04 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile z heres zu den Festen unten 5. z37ff.). Von seinem Zeitverständnis und der damit verbundenen Lebensintensität her war der traditionelle As1ate also weniger ein Homo faber als vielmehr ein Homo fest1vus. Gaehicbtsscbreibung als Beschwömng ewiger Gegenwart Geschightsschreibung im modern-westlichen Sinne hat es in Asien nie gege— ben. Dies lag nicht nur an einem unterschiedlichen Zeitbegriff, sondern auch an differierenden Auffassungen über den Stellenwert der Historie. Die Chi— nesen leisteten sich zwar seit der Tang—Zeit eigene Historiographenlimter, doch hatten diese nicht so sehr die Aufgabe, einen Ereignisfilm herzustellen, sondern vielmehr darzulegen, warum die jeweilige Dynastie ihr himmlisches Mandat so vorbildlich erfüllte und warum das vorausgegangene Himmels— mandat verlorengegangen war. Neben der Legitimation diente «Geschichte» auch als Handreichung von Beamte zu Beamte mit dem Ziel, Präzedenzf'a'lle für die Lösung praktischer Fragen anzubieten. Ob ein «modellhaftes» Ge— schehen sich um goo vor oder um 1500 nach Chr. ereignet hat, spielte hierbei keine Rolle. Der Einzel—«Fall» wurde aus seinem konkreten historischen Zusammenhang herausgelöst und, einem Modul gleich, zu heuristischen Zwecken jeweils mitten in die Gegenwart hineingestellt. Aus der Sicht west— lichen Geschichtsverständnisses hat Marcel Granet also durchaus recht, wenn er die Historiographie des alten China als eine Abfolge «ebenso genia— ler wie gelehrter Fälschungen» bezeichnet. Piel ein Politiker in Ungnade, so wurde er aus den Listen einfach gelöscht oder aber zu einem negativen Mo— dell umgearbeitet. Diese «baobian» — gleichsam ein historischer Palimpsest auf chinesisch — wurde ergänzt durch eine Modulisierung von Handlungs— situationen oder Akteuren, so daß chinesische Historiographie sich wie ein Lagerhaus von Präzedenzfällen und historischem Case Law ausnimmt. Die Gliederung der Geschichte erfolgte nach Zweierzyklen (= Wechsel zwif schen «Schlichtheit», zhi, und «Verfeinerung», wen), Dreierzyklen (Him— mel — Erde ‚ Mensch), Viererzyklen (vier ]ahreszeiten), Fünferzyklen (<