210 Asialischt‘ Gesellschaften und Verhaltensstile e) Ganzheitliche Kommunikation: Nicht logisch, sondern symbolisch Während man im Westen direkte und präzise Auskünfte sowie logische Dar— legungen im Sinne genauer Axiome, Begriffe, Urteile und Schlüsse zu schäe zen weiß, bedienen sich die meisten Asiaten lieber des Symbols, d.h. eines Worts, einer Zahl oder eines Bildes, das mehr aussagt, als man auf Anhieb erkennen kann, das verhüllt und zugleich offenbart, das also in. a. W. immer einen unübersetzbaren Rest zurückbehält“, wie ja die Eigenart des Symbols überhaupt darin besteht, daß es sich an den ganzen Menschen wendet, nicht nur an seinen Verstand. Von außerordentlicher Bedeutung ist die Symbolik in der konfuzianischen Kultur. Entsprechend dem zutiefst optischen Verständnis der Chinesen, ja— paner oder Koreaner überwiegen die Formsymbole, angefangen vom Men» schen über Tiere und Pflanzen bis hin zu Naturphänomenen wie Wolken, Regen und Tau. Unter den Menschendarstellungen ragen vor allem die fünf mythischen Urkaiser und die zahlreichen Gelehrten und Krieger hervor, die im Laufe der Zeit zu Göttern und Schutzpatronen erhoben wurden. In der Fauna spielen vor allem die fünf heiligen Tiere (Drache, Einhorn, Schild- kröte, Phönix und Kranich) oder aber die «fünf giftigen Tiere» (Spinne, Fi dechse, Tausendfüßler, Schlange und Kröte) eine vielsagende und magische Rolle. Vielfältige Bedeutung in der Pflanzenwelt kommt der Päonie (Symbol für Reichtum und Vornehmheit) zu, dem Pfirsich (Langlebigkeit, ja Un— sterblichkeit), dem Bambus (Standhaftigkeit), der Kiefer (langes Leben und Beständigkeit) sowie dem Lotos — man denke an die «Acht buddhistischen Kostbarkeiten». Neben dem Formsymbol unterscheidet Eberhardl7 noch Laut— und Fi genschaftssymbole. Für die ersteren ist das Beispiel der Fledermaus charak— teristisch, die fast überall, sei es nun auf Bildern, im Schnitszrk oder auf Tapeten, dargestellt wird und die genauso ausgesprochen wird («fu») wie das «Glück». Für Eigenschaftssymbole steht der Adler, der Stärke bis ins hohe Alter bedeutet. Die meisten Symbole Chinas beziehen sich auf säkulare Wünsche, nämlich nach Glück, Reichtum und langem Leben (Formel «fu lu shou»), nach Gesundheit, nach Ansehen und nach Söhnen. Ganz anders in der hinduistischen, theravadischen oder gar islamischen Welt: Hier treten überall jenseitsbezogene Symbole zutage, sei es nun, wie im Hinduismus, die unüberschaubare Fülle von Gottheiten (bzw. tieren Verkörperungen), sei es, wie im Buddhismus, die nie abreißende Vergegen— Wärtigung Buddhas, der zwölf Stationen seines Lebens und der 500 Statio» nen seines Vorlebens, oder aber, im Islam, die reiche Ornamentik, vor allem aber ein filigranhaft entwickelter, hochsymbolischer Ritualismus, etwa die Waschung vor dem Gebet, das Ausziehen der Schuhe vor Betreten des Ge— betsorts, das Ausbreiten des Gebetsteppichs, die nach Mekka gerichtete Gebetsnische, die kunstvoll kalligraphierten Schriftbänder, die mit ihren IV. Wie Asiaten den/een 2 I I Koranversen ganze Kuppeln üb\erziehen‚ und nicht Zuletzt die Fülle des Lichts, das absichtsvoll in den Gebetsraum gelenkt wird und göttliche Er- leuchtung versmnb11dltchen soll. Auch Flaggen, Banner, Halbmonde und die grüne Farbe des Propheten smd voll mtt]enseitsverwcisen_ Von beträchtlicher Bedeutung ist auch die Farben— und Zahlensymbolik_ Farbensymbole zählen vor allem im Hindu1smus: Der Heilige Weltenberg Meru ist im Osten weiß, im Süden gelb, im Westen schwarz und im Noran rot; dies entspricht den Farbensymbolen der vier indischen Kasten, nämlich dem Weiß der Brahmanen, dem Rot der Kshatriyas, dem Gelb der Vaishiyas und dem Schwarz der Shudras. Ferner gab und gibt es fünffarbige Faden 7,u magischen Zwecken und fünffarbige Amulette; die Körperteile bestimmter Götter oder Dämonen werden mit jeweils fünf verschiedenen Farben ausge— malt, z.B. mit Rot die Hand— und Fußflächen, mit Schwarz die Haare, mit Gelb die Haut, mit Blau die Waffen und mit Weiß die Gewandung“. In China steht Schwarz für Schlecht und Rot für Gut, vor allem im Wort— schatz der Kulturrevolution: die «Rote Sonne» (: Mao Zedong), das «Rote Buch», die «Roten Garden»; das Denken soll sich «roten» usw. Andererseits gibt es «Schwarze Bücher», «Schwarze Versammlungen» oder «Schwarze Filme». Auch die Zahlensymbolik ist aktuell wie eh und je. Hier einige Beispiele aus der VR China: — Es gibt die Drei Demokratien (politisch, wirtschaftlich, militärisch), die Drei Ungleichheiten (Kopf/Hand, Stadt/Land und lndustrie/Landwirtschaft) und die Drei Roten Banner (Kampagne von 1958). - Ferner die Vier Modernisierungen (Landwirtschaft, Industrie, Militär, Wissenschaft), die Vier Plagen (Ratten, Spatzen, Fliegen, Moskitos) und * die «Viererbande». — Die «Fünf Garantien» (Sozialgesetzgebung auf dem Land: F‚ssen, Klei— dung, Wohnung, Ausbildung, Bestattung), die Fünf Übel (Bestechung, Steuerhinterziehung, Diebstahl von öffentlichem Eigentum, Herstellung minderwertiger Waren, Wirtschaftsspionage), die «Fünf Verbesserungen» etc. — Die Sechs Regeln (der Kriegskunst). — Die Sieben Arten von Konterrevolutioniiren. — Die Acht Verbesserungen in der l.;mLlwlrtscll.lftst€lllfllh, die Neun Kom— mentare (zur Kritik am Sowietrevisionisinus) und die Zehn Großen Bezie— hungen (Systematisierung der Hauptspannungspunkte im chinesischen Po- litsystem). Auch im hinduistischen und islamischen Denken sind Zahlensymbole von überragender Bedeutung, im Hinduismus vor allem die Drei, die Sieben und die Fünf. Am populärsten ist die (‚}i7tterdreiheit (Trimurti) Brahma, Vishnu Und Shiva. Shiva wird manchmal dreiköpfig dargestellt und, ebenso übrigens wie Buddha, dreiäugig. Drei Feuer waren zum Vollzug des altertümlichen