Asiatische Gesellscbaften mid Verbaliensslt/e 236 die göttlichen Gäste schließlich in Sänften zum nahe liegenden Fluß gebracht, wo sie ein Bad nehmen können. Am Ende der Puja nehmen die (;laub1gen von ihren himmlischen «Gästen» Abschied und räumen dann gemeinsam wieder die Opferarrangements ab. In manchen indischen Großtempeln findet nach ähnlichem Schema fast jeden Tag ein Kult zugunsten des Hausgottes statt, wobei er genauso behandelt wird wie ein altindischer Maharaja. In hinduistischen und. buddhistischen Andachtsstätten kommt im übrigen ein Element zum Tragen, das der Geist des Protestantismus aus dem \X’esien fast ganz vertrieben hat, nämlich der Geruchssinn. Kein Tempel, keine Ati—. dacht und keine Puja, bei der nicht ständig die verschiedensten Sorten von Weihrauch, angefangen von Sandelholz über den Zunder bis hin zum Aloe. holz, verbrannt würden. Den Worten des Zen—Meisters Suzuki zufolge igi der «Duft des Gingko» der «Duft des Buddhismus». Die daoistisehen Schreine und buddhistischen Tempel in Cholon, dem Vorstadtbeyirk S.ii» gons, sind von der Decke her mit riesigen We1hrauchspiralen behlingt, .ln denen sich die Glut tagelang duftspendend entlangfrißt. In der buddhistischen Welt ist der Reliquien—, Statuen- und Wallfahrtskult besonders ausgeprägt. Gemäß buddhistischer Überlieferung sind jene Reste der sterblichen Hülle Buddhas, die nach der Verbrennung noch iibriggelvliw ben waren, von Anhängern des Frleuchteten gesammelt und in “SIUPASV (Reliquienschreine) feierlich bestattet worden, die der Gläubige seit damals zur Bekundung seiner Andacht feierlich umwandelt. mit Blumen übersehiin tet und vor denen er Hymnen singt und Gebete aufsagt. Die Grabhügelstupa wurde zur Urform der buddhistischen Baukunst, die sich vom stunipfen Hügel bis hin zur ostasiatischen Pagode entwickelte Von überragender Be— deutung auch der Statuenkult, der unten noch zu beschreiben ist. Zu einem Kernstück des Buddhismus wurden auch die Wallfahrten zu den vier mehr tigsten Orten des Heils: wo Buddha geboren wurde (Capilavatsu am Hima— laya), wo er die Erleuchtung empfing (Bodh Gava), wo er das «Rad der Lehre in Bewegung setzte» (Sarnath bei Benares) und wo er ins Nirvana ein— ging (Kusinara). Auch im Hinduismus ist der Statuem und Wallfahrtskult außerordentlich lebendig — heiligster Ort aller Pilger ist der Berg Kailash im Himalaya. den der Gläubige in tagelangen Fußmärschen umwandelt, aber auch die Rewe zur heiligen Ganga. Im Islam gibt es zwar keinen Statuenkult, wohl aber ein ausgeprlighf\ Wallfahrtswesen, das freilich nicht nur nach Mekka, sondern hauptsacliln‘h Zu den Gräbern zahlreicher «Apostel» führt, die die Lehre des Propheten u.a. in Pakistan und in Indonesien verbreitet haben. Unter der Hand vs urde dieser Wallfahrtskult auch zu einem nach islamischem Selbstverständnis .m und für sich unzulässigen Reliquienkult. Auch in Ostasien gibt es zahlreiche Pilgerorte, wobei die «fünf heiligen Berge» in China, einige buddhistische Großklöster sowie shintoist1sche llUl" V. Was Asiaten glauben: Religion und Frömmigkeit 237 ligtümer wie der Berg FUii und das Ise—Heiligtum in japan besonders beliebt sind. Für den gläub1gen Lama—Buddh13ten ist nach wie vor Lhasa der Mittel- Punkt aller Pilgerwünsehe. Dort umwandelt er die Kathedrale des Lamai5- mus, den ]okhang, auf einem doppelten, jeweils etwa einen Kilometer lan- gen Pilgerwegi dabei stand1g Gebets_trommeln drehend und Gebete mur— melnd- Manche Pilger werfen Sich bei jedem Schritt flach zur Erde, vollzie- hen dort eine rt;3cltzjrnde Gebetsbewegung, erheben Sich Wieder und gleiten n erneut zu 0 en. da%ur äußeren Frömmigkeit gehören auch die Alltags—, Feiertags— und Sm- [ionsrituale. Die Asiaten kennen zwar keine Sabbat—Heiligung, wohl aber eine Alltagsheiligung. Der fromme Muslim beispielsweise verrichtet sein fünfmaliges Tagesgebet, der fromme Hindu nimmt vor Sonnenaufgang das rituelle Bad, hält eine Morgenandacht mit Rezitationen und Wasserspenden an die Götter und Hausidole, wirft zu Mittag «reine» Nahrung in das dem Gott Agni heilige Feuer und befleißigt sich auch sonst zahlreicher Reini— un szeremon1en. g \läeitaus wichtiger sind die in ganz Asien gefeierten Vollmondfeste, die so— wohl eine religiöse als auch eine soziale Funktion haben, insofern sie die Menschen für mehrere Tage zu einem freudigen Anlaß versammeln. Hierbei werden häufig Konflikte geschlichtet, und auch sonst kommt es zu einem «großen Reinemachen», sei es, daß man in den Tagen vor Mondneujahr den Hausputz durchführt oder aber seine Schulden begleicht, daß die Haus— und Küchengeister den höheren Göttern den jährlichen Endstand der guten und bösen Taten einer Familie mitteilen oder daß die Gui (Dämonen) mit Feuer— werk, Drachen— und Löwentänzen samt greller Musik ausgetrieben werden. Nicht zuletzt aber kommen bei solchen Festen auch die Familien zusammen. In neuerer Zeit wird chinesisch Neujahr/Ta auch als Anlaß zum gemeinsa— men Bäumepflanzen betrachtet — eine Anordnung, die z. B. in Vietnam auf Ho Chi Minh zurückgeht. Im metakonfuzianischen und im theravadabud— dhistischen Asien stehen drei Feste im Mittelpunkt, die gleichsam Archetypen des Reisbauernlebens sind, nämlich das Neujahrs—, das Allerseelen— und das Wasserbannungsfest, das zumeist in der gefährlichen Zeit des Hochwassers abgehalten wird und der Versöhnung der Flußgeister dient. In China finden am Drachenbootfest Ruderwettkämpfe statt, in Laos und Thailand dagegen werden beim «Loy Kratong» unzählige mit Blumen, Münzen und brennen— den Kerzen beladene Bananenblattschiffchen als Opfer an die Flußgeister ausgeschickt — eines der bezauberndsten Feste Asiens. Daneben gibt es Trockenmonatsfeste, in deren Verlauf Feuerraketen in den Himmel geschos— S€I_1 werden, um den säumigen Regengott an seine Pflichten zu erinnern. Nicht zu vergessen im Kreislauf des jahres auch die rein religiösen Festtage, 50 Z. B. Buddhas Geburts—, Erleuchtungs— und Todestag. Auch der Islam kennt zahlreiche Feste, die dem muslimischen Mondka— lerider folgen, darunter das Opferfest, Mohammeds Geburtstag, die Him—