Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile 193 ich sei ein Schmetterling und schwirrte ohne Sorgen umher, ohne zu wissen, daß ich Zhuang Zi sei. Aber plötzlich erwachte ich und war da — der le1bhaf— tige Zhuang Zi. Ich fand es schwierig zu sagen, ob ich nun Zhuang Zi sei, der geträumt hatte, er sei ein Schmetterling, oder aber ob ich nicht ein Schmetterling war, der geträumt hatte, er 561 Zhuang Zi.» An das mdische «Maya» erinnert sein folgendes Gleichnis: «Wenn ein Mensch an einem feuchten Ort schläft, bekommt er Rücken— und Gliederschmerzen. Gilt dies aber auch für eine Schmerle? Wenn er auf einem Baum sitzt, hat er Angst und zittert vor Furcht, aber gilt dies auch für einen Affen? Wer von diesen drei Lebewesen weiß schon, welches der schönste Ort zum Leben ist? Die Menschen essen Reis und Gemüse, Rehe fressen Gras, Maden bevorzugen Schlamm und Raubvögel Mäuse. Welches von diesen vier Lebewesen weiß schon, welches die köstlichste Speise auf Erden ist? Die Menschen behaup— ten, daß die Damen Mao Qiang und Li die schönsten Frauen der Welt seien; ein Fisch freilich würde bei ihrem Anblick sogleich auf den Grund des Flus— ses tauchen, ein Vogel augenblicklich davonfliegen und ein Hirsch das Weite suchen. Welches von diesen drei Lebewesen weiß schon, was Schönheit wirklich ist?» Jede Erscheinung unter dem Himmel drängt sogleich zu ihrem Gegenteil und ist daher einem ständigen Wandel unterworfen » ähnlich dem Zu— und Abnehmen des Mondes; es gibt nur ein Qi («lebendige Kraft»), das sich für einen Augenblick zur Materie konzentriert und dann sogleich wieder zer- fließt. Was bedeuten angesichts dieses ständigen Wandels und endlosen Ge— genspiels schon konventionelle Werte « vor allem aber der merkwürdige konfuzianische Ritualismus; ist doch z.B. der Leser dieser Zeilen bereits eine andere Person als diejenige, die er war, als er den Absatz zu lesen be— gann. Zu einer ähnlichen Einstellung führte in japan der Während der kriegeri— schen Kamakura—Periode (1185—1333) zur Blüte gekommene Zen-Buddhis— mus, der die Einheit von aktiver Lebenshaltung im Diesseits und mystischer Transzendenz sowie die Übergangslosigkeit vom Leben zum Tod predigte und zur Lebensphilosophie einer Klasse wurde, die bis ins i9.jahrhundert hinein den Ton angab, nämlich der Samurai. Für einen Schwertträger, dem der Tod stets vor Augen stand, mußte folgende Lehre höchst einleuchtend erscheinen: «Es ist ganz falsch zu denken, daß du dich einfach von der Ge- burt bis zum Tod bewegst. Geburt ist aus buddhistischer Sicht nur ein Durchgangsstadium vom Vorausgehenden zum Nachfolgenden und kann deshalb auch genannt werden. Dasselbe gilt für den Tod und die