184 Asiatische Gesellschaften und Verbaliensstile Haltung noch zusätzlich bestärkte und ein unternehmerisches Vakuum hin— terließ. Weitere Sozialisierungsschritte waren die Begrenzung des Grundbe— sitze5 auf 5° Acres pro Familie (1974) sowie auf ein «Haus» pro Familie, die Limitierung des verfügbaren Einkommens auf monatlich 2000 Rupien pro Person, die Verlängerung des Zwangssparens und die Verstaatlichung aller Plantagen (1975). Das Wohlfahrtsprogramm bescherte der Regierung bei den «Réswahlen» von 1970 zwar berauschende Erfolge‚ führte aber zu mi— serabler Versorgungslage, galoppierender Inflation und bedrückender Ar— beitslosigkeit. Das Bandaranaike-Experiment ist gescheitert, aber nicht weil es grundsätzlich falsch war, sondern weil es zu einseitig, d. h. ausschließlich von oben, durchgeführt wurde, ohne daß man sich bemüht hätte, gleichzei— tig auch die Eigeninitiative von unten zu beleben. Die zweite Gefahr besteht in der drohenden Korrumpierung des in einem «Ashoka—Staat» übermächtigen Beamtentums. Freilich gibt es hier ein tradi- tionelles Linderungsmittel, das langfristig durchaus wohltätige Wirkung ausüben könnte, nämlich die Deutung sozialpolitischer Maßnahmen als «Verdienst»bringendes Tun mit entsprechenden karmischen Folgen zugun— sten lauterer Amtsträger. Man muß sich überhaupt wundern, daß von dieser urbuddhistischen Rechtfertigung bisher in der Praxis so wenig Gebrauch ge— macht Wurde! Das Credo der Keynesianer heißt «Wohlstand kann organi— siert werden». Dies müßte — und zwar aus religiös—ethischen Gründen — erst recht für einen Buddhisten gelten! Drittens kann der staatlich verankerte Buddhismus die nichtbuddhisti— schen Minderheiten vor den Kopf stoßen. Einen möglichen Ausweg hat hier der frühere birmanische Ministerpräsident U Nu gewiesen, nämlich die Ge— Währung von Teilautonomie. Wer sich mit einem solchen Gedanken nicht anfreunden kann, hat den hohen Preis iahrzehntelanger militärischer Ausein— andersetzungen zu zahlen, wie er von der Regierung Ne Win, sehr zum Schae den des birmanischen Wirtschaftsaufbaus seit 1962 erbracht werden mußte. Auch in den islamischen Ländern Südostasiens bleibt der Staat als Ent— wicklungsagentur noch auf lange Zeit unentbehrlich. Wie oben 5.98f. be? reits ausgeführt, werden obrigkeitliche Interventionen im Rahmen des BIMAS-Programms («Grüne Revolution») den Dörflern vor allem unter dem Siegel der «Zusammenarbeit» (gotong royong) «verkauft». Ein mögliches Heilmittel gegen die Bürokratisierung der Entwicklungs- politik Wäre die fiduziarische Einschaltung regionaler Patronage- und Seil— schaftsgruppen (zum Bapak/Anak—Verhältnis siehe oben S.74f.)‚ doch ist Jakarta aus Machtverteilungsüberlegungen vor solchen DezentralisierungS- ansätzen bisher zurückgeschreckt. _Was die Instrumentalisierung islamischer Lehren für die moderne Ent- W1Cklung anbelangt, so gibt es hier seit dem Ende des 19.]ahrhunderts eine Tradition, deren geistige Väter, die beiden Kairoer Rechtslehrer Dajamal al- Afgham und Muhamad Abduh, in der malaiischen Welt mehr Echo gefun» [I]. Wie asiatische Gesellschafiml tt'irisehafren 185 den haben als in ihrem eigenen Land. Afghani lehrt ‘ h" d W d _ e ein ochst modern an— muten es ertesystem, as, Wie er betonte, kci„„chq westli h Ur . _ . » . c en — sprungs sei, sondern aus der Schatztruhe des Islam stamme auq der übri ens auch die I".uropäer ihr Wissen entnommen hätten I“ kl d \ g - I‘hld’ . 