228 Aszatisebe Gesellschaften und Verhaltensstile steht geschrieben», Kismet) oder aber in Form des Kastenschicksals, hin— nimmt — oder nicht hinnimmt («Islam» heißt Ergebung und «jati» Geburt, zutreffender eigentlich: hineingeboren sein). Obwohl beide Bindungen ex— trem stark sind, bliebe doch immer noch die Möglichkeit zur Flucht - für einen Hindu beispielsweise dadurch, daß er, wie es neuerdings häufig gc. schieht, zum Buddhismus übertritt. Im metakonfuzianischen Kulturkreis sind der Handlungsfreiheit des einzelnen keine unmittelbar religiösen Schranken gesetzt — eine Tatsache, die durch die Erziehungsphilosophie und durch die prinzipiell zulässige vertikale Mobilität zusätzlich bekräftigt, aller— dings durch innerweltliche Vorschriften (li) sogleich wieder eingeschränkt wird. In den buddhistischen Gesellschaften geht das Postulat, «gute Werke» zu vollbringen und dadurch sein eigenes Karma zu verbessern, ebenfalls von der Prämisse der Willensfreiheit aus, die allerdings verlorengehen kann, wenn man in der nächsten Existenz als niedriges biologisches Wesen wieder geboren wird. Umgekehrt trägt jeder, der Verdienste sammelt, Bausteine für eine Potenzierung der Willensfreiheit zusammen. d) Escbatologie; Seele, Sünde, jenseits Standen bei der Ethik die drei Schlüsselbegriffe höchstes Gut, richtiges Han— deln und Willensfreiheit im Vordergrund, so sind es hier die Stichworte Seele, Sünde und jenseits. Wohin geht der Mensch? Da keine asiatische Religion ernsthaft vom Wei terbestehen des Körpers ausgeht (einige Mumifizierungsbräuche im frirhen China bestätigen hier als Ausnahme die Regel), lautet die Frage also: Wohin geht die Seele? Wobei sogleich wieder die buddhistische Frage auftaucht, ob es überhaupt eine Seele gibt. Stellt man die verschiedenen Religionen einan» der gegenüber, so gewinnt man sogleich ein kontrastscharfes Grobrast'er: Für Christen und Moslems hat die Seele einen zeitlichen Anfang, aber kein Ende, für Buddhisten keinen Anfang, aber ein Ende, für chinesische Univer- sisten (Daoisten und Konfuzianer) entsteht und vergeht sie wieder; für Vislr nuisten und Shivaisten schließlich hat sie weder einen Anfang noch ein Ende, sondern besteht ewig. Wohin gelangt die Seele nach dem Tod? Christentum und Islam haben ihre Lehre vom Letzten Gericht sowie von den ewigen Himmel— und Höllenstra- fen. Auch der Hinduismus kennt Himmel und Hölle, doch handelt es sich hier, anders als bei den westlichen Religionen, nicht um «Endstationen, son» dem nur um Zwischenhaltestellen», auf denen die Seele eine Wartezeit 7u« bringt, ehe sie ihre Wanderung zu einer neuen Existenz wieder fortsetzt”. Wie sich die Vergeltungskausalität (Karma) auf die nächste Existenz aus» Wirkt, wird in den Shastras, vor allem dem Gesetzbuch des Manu, höchst drastisch veranschaulicht, z.B.: «Wenn man Korn stiehlt, wird man eine Ratte; Bronze, eine Wildente; Wasser, ein Wassertier; Honig, eine Mücke: V Was Asiaten glauben: Religzon und Frömmigkeit 229 Milch, eine Krähe; Süßigkeiten, ein Hund; Fleisch, ein Geier; ...ein Brah- man€‚ der Alkohol trinkt, geht in den Mutterschoß v0n Würmern, Regen— würmern und Insekten und von Vögeln ein, die sich von Exkrementen er; „ähren. Kasten, die von ihrer Berufstätigkeit abweichen, ohne daß eine hö— here Gewalt sie dazu zwingt, werden, nachdem sie einen üblen Kreislauf durchwandert haben, Diener bei den Barbaren . . .”. Eine endgültige Erlösung findet, nach vedischer Lehre, durch Vereinigung des Atman (der Einzelseele) mit dem Brahman (der Weltseele) statt. Drei Wege sind es, die den Gottsucher dorthin bringen, nämlich entweder der Weg des Rituals und der permanenten «Reinigung» oder der Weg der (my— stisch zu vollziehenden) Erkenntnis (von der Einheit des Atman mit dem Brahman) oder aber der Weg der vertrauenden Gottesliebc (bhakti), wie er von den theistischm Erlösungsreligionen des Vishnuismus und des Shivais— mus gepredigt wird Alle Wege führen letztlich zu «Gott». Ideal wäre es (nach den Aussagen des Philosophen Vivekananda), gäbe es so viele Religio' nen und Erlösungswege wie es Menschen gibt; der höchste Weg freilich führt über die Erkenntnis, die nicht mit bloßem Verstand, sondern durch das mystische All—Einheits—Erlebnis erreicht wird. Vergeltungskausalitiit ent— steht nur so lange, wie das Atman vom Brahman getrennt ist. Sobald die Wiedervereinigung (das «samadhi»: Einssein) erreicht ist, hört auch die Er‘ zeugung von Karma auf, der Kreislauf geht zu Ende, die Erlösung ist er— reicht; ähnlich in der javanischen Mystik, wo das Aku («Selbst») in Harmo— nie mit dem Gusti («All—Einen») kommen muß, wobei ein in das «Selbst» gepflanztes «Gespür» (rasa) den richtigen Weg weist. Wer dieses «Gespür» durch Askese und Meditation schärft, bewegt sich zunehmend von der «gro— ben Welt» (wadag) weg — hin zur «Menschwerdung» (dadi wenng) und schließlich zur Erlösung“. Fiir Vishnuisten und Shivaisten erfolgt die Er— lösung weniger durch eigene Anstrengung als vielmehr durch göttliche Gnadenerweise. Im Mahayanabuddhismus und (späteren) Daoismus geht die Einzelseele in den «Westlichen Himmel» oder in Höllen ein, die, im Gegensatz zum Hinduismus, den Charakter von «Endstationen» haben. Im Theravadabud— dhismus andererseits gibt es weder Himmel noch Hölle, sondern nur das Nirvana, das definitionsgemäß einen Ausstieg aus dem leidvollen Kreis der Wiedergeburten bedeutet. Im chinesischen Universismus (Begriff oben 5.41) findet ein Entstehen und Wiedervergehen der Welt nach dem Gesetz der Yin—Yang—Dialektik Statt. Für himmlische oder liöllische Endstationen ist in dieser Lehre kein Platz; kein Wunder, daß der einfache Gläubige sich den Verheißungen vom «Westlichen Himmel» zuwandte. Erlösung besteht also entweder im ewigen Verweilen («Himmel» oder «HöllC») oder aber — bei den Zeitlosigkeitsreligionen — im Verlassen des Rades der Wiedergeburt, sei es nun, daß das Individuum im Nirvana «ver— »