182 Asiatische Gesellschaften und Verhalten55tile schen «Neuer Weltwirtschaftsordnung» oder selektiver Abkoppelung zu wählen haben. Da die «NWWO», eine Art Schutz— und Trutzbündnis der Schwachen, mit ihrer Forderung nach neuen Spielregeln für die Weltwirt— schaft auf absehbare Zeit kaum durchdringen kann, bleibt nur der Abschot— tungsweg, wobei dem Staat als Organisator eine übermächtige Rolle zu- kommt. Die dritte Frage, die sich auf die Instrumentalisierung der soziokulturellen Traditionen für den Wirtschaftsaufbau richtet, ist im vorliegenden Zusam— menhang mit Abstand am interessantesten. Die Suche geht hier nach «kul— turverträglichen» Entwicklungsmethoden, die aus einer Kombination von Modernität und identitätserhaltender bzw. identitätsfördernder Kontinuität bestehen”. jede Innovationspolitik hat darauf zu achten, daß Neuerungen nicht in direkten Konflikt zu den überkommenen Werten geraten, daß ferner innovationshcmmende Elemente im Sinne der Tradition uminterpretiert werden und daß, drittens, innovationsadäquate Verhaltensänderungen her.- beigeführt werden. Wer also beispielsweise in einem islamischen Land wie Malaysia ein Sparkassenproiekt verwirklichen will, muß in seinen Uber- legungen nicht nur das nun einmal vorhandene Zinsverbot berücksichtigen, sondern hat darüber hinaus auch Anstrengungen zu unternehmen, um der betreffenden Bevölkerung die Einsicht in die Sinnhaftigkeit des Sparens zu vermitteln. Dieser Motivationswandel läßt sich u.a. dadurch erreichen, daß örtliche Autoritäten ihren Segen geben und als Vorbilder voranschreiten“. Ausgesprochen kontraproduktiv wirkt es, wenn die zentralen Regierungen aus Furcht vor Machtverlust eine solche «Regionalisierung» der Entwiclv lungspolitik verhindern (Näheres dazu oben S. 75). Auf ihrem Weg zur Herausentwicklung einer «kulturadäquaten» Wirt— schaftsstrategie besitzt jede Gesellschaft als Startkapital ein recht unter- schiedliches Modernisierungspotential. Das Sparen braucht in den metakon— fuzianischen Gesellschaften beispielsweise nicht erst erlernt zu werden, während es für die meisten Theravada-Gesellschaften ein Novum ist. (Hochkulturen mit einer überlokalen Großen Tradition sind im allgemeinen innovationsfähiger als parochiale Gesellschaften; haben sie doch bereits «darwinistische» Ausleseprozesse im Wettkampf mit anderen Lokalkulturen überstanden.) Was den Werte— und Innovationsvorsprung anbelangt, so gibt es zwischen den einzelnen asiatischen Kulturen ebenfalls beträchtliche Unterschiede. Mit Abstand am günstigsten im Rennen liegen, wie gesagt, die metakonfuziank schen Gesellschaften mit ihrem Leistungsbewußtsein, mit ihrem Sparwillen und ihrer Korporativität. Sie brauchen den Staat als Entwicklungsagentur “Ur kUrze Zeit. Am wohlsten fühlt sich ihre Wirtschaft in Einheiten, denen aus dem Transdanwei—Bereich Vorgaben gemacht werden, sei es nun in Form Vs_)n staatlichen Plänen oder überbetrieblich abgestimmten bürokratischen Elnzelmaßnahmen. Man wirft die Danweis ins Wasser — und sie Schwimmen Y 111. Wie asmnscbe Gesellschaften E‘Irts('1)11fw„ 183 nach kurzer Zeit von selbst. Auch in der VR China WO dr>' ein stalinistischer Steuerungsprozeß von oben Unheil ‘ln ‚““. —h h . man inzwischen zu der Erkenntnis zurückgekehrt dißii‘ml t.et atte, "“ unten ausgehen muß und daß der Transdanwci_ßi_rcidl le nit}i}ativehvpri Vorgaben liefern darf. Das neue Zauberwort heißt “Ve nur ra men a te Jahrzehnte lang . „ _ _ rantwortlichkeitss — stem», womit letztlich Danwe1—Autonomie gemeint ist Die D E- y » — ‘ anwe1- igen— initiative soll ferner nicht mehr, wie lan ve Ze „ . . , _ . . Teilpl'a'ne, sondern durch «indikative» Tliiiidtriii:f:fiiml durCh imperative .. _ .* och rahmenhaft einge- schränktbwerderä Gerne vergleicht man den Plan mit L‘inem Vogelkäfig den Mar ta er mit em Innenraum; während d) „ ‚ ‚ . ’ kartongröße zusammengestaucht worden, nL;\llljllrléllnrt Wär er auf SChi'lh— wachsen. Sogar das Mitte der achtziger lahreiniein . So ‚fer auf Hallengroße Krise steckende Vietnam dürfte sich wie ein Phonifr ““ in ertSChafthChen _ _ . aus t.er Asche erheben, sobald es sich einmal von den «unnormalen» St.tlii1istischen Vor vabe frei gemacht und zurück zur Danwei—Autonom1e gefunden hat % n 1 In den Vier anderen Kulturkre15en wird dagegen der Spur die Wirtschaft noch auf lange Zeit bin an der Hand führen müssen. da es dort 7umeist am inneren Antrieb fehlt, über die bloße Eigenversorgrme hinaus zu arbeiten Vor allem in den theravadabuddhistischen Bauern;pgelIschaftcn gilt Gewinn-i streben und Sparen ia nach Wie vor als anriicliig, Der Sangha allerdings ist gegenuber den Herausforderungen der Moderne keineswegs untii'tig geblie- ben, sondern hat in zweifacher Weise reagiert. nämlich durch Entfachung eines antikolomalen Widerstands sowie durch den Entwurf eines «buddhisti— schen Modernismus»”, der nachzuweisen versucht. daß hochmoderne — und angeblich europäische — Erfindungen in der klassischen Lehre Gautamas ja doch längst vorweggenommen worden seien, so zum Beispiel die Atomphy— Sik oder die moderne Psychologie; ferner sei die l‘orderung nach (2ewaltlosig— keit (ahimsa) schon 2000 Jahre vor der heutigen Menschenrechtsdiskussion erhoben worden, gar nicht zu reden von dem in der buddhistischen Praxis angelegten Eriedensgedanken. Solche Neuinterpretationcn sind allerdings Stückwerk geblieben und haben vor allem keine kulturadliquaten Deutungen fur die Legitimierung modernen Wirtschaftens geliefert. Und doch gibt es ein sozmökonomisches Modell, das über zooojahre alt ist, nämlich den Ashoka— Staatsbuddhismus, in dem die Bürokratie maßgebende Steuerungsfunktionen ausübt (Näheres dazu oben 5. 145 f.). Da die Bauern auch heute noch «Regen und Sonnenschein von den Beamten erwarten», erschicne ihnen die \X’ieder— belebung eines solchen Wohlfahrtsstaates alles andere als anomal. Allerdings Verbinden sich mit ihm drei Gefahren“. Erstens das Lähmungsrisiko. Ein warnendes Beispiel hierfür gibt das Gey— 1On_der sechziger und siebzigerjahre ab, Unter l\linisterpräsidentin Bandar— ana1ke wurde damals fast die ganze Wirtschaft verstaatlicht und eine Politik des «kostenlosen Reises für jedermann» eingeführt, die katastrophale Haus— haltslücken riß, den Durchschnittsceylonesen in seiner ohnehin passiven