212 Asiatische Gesellschafter; und Verhaltenssfile Soma-.Opfers erforderlich (das Soma—Elixier wurde aus dem Saft einer in den Bergen gedeihendcn Rhabarberpflanze gewonnen und rief heiliges Delirium hervor), und mit drei Schritten hat Vishnu das Weltall durchmessen. Aus siev ben Weltschichten baut sich der Kosmos auf, die Mittelwelt besteht aus sie- ben kreisrunden Kontinenten und sieben sie trennenden Ringmeeren; unter— halb der Erdscheibe liegen die sieben Unterwelten; sieben Rosse ziehen den Wagen des Sonnengottes, sieben Hauptpriester sind zur Darbringung eines Soma—Opfers erforderlich, aus sieben Grundstoffen besteht die indische Heilkunde, und siebenfach auch sind die Träume des Menschen. Weitaus am häufigsten aber taucht, wie in China, auch in Indien die Zahl Fünf auf. Es gibt die fünf Elemente, den fünffachen Lebenshauch, die fünf Bäume (meist Feigenarten), die fünf Produkte der Kuh, die fünf Gerüche (Kampfer, Aloe, Moschus, Sandel, Kakkola), die fünfjuwelenarten‚ die fünf Heilwurzeln, die fünf ärztlichen Diagnosen u.dgl. Fünf Personen sind mit der Leitung einer Kaste betraut (sog. «I’anchayat»). Fünf Mondtage werden zu einer Fünferwoche zusammengefaßt, und sakrale Feiern pflegten seit une vordenklicher Zeit fünf Tage zu dauern”. Im modernen Indonesien wurden die Fünf Grundprinzipien (Pancasila) zum verfassungsrechtlichen Anker sowohl der Alten als auch der Neuen Ord- nung (Näheres dazu oben 5. i36f.). Bei der Konferenz von Bandung (1955) wurden die «Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz» zu einem Hauptin— strument der Außenpolitik erklärt. I"ünffach auch sind die Grundpfeiler des Islam, darunter die täglichen fünf Gebete (Näheres dazu unten 5. 244). Es ist vor allem diese Welt der Symbolik, die beim westlichen Betrachter das Gefühl des «Geheimnisvollen» hervorruft und die viele Asiaten als «unv durchschaubar» erscheinen läßt. Der Nebel lichtet sich allerdings, sobald man einmal die Symbole kennengelernt hat und ihren Einsatz «versteht». Dann erscheinen sie nämlich als durchaus praktisches Instrumentarium für den Umgang zunächst einmal mit übersinnlichen Mächten, die gepriesen und verehrt, aber auch um Gnade angefleht, ja bisweilen höchst berechnend manipuliert werden! Der in der Religion allgegenwärtige Symbolismus wirkt z.T. aber auch auf das Alltagsverhaltcn zurück und führt hier zu einer Kultur der Andetr tungen und des leisen Sprechens, die für den an «Direktheit» gewöhnten Eu» ropäer nicht immer leicht aufzuschlüsseln ist. So kann es beispielsweise vor kommen, daß ihm wichtige Mitteilungen von seinem Gastgeber erst am Ende eines mehrstündigen Abendessens ‚ und dann vielleicht auch noch in einem Nebensatz gemacht werden; manchmal werden Geschenke über reicht, deren rote oder weiße Farbe bereits bestimmte Wünsche ausdrückt. Der frühere Außenminister Kissinger wurde bei der Anbahnung der chinth 51_5Ch-amerikanischen Beziehungen Ende 1971 von Zhou Enlai im Fujiark %lmfper der Großen Volkshalle empfangen, also im Symbolraum eben jener rov1nz, die der Insel Taiwan direkt gegenüber liegt. Andeutcnden Charak— IV. Wie Aszaten densz 2 13 ter hat auch eine Fülle von Sprichwörtern, wie sie in Asien gerne jedem Ge— spräch beigeflochten werden. f) Nicht zergliezlernd, sondern ganzheitlich Das asiatische Denken steht nicht vor oder über den Dingen (d_ h_ der Ge— sellschaft, der Natur und dem chrsinnlichen), sondern versucht, zu ihnen zu bleiben. Daraus ergibt sich ein ganzheitlicher Ansatz, wie er auf S. 38{f. beschrieben wurde. 3, Unterschiedliche Denkweisen: China und Indien Neben den oben geschilderten Gemeinsamkeiten soll nun noch die Spann— weite unterschiedlicher Denkansätze ausgelotet werden, wobei sich China und Indien als Gegenpole anbieten, zwischen denen die Denkmuster ande— rer Völker auf einer gleichsam gleitenden Skala liegen. Nimmt man die (iegensatzpaare abstrakt/konkret, allgeinein/individuell, statisch/dynamisch—dialektisch, innen/außen sowie diesseits/jenseits—orien— tiert als Grobraster, so ergibt sich für das indische Denken folgender Be— fund, der zugleich ein Kontrastbild zu China liefert: Bevorzugung des All— gemeinen, Abstrakten und Utopischen auf Kosten des Besonderen, I\'onkrtk ten und Praktischen; der Einheitsidee auf Kosten des Individuellen; des Statischen auf Kosten des Dynamisch—I)ialektischen; der inneren Reflexion auf Kosten äußerer Konformität und des Uber-natürlichen auf Kosten des Naturhaften. Das chinesische Denken läuft, wie gesagt, bei all diesen fünf Positionen jeweils ziemlich genau auf das Gegenteil hinaus. Andererseits kommen sich beide dann überall dort Wieder nahe, wo es um «Harmonie», Toleranz oder Hierarchie geht. Die hier festgestellten Gegensätze ergeben sich zunächst einmal ganz schlicht aus Befunden der Großen Tradition. Sie sind aber, wie Nakamural0 nachzuweisen versucht, keineswegs nur Resultat eines Zufalls, sondern not- wendige Deduktionen aus jeweils grundverschieden angelegten Sprach— mustern — womit ihnen übrigens auch Dauer beschieden wäre. Der Drang des Chinesischen zum Bild, zur konkreten Aufschlüsselung abstrakter Tat— bestände und zum Symbol ergibt sich aus dem iahrtausendelangcn Umgang mit Bildzeichen, die beträchtliches Iiigenleben entwickeln Das Sanskrit andererseits, das vielen modernen indischen Sprachen zu— grunde liegt, fordert zur abstrakten Stilisierung geradezu heraus: Da ist zu— nächst einmal die typische Verwischung einer Eigenschaft mit dem Träger dieser Eigenschaft: Prinz Sakyamuni hatte die «Erleuchtung» gewonnen (buddha) und damit einen «Sieg» errungen (lim); damit wurde er als «Er— leuchtung» (Buddha) und «Sieg» (]ina) personifiziert — ähnlich wie man etwa