180 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile rfahrungen sind inzwischen asiatisches Allgemeingut. Wer sich hl" . C E " " sc ag1g hält, bezahlt mit teurer Münze und muß fruher oder spater doch nicht an sie ‘ „ . _ _ wieder zur Korrektur schreiten. Der Schlussel zum tatwanesrschen Wirt- schaftswunder lag nicht zufällig bei der Bodenreform. Die meisten anderen asiatischen Länder haben sich, sehr zu ihrem Schaden, nicht an diese Er— kenntnis gehalten. Zwar hätten sie dem taiwanesischen Tempo wohl kaum folgen können, doch wären sie zumindest das Haupthindernis auf dem schwierigen Entwicklungsweg losgewesen. Auch für Asien gilt, was für Lateinamerika längst selbstverständlich ist, daß nämlich alles, was den Grundbesitzern nützt, der Volkswirtschaft insgesamt und damit dem Lande schadet. Gefragt sind ferner die bekannten «angepaßten Technologien», für die es herv0rragende Modellbeispiele gibt — man denke an kleine Reispflanzma— schinen, an Biogasanlagen, an Kleinbewässerungsprojekte, die von der loka— len Bevölkerung selbst getragen werden, oder an die Entwicklung der Sei— denproduktion, die zu einer Verbindung zwischen Landwirtschaft und In— dustrie, von Groß—, Klein— und Haushaltsbetrieben sowie zur Einbeziehung der Frauen führt und die nicht nur die Privatinitiative, sondern am Ende auch die Herausbildung von Genossenschaften fördert”. Das schrittweise Vorgehen von traditionellen zu modernen Produktions— weisen wurde vom ILO-Beschäftigungsprogramm für Asien (ARTEP) ge— fordert und ist — unter soziokulturellen Gesichtspunkten -— in der Tat auch die einzige brauchbare Methode. Anstelle allzu ehrgeiziger Industrialisie— rungsprojekte, die zu einem krebsartigen Wachstum der Städte, zu Land— flucht, zu Arbeitslosigkeit und Armut führen, soll, wie es heißt, der «Aus bau kleinräumiger arbeitsintensiver Projekte im Rahmen der traditionellen Dorfgemeinschaften» betrieben werden. Stufenstrategie par excellence hat Taiwan aller Welt vor Augen geführt. Die Grundsätze, die der Inselstaat sei— nen Vierjahresplänen zwischen 1953 und 1987 zugrunde gelegt hat, lauten stichwortartig: Ausgeglichenheit zwischen Industrie und Landwirtschaft, stufenweise Entwicklung der Landwirtschaft über die Leichtindustrie zur Schwerindustrie, von arbeitsintensiven zu kapitalintensiven Verfahren (Ne- beneffekt: Lernen durch Aufbau), von der Importsubstitution zur Export— förderung, von der Ernährung der eigenen Bevölkerung über den Export zur Kapitalbildung, von anfänglicher Staatsinitiative zur Privatinitiative und von der einfachen zur «mittleren» Technik. Man bevorzugte am Anfang we— der den A(arbeitsintensiven)—Typ (zum Beispiel Papier, Sägemühlen) noch der} K(kapitalintensiven)—Typ (zum Beispiel Zucker, Zement etc.), der, so- We1t es sich nicht vermeiden ließ, der öffentlichen Hand verbleiben sollte, so"dem den AK-Typ (zum Beispiel Sperrholz, Plastikverarbeitung und Elektrogeräte). Ergänzend zu den Kleinbetrieben entstanden Infrastruktur» gr°ßb.a_tlten (die sog. «Zehn großen Projekte»); gleichzeitig wurde die Ei— geninitiative durch Export—Freizonen und durch Förderung von joint Ven- Y [I]. Wie ‚asmtitche Gesellschaften Wirtschaften 181 tures unterstützt. Folgende vier Elemente waren am Ende für d' E ' k lung Taiwans (und übrigens auch Südkoreas) maßgebend " lle' thIä - «Gehen auf eigenen Beinen» mittels einer Politik der Im ort mbm 'lC '(I) di"iS auch der «Hausarzt der Region», die Asiatische Entwickltiu Sf)ltultrxon, le mit weichen Krediten unterstützte; (2) Aufbau von Schut'ngs an ,}ig'eme denen sich die eigene Wirtschaft kurzfristig (!) verstecken Lmjiuem’ . Hi“? konnte; (3) rascher Ubergang zur Exportpolitik, durch deund' efitiwc. ehn Wirtschaft auf Teilgebieten dem scharfen Wind des internati1 IT e\l)r(;1ltsté ? werbs ausgesetzt und zur Effizienz gezwungen wurde (4) £}??itiaeisee E;- pansion vom Textilsektor zu Hochtechnologie—Gütern (Elektronik) und VO“ billiger Massenware zu immer anspruchsvolleren und teureren Produkten also von der Schraube zum Auto und zum elektronischen Textverarbeij tungssystem. Ob andere asiatische Staaten diesem «Modell» {01 en können ist eine Frage, die sich angesichts des «Wertevorsprungs„ der mäakonfuzia_y nischen Länder nicht ohne weiteres beantworten läßt. Auf alle Fälle aber eignet sich dieser «dritte» Weg mit seiner gleichgewichtsbedachten und suk- zessiven Schrittfolge weitaus mehr zur Bewältigung der Aufbauprobleme als das rein «kapitalistische» oder stalinistische Modell, welches das Pferd vom falschen Ende, nämlich der Schwerindustrie, her aufzäumt. Die zweite Frage berührt die bekannten und bis zum Überdruß durchdis- kutierten drei Strategien zur Überwindung der Armut, die sich mit den Fra- gen «Wachstum durch Integration in die liberale Weltwirtschaft?», «Wachs- tum durch Integration in eine Neue Weltwirtschaftsordnung?» oder aber «Selektive Abkoppelung aus der Weltwirtschaft?» charakterisieren lassen. Faßt man die besonderen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Wertesysteme der einzelnen asiatischen Länder ins Auge, so erweisen sich generalisierende Antworten von vornherein als Holzweg. Ein Rohstoffland wie Malaysia, das mit seinen Zinn—, Kopra— und Kautschuklieferungen von vornherein auf den Weltmarkt angewiesen ist, kann sich ganz gewiß keine «Abkoppelung» erlauben. Aber auch Länder, die mit einem Wirtschafts— freundlichen soziokulturellen Kapital ins Rennen gegangen sind, brauchen file «Große Schutzmauer» nur für eine kurze Ubergahgsperiode. Wenn überhaupt, dann müssen nicht sie sich vor den anderen schützen, sondern die anderen sich schon bald vor ihnen — man denke an die außenwirtschaftli— Che Agilität der «Vier kleinen Drachen» (Singapur, Hongkong, Taiwan, Süd— k9rea), die sogar in den USA mittlerweile Protektionswiinsche aufkommen laßt, von japan ganz zu schweigen. Staaten andererseits, die wirtschaftlich nur langsam anspringen, bedürfen dagegen auf lange Sicht hin des außen— W1rtschaftlichen Schutzes, wobei sie freilich gut beraten wären, die Isolation nicht auf die Spitze zu treiben , Birma gibt hier ein warnendes Beispiel. Vom Wertesystem her gesehen eignet sich die «Integration in die liberale Welt— Wirtschaft» also ganz gewiß für die metakonfuzianischen Staaten, nicht da- gegen für die anderen asiatischen Wirtschaftskulturen, die entweder zwi—