220 Asiatische Gesellschaften und Verbaltenssrile gleichnamigen Luxuskette, Anfang der siebziger Jahre wegen lokaler Uber— kapazitäten in eine geschäftliche Pechsträhne hineingeriet, konsultierte das Management in seiner Not einen «Wind-Wasser»(fengshui)—Spezialisten, der die Ursache des Unheils schnell herausgefunden zu haben glaubte: Liege doeh die Eingangsfront des Hotels mitsamt dem Kassenraum nicht nur, allen Feng— shui—Regeln zuwider, nach Norden hin, sondern sei zudem durch eine riesige Glasfront abgeschirmt; kein Wunder, daß die zumeist aus nördlicher Ricl ‚ tung angreifenden Dämonen ohne Mühe durch die Eingangsfront eindringen und die Kassen leerr'dumen könnten Die Empfehlung des Geomanten an die Architekten lautete, die bisher in glatter Front verlaufende gläserne Eingangs— fassade neu in «Zighharmonika»—Form anzuordnen, vor die Eingangspforte eine Geistermauer in Form von Springbrunnen und Blumenarrangements zu setzen und im Speisesaal ein nach altchinesischem Muster angefertigtes, etwa acht Meter langes Holzboot mit der Inschrift «Sichere Reise» zu installieren. Mit dem Hyatt—Hotel ging es nach Durchführung dieser viele Millionen Dol— lar verséhlingenden Reparaturen steil wieder aufwärtsf Was in Singapur der (ieomant, ist im benachbarten Malaysia der Bomoh (Medizinmann), der, ähnlich wie in Shakespeares Sommernachtstraum, «verzaubern» oder aber Dämonen vertreiben kann. Die Football—Associ— ation of Malaysia beschäftigt regelmäßig einen Bomoh, der dafür sorgt, daß während der Spiele kein Regen aufkommt. Während des Wahlkampfs in Sa rawak (Ostmalaysia) beschuldigten sich im juli 1985 die beiden Haupt- bewerber um den Posten des Ministerpräsidenten in offenen Briefen an die «Sarawak Tribune» gegenseitig des Bomohismus, also der Zauberei: Insbe— sondere wurde der amtierende Ministerpräsident Taib Mahmud angepram gert, er konsultiere regelmäßig einen lokalen Bomoh in der Stadt Kuching, den er als Verkörperung eines bereits vor mehreren hundert jahren gestorbe- nen Urahnen anspreche. Ein solches Verhalten sei «shirik», d. h., es verstoße gegen die Grundprinzipien des Islam, nämlich an etwas anderes zu glauben als an Allah. Der Angeschuldigte leugnete seine Kontakte mit dem Bomoh keineswegs, zeigte sich jedoch darüber empört, daß man auf diese Weise «in sein Privatleben ei11tlri11gt'>>5. Noch wichtiger als Talismane und Abwehrrituale sind die verschiedenen Formen der Wahrsagung, mit denen man sich in angstbesetzten Situationen und im Gestrüpp der Da'monie am besten zurechtfinden zu können glaubt. Astrologiegläubigkeit ist ja häufig Folge einer Ich—Schwäche sowie des GL” fühls, ausgeliefert zu sein. Keine Straße in irgendeiner asiatischen Stadt, wo nicht wenigstens zwei oder drei W'ahrsager ihre Dienste anböten. Als beson» ders zuverlässig gilt das Lesen der Handlinien, bestimmter Gesichtslinien oder aber die astrologisch fundierte Zukunftsaussage. In nahezu jeder Zeif tung oder Zeitschrift sind Belehrungen über das richtige Lesen von Hand— linien abgedruckt. Auch die meisten Politiker bedienen sich eines Astrologen, selbst wenn sie dies vor der Öffentlichkeit nicht gern zugeben. Der Mini— V. Was Asiaren glauben: Religion und Frömmigkeit 221 sterpräsident von Singapur, Lee Kuan Yew, Absolvent britischer Schulen und bekannt für seine Modernisierungspolitik, konsultiert angeblich regel— mäßig einen Astrologen in Sri Lanka. Vollends astrologiehörig War vor allem Lou Nol, der Staatspräsident der ehemaligen “Khmer—Republik» (1970—1975). Bekanntlich war auch der Zeitpunkt der indischen Unabhän- gigkeitserklärung, die um Mitternacht zwischen dem 15. und 16.August 1947 erfolgte, auf astrologisches Anraten festgesetzt worden. Auch die erste indische Atombombe wurde zu einem astrologisch günstigen Zeitpunkt ge, zündet. Will schon die hohe Politik nicht auf solche «transzcndentalen» Hilfsmittel verzichten, so erst recht nicht der kleine Mann, der vor jeder Aussaat und vor Antritt jeder Reise, ja vor jedem für ihn wichtigen Ereignis sicherheitshalber einmal beim Wahrsager oder Handleser vorbeischaut Auch in einer_hochmodernen Stadt wie Taibei gibt es rund 20000 Speziali— sten für das «Ubernatürliche». Besonders gut leben sie vom Vertrauen in ihre Fähigkeit, feststellen zu können, ob ein junges Paar zueinander paßt. Schlechte Chancen hat hier ein Mädchen, das 1966 geboren wurde; denn na— hezu katastrophal ist die auf dieses jahr fallende Konjunktion von «Feuer, Pferd und Yang». Eine wichtige Magiefunktion besitzen auch Zahlen, vor allem, wie oben (5. 211 ff.) erwähnt, die 3, die 5 und die 7. Cantonesisch sprechende Unter— nehmer in Südostasien sind bereit, für eine Lizenznummer mit der Zahlen— kombination 138 oder 2328 Unsummen zu zahlen. 138 klingt in der canto— nesischen Aussprache («Yat sung fat») phonetisch so ähnlich wie «wohlha— bend und günstig». Die Aussprache von 2328 klingt wie «Yee sung yee fat», was soviel heißt wie «Wachstum und Wohlhabenheit kommen leicht». In der Politik von Ferdinand Marcos kam den Zahlen 7, 11, 17 und 21 ebenfalls ein offensichtlich magischer Stellenwert zu, Marcos rief das Kriegsrecht und die Geburt der «Neuen Gesellschaft» am 21.September 1972 aus; am 7‚April 1981 hob er das Kriegsrecht wieder auf und verkündete eine Volksabstim— mung. Nach seiner Wiederwahl ließ er sich erst um 7 Uhr abends vereidigen, obwohl dies nach der Verfassung eigentlich bereits am Nachmittag hätte ge— schehen müssen. Schriftstücke, die aus seiner Feder stammten oder für sei— nen Gebrauch abgefaßt waren, enthielten stets 7 oder 17 Kapitel. Der frü— here Handelsminister Luis Villafuerte überschrieb das von ihm herausgege- bene Handelsprogramm, in dem ua. auch die «11 Industrien» behandelt waren, mit dem Titel «7 on 7». Imelda Marcos sorgte dafür, daß die Provin— zen der Republik Philippinen von 66 auf 77 angehoben wurden“. Auch an— dere Staatsmänner haben gesunden Respekt vor dem «Ubersinnlichen». Der frühere indonesische Präsident Sukarno beispielsweise ließ einen Korre— spondenten der «TIME» des Landes verweisen, obwohl dessen kurz vorher in der Ausgabe vom 10. März 1958 erschienener Artikel Indonesien und sei— nen Präsidenten in ein durchaus vorteilhaftes Licht gerückt hatte. Nach den Gründen der Ausweisung befragt, wies Sukarno empört auf das Titelbild der