'l . h __ __ -4F e1 etefernergenum west lC e een in is am1.sc e Termini und lieferte d ' d .. . d . . d _, . . _ amit en glaub1gen Mo— hamme anern in N1e erland15ch—Ind1en das Kim] ‘“‘h -. f d" K l . „ \ ‘ 0t,15t e Rustzeug zum Kamp gegen lt. 0 on1almachte. Im Gegensatz zu Afghani em f hl Ab . . . . ' 4 a ' dub, mit offenem V151er vorzugehen, also westlich‘ M P . W' k . _] \ t 1 ethoden und west— liches issen unver leidet zu ubernehmen und *lei‘h- - ' d _ . , . .L‚ L Le1t1g den Islam von allen mo ermsierungsfemdhchen Elementen und P k ‘k ' ' 'd L h h _ „ „ _ ra ti en zu reinigen. Bei e e rer atten also dieselben Ziele, naml1ch den. " ' ' ' h { d d‘ "b _ . ' ant11mper1aliSt15c en Kamp un 1e Bei ehaltung «mushm1scher Substanz» h" d ' h voneinander aber in der Taktik ins f Af " 1 "unter“ 1e en Slc 'slamisierte und dam‘t d l'ih KO Lm‘ glmm wcs{lldws Gedankengut 1 1 «ver au ic er . ‘ > " > " der is]amithen 5 b t d‘ H » n1acntt, wahrend Abduh zur Starkung (( . u ‘ ‚ > ‘ ‘ ’ . r )- ' _ " 5 am» it 0 ene Übernahme westlicher Methoden fur durchaus akzeptabel hielt. Auf besonders fruchtbaren Boden fiel der neuinterpretierte Islam vor al- lem bei der kaufmännischen Mittelschicht Indonesims, die sich 1911 gegen die niederlandische und auslandch1ne515che Konkurrenz zu einem Notbünd— ms zusammenschloß, das unter dem Namen «Sara-kat I)agang Islam» (Ge— sellschaft der muslimischen Kaufleute) in die Geschichte einging und zur er— sten gesamtnanonalen Organisation Indonesiens sowie 1911 auch zu einer . . . ‘ . . . . ‘ politischen Partei wurde“. Mit seiner positiven Bewertung der Industrie und des Privateigentums w1rkte der islamische Modernismus zugleich auch als Kristallisationskern für ein bis heute allerdings marginal gebliebenes indone515ches Unternehmertum“. Auf die Auslegungstradition Afghanis zuruckgehen durfte u.a. auch die Uminterpretation des Gotong—rovong— Begriffs zur Rechtfertigung von Staatsinterventionen. Iis wäre für die indo- ne51sche Regierung ein leichtes, mit zusätzlichen neuinterpretierten Islam- Begr1ffen das Bewußtsein der Bevölkerung zu besetzen und über diese «Mei- nungsfuhrerschaft» auch wiederum den Zugriff auf die politische Macht zu verstarken; doch Würde sie mit einer solchen lslamisierungspolitik ihren ei— genen Grundsatzen zuwider handeln, die ja, wie oben ausgeführt, in der uberkonfessmnellen PancasilaÄ/erfassung verankert sind. Wohl am schw1erigsten gestaltet sich die Iintwicklungspolitik in der Indi— schen Union. Hier gibt es einerseits die erwähnten Business Communities, dle «Weltmveau» besitzen, Eigeninitiative entwickeln und auch internatio— naler Konkurrenz standhalten können. Sie bedürfen der staatlichen Hilfe nur am Rande. Ganz anders die breite, noch in Kastenregeln eingebundene Bauern- und Handwerkerbevölkerung, die, wenn überhaupt, nur durch den Staat aus ihrer traditionellen Verkapselung herausgelöst werden kann. Dazu äber bedürfte es, wie das politische System Indiens nun einmal gelagert ist, Cr Mithilfe selbstloser‚ «patriotischer» und der «gemeinsamen Sache» ver—