238 Asiatisclu’ Gesellschaften und Verhall€m$fllf melfahrt des Propheten, den Fastenmonat Ramadan, vor allem aber das große Fest am Ende der Fastenzeit. In Indien gehören zu den Hauptjahresfesten der Herabstieg der Göttin Ganga (januar), Shivarati (Nacht des Shiva), Holi (Frühlings— und Liebes» fest, März), Rrislinas Geburtsfest (August), Ganeshas Geburtstag (Septem« ber), Durgapuja (Oktober) und Divali (Herbst- und Lichterfest, Novem— ber). Außerdem ziehen zahlreiche lokale Feste, darunter in Puri und Orissa, Millionen von Pilgern an. Besonders lokal verwurzelt sind vor allem die japanischen Matsuri, die mit einem für japaner ganz ungewöhnlichen Temperament begangen Wer» den. Während christliche Feste nach Möglichkeit alle Menschen mit ein— schließen sollen, ist das Matsuri ein typisch exklusives Ereignis, das jeden mann von der Teilnahme ausschließt, der nicht zum betreffenden Dorf oder zur betreffenden Danwei dazugehört. Eine gewisse Sonderstellung nehmen die Philippinen ein, bei denen fünf Feste im Vordergrund stehen, nämlich Weihnachten (für die Familie), «Fie— sta» (eine Woche nach Weihnachten mit Gemeindefeiern im Zentrum), Ostern (ein Verwandtschaftsereignis), die Maifcste (im Zeichen derjungfrau Maria und hauptsächlich der Festigung der Nachbarschaftsverbindungen ge— widmet) und Allerheiligen/Allerseelen (wieder ein Familienfest). Obwohl alle diese Feiern äußerlich katholisch inspiriert sind, brechen unterschwellig doch immer wieder prächristliche Elemente durch, vor allem am Karfreitag, wenn die Männer die Abwehr ihrer Anting—anting (Talismane) testen, wobei sich Talismanträger bisweilen sogar als Zielscheibe für scharfe Munition anf bieten, ein Brauch, der nicht selten fatale Folgen hat”. Neben Alltags; und Feiertagsritualen sind noch zwei weitere Zeremonien zu erwähnen, nämlich die Rites de passages (dazu Näheres unten S. 286ff.) sowie apotropäische Verrichtungen, die entweder durch Herbeirufung eines Magiers (in China: fengshui, in Malaysia: dukun), durch Versöhnungsopfer oder aber durch sogenannte Slametans bewirkt werden. Das vor allem in Java gebräuchliche Slametan ist ein zeremonielles Mahl, das die doppelte Funktion fiat, einerseits die Geister zu versöhnen und andererseits die Nach- barschaft an wichtigen Familienereignissen mitzubeteiligen. Slametans gehö— ren zu fast allen bedeutsamen Ereignissen, sei es nun, daß jemand eine Reise eintritt, daß er mit dem Bau eines neuen Hauses beginnt, daß ein Kind gebo— ren wird, daß eine Hochzeit stattfindet oder ein Familienmitglied beerdigt wird”. Ebenfalls ein wahrhaft aufwendiges Ritual begleitet den javanischen Feldbestellungsvorgang. Mit den Einzelheiten dieser Bubak—bumi—Zeremo» nie kann man mehrere engbedruckte Seiten füllen". Auch das Brauchtum der zumeist christlichen Bataker auf Sumatra ist rituell bis ins letzte ausg£“ fetlt und von üppigen Slametans eingerahmt ‚ von der Auswahl der Braut tiber die Heiratsanfrage und die Vereinbarung der Mitgift bis hin zur eigent’ llCh€n Hochzeitszeremonie, die aus nicht weniger als zehn Einzelvorg'a'ngen 77—— V. Was Asiaren glauben: Reli‘gzmz mit! I’rommi‘gleeit 239 besteht Rituale dieser Art dienen der Alltagsgt'staltung„ der Lebensheili— gung und gewahren emotionale Sicherheit. Wenn diese «Sicherungen» im Gefolge des Kulturwandels auszufallen begannen, würden wahrscheinlich islami5Che und andere «Fundamentalismen» die Lücken füllen! Über Staat und “KIYChCW sowie Priestertum wurde oben (5 125 ff.) schon ausführlich berichtet. 2. Die wichtigsten Religionen in Stichworten Gesamtdarstellungen zu den großen Religionen Asiens gibt es in Fülle“. Die meisten Beschreibungen bieten zwar einen guten Überblick zu den theoreti— schen Grundfragen, sie gehen jedoch wenig oder gar nicht auf die Praxis der Kleinen Traditionen sowie auf die moderneren Entwicklungen ein, z. B. den neuen Fundamentalismus im Islam. Die nachfolgende Darstellung soll — stichwortartig und in äußerster Raffung ‚ die Probleme skizzieren und auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen eingehen, wie sie in den üblichen Darstellungen, so z. B. beim Daoismus, vernachlässigt werden. a} Die Religionen Chinas Allgemeiner Cham/eier Kaum religiöse Führer, dafür um so zahlreichere Religionsgemeinschaften und Laienbewegungen, zumeist im Danwei—Bereich (z.B. Tempelbauge— meinschaften); stark diesseitige Ausrichtung; Hauptakzent auf der Ethik. Die klassische Bezeichnung «Drei Religionen» (Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus) ist unzutreffend, da extremer Synkretismus: Basis ist die vom Konfuzianismus geheiligte Ahnenverehrung, um die herum sich daoi— stische und buddhistische Elemente kristallisiercn. Charakteristisch ist ferner die Wertschätzung des Diesseits, des Konkre— ten, des Maehbaren und * damit zusammenhängend * das (im Gegensatz zum indischen Denken so bemerkenswerte) Fehlen der metaphysischen Di— mension; ferner liegt die «Wahrheit in den 'I‘atsachen»: wahr ist also auch in der Religion nur das, was funktioniert. Eine Religion, die sich nicht auch schon im Diesseits bewährt, hat keine Chance. Konfuzianische Kulte, wie Opfer auf dem «Himmelsaltar», Opfer an die kaiserlichen Ahnen und Feiern zu Ehren des Konfuzius liegen in der Hand der Beamtenschaft (Ritenministerium und Provinzbeamten). Buddhistische M0nche halten regelmäßige Andachten und sind für die Beerdigungsriten zuSt?_ifldig. Zwei Kategorien von Daoisten—Priestern: Exorzisten, die vom D_30151_8n-«Papst» im Longhushan (Drachem und Tigergebirge) in der Pro— vmz J13ngxi bestallt wurden, und Eremitengemeinschaften (Kloster—Daois— "““), für die die «Dreihundert Mönchsgebote» gelten.