—, Drogenverbrauchs— und Selbstmord— raten wie ein Alptraum”. In einem europäischen Kommentar heißt es: «In japans Mitte liegt die Leere”.» Immerhin hat japan seine «Identität», wenn auch mühsam, bewahren können; zugrunde gegangen ist ja nur die Große, nicht dagegen die Kleine Tradition (dazu oben 5. 167, f.). Vor dem Hintergrund des überlieferten Wertesystems konnte bisher fest— gestellt werden, daß es eine einheitliche asiatische Entwicklungsstrategie nicht geben kann und daß sich die Entwicklung, zweitens, auch nicht von heute auf morgen bewerkstelligen läßt. Wie also sollen die verschiedenen Entwicklungspfade im Hinblick auf die soziokulturellen Gegebenheiten ab— gesteckt werden? Drei Fragenbereiche sind hier auseinanderzuhalten: nach dem jeweils zweckmäßigsten binnenwirtschaftlichen Iintwicklungsinstru- mentarium, nach dem außenwirtschaftlichen Verflechtungsgrad und nach der Instrumentalisierung des Wertesystems für den Entwicklungsprozeß. Die beiden ersten Fragen sind Dauerthemcn der Entwicklungsdiskussion, die im vorliegenden Zusammenhang nur am Rand gestreift werden sollen. Was erstens die Grundelemente des binnenwirtschaftlichen Umwand— lllngsprozesses anbelangt, so hat gerade Asien bewiesen, daß jede sinnvolle Entwicklung beim Dorf beginnen sollte, wobei Bodenreform und «mittlere Technologie» sowie Erziehungs« und Gesundheitswesen im Vordergrund Stehen, und daß Hand in Hand damit ein schrittweises Vorgehen von der Tradition zur Moderne sowie vom Dorf zur Stadt zu beherzigen ist. Ein—