222 Asiuzzxcbe Gesellschaften und Verbaltensstile TIME hin, das sein Portrait zeigte — von Sorgenfurchen durchzogen, mit ei— ner Überfülle von Grimtönen und Runzeln und das Ganze noch dazu vor einem dämonisch belebten Hintergrund! In einem Malaien wie Sukarno, der in einer animistischen Kultur aufgewachsen war, hatte das Bild offensichtlich tiefes Unbehagen hervorgerufen. Man habe ihn, weiß ein Gesprächspartner Sukarnos zu berichten7, als «Ungeheuer» und Dämon dargestellt. Überdies gewährt man den Halbgöttern und Dämonen der Umgebung freundlich Aufnahme, indem man beispielsweise, wie es vor jedem thailän— dischen Haus oder Hoteleingaflg zu geschehen pflegt, Geisterhäuschen auf« stellt, um der Anima dort Gastfreundschaft zu erweisen, oder indem man, wie in japan, eigene Firmensdueine errichtet, in denen besonders häufig Inari, also die in Fuchsgestalt erscheinende Reisgöttin, verehrt wird. Etwa ein Viertel aller japanischen Großfirmen, unter ihnen Mitsubishi, haben sich Inari als Schutzgöttin gewählt, da sie dem Geschäftserfolg besonders günstig sei. Andere, Wie Hitachi oder Nippon—Oil, verehren dagegen die Gottheit des Ortes an ihrem Hauptverwaltungssitz. Eine dritte Gruppe wählt sich tä— tigkeitsspezifische Kami (Geister) aus, so z.B. die japan Mining Company eine Berggottheit, eine Reihe von pharmazeutischen Unternehmen Kräuter götter und die Autofirma Toyota zwei Kami, die seit altersher Verbindung mit dem Element Eisen haben. Häufig findet am Gründungstag des Unter— nehmens sowie am jahrestag des verehrten Kami ein Betriebsfest statt, bei dem die Geschäftsleitung als kollektiver Zeremonienmeister fungiert, bei dem ferner Shinthriester den Schutz der Gottheit herbeiflehen und bei dem traditionelle Tänze sowie Sumod(ingkämpfe das Rahmenprogramm abgeben. Der Animismus weist freilich keineswegs nur panasiatische Gemeinsam» keiten auf, sondern kennt durchaus auch kulturspezifische Unterschiede. So gibt es beispielsweise in Birma den Nat—, in Siam und Laos den Phi— und in Kambodscha den Neak—Ta—Animismus. Innerhalb der Nat—Kulte werden drei Kategorien unterschieden, nämlich Naturgeister von Bäumen, Wäldern und Bergen. ferner die «Siebenunddreißig Nats» mit legendär—historischen Biographien und drittens Devas, die aus der indischen Tradition stammen und als Schutzpatrone für das Königtum, für die Religion und für den Sangha angerufen werden. Während die Naturgeister und die Siebenund— dreißig Nats gefürchtet sind und durch Kulte beschwichtigt werden müssen, gelten die Devas als gutartige Wesen". Die Phi werden z. T. gefürchtet, z.T. aber auch als Schutzgottheiten angef rufen. Es kann sich hierbei um Seelen von Menschen handeln, die eines un! natürlichen Todes gestorben waren, oder um Sumpf», Wasser— und Krank- heitsgeister. mit denen der Bauer sich unbedingt auf guten Fuß stellen muß, sei es nun, daß er ein Medium einschaltet, daß er Nahrungsopfer darbringt (noch bis in die dreißiger jahre wurde beispielsweise dem Schutzgott von Chiengmai vor der Reisaussaat ein Büffel geopfert) oder daß er himmlische V Was Asiaten glauben: Religion und Frömmigkeit 223 Schutzgeister,niimlich die Thevadas (Devas), herbeiruft. In manchen laoti— schen und thatland15chen Landeste11en haben srch überdies bis in die 'ün ste Zeit in einer Reihe von Dörfern offizielle Phi—Kulte erhalten. Besonddre 3er- ehrung bei den Bauern genießt die Reisgöttin, die anläßlich des Erntedank— fests eingeladen wird, doch bitte in die Scheune zu kommen und dort bis zur Aussaat im nächsten jahr zu verweilen. Eine strohgeflochtene Figur der Reis- göttin wird hierbei, ebenso wie übrigens in Birma, Kambodscha und Bali in die Scheune gelegt, um dieses Einwohnen symbolisch zum Ausdruck zu brin— gen. Das in Thailand und Laos so beliebte «Lichterfest» (Loy Kratong), das einen Monat nach dem Ende der buddhistischen Fastenzeit abgehalten wird, geht wahrscheinlich auf Rituale zur Versöhnung der Flußgeister und des für den Wasserhaushalt verantwortlichen Naga(Schlangen)-Königs zurück. Bei dem Fest werden auch heute noch Tausende von kunstvoll gefalteten Minia— tur-«Booten», mit Kerzen und Blumen überladen, ins Wasser ausgesetzt”. Die Neak Ta in Kambodscha lassen sich nicht nur auf bestimmten Land— gebieten nieder, sondern gehen auch in den Körper des Menschen ein, so z.B. die neunzehn lebenswichtigen Neak Ta, die diese «Wohnung» aller— dings während des Schlafs, im Verlauf von Krankheiten sowie beim Eintritt des Todes Wieder verlassen. Obwohl die Neak Ta vorbuddhistischer Her— kunft sind, tragen sie im allgemeinen Bali—Namen, nämlich «Nak» (Naga) und Bei sac (picaca: Dämon). Da die Neak Ta gern auf Bergen wohnen (kambodschanisch: Phnom), spielen Berge sowohl bei der Namensgebung als auch im religiösen Kult nach wie vor eine wichtige Rolle”. Im konfuzianisch—daoistischen Asien hat man vor allem zu seinem Dorf« gott ein gewissermaßen lässiges Verhältnis: Einerseits wissen sich die Bauern zwar von ihm abhängig, doch andererseits stehen sie mit ihm durchaus auf Zinsfuß und ersetzen ihn notfalls sogar durch einen anderen Gott, falls er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Auch vernachlässigte Ahnen können übrigens eine böse Rolle spielen. Nach klassischer chinesischer Lehre «haben alle Dinge ihre Wurzel im Him— mel, der Mensch wurzelt in seinen Ahnen». Für die Verstorbenen müssen bestimmte Trauerfeiern durchgeführt, Trauerzeiten eingehalten und genau vorgeschriebene Opfer erbracht werden. Außerdem ist eine Ahnentafel auf dem Familienaltar zu postieren. Die Ahncnverehrung, vor allem der Kult für die kaiserliche Ahnenfamilie, ist zwar im Laufe der Zeit immer mehr zu ei— nem Ritual geworden, bei dem es weniger um den konkreten Toten selbst als Zunehmend um ein rituelles L’art pour l’art ging, bei dessen Nichteinhaltung allerdings negative Folgen für Politik und Natur zu befürchten waren; doch haben sich neben dieser neueren philosophischen Interpretationspraxis durchaus auch uralte Vorstellungen erhalten, wonach eine nicht gesättigte Seele zum Dämon wird und rastlos Unheil anrichtet. Ahnenopfer, vor allem an Mond—Neujahr, haben also, abgesehen davon, daß sie der gesellschaftli— Chen Integration (im Clan) dienen, durchaus auch apotropäische Funktion.