24o Analßfl)€ Gesellschaften und Verhaltensstile Konfuzianismus und Daoismus Zum Konfuzianismus vgl. oben S. 144, zum Metakonfuzianismus vgl. S. 153f., i60. Der Daoismus ist eine «Lehre» (xiao), die sich aus vier Schichten aufbaut: I. Urdaoismus: eine — spirituelle — Lebensversicherung der Bauern gegen Unwetter und Dämonen, gegen den Zorn des Himmels und der Wind—Wasser— Geister, die es zu bannen gilt. Dieser Grundbestand durchläuft in einer An «darwinistischem Ausleseprozeß» drei schwere Herausforderungen, die pr'a! gend werden. Den Daoismus versteht man am besten, wenn man weiß, gegen welche philosophischen und religiösen Hauptgegner er zu kämpfen hatte. 2. Auseinandersetzung mit dem Konfuzianismus führt zur Ausformulie— rung des Ideals der Passivität, des Eremitentums und des heiter-en(!) Ver— zichts auf weltlichen Einfluß. Wer (wie die Konfuzianer) Sittengebote ein— führt, bringe damit auch das Unsittliche, wer Recht erläßt (so die Legali— sten), auch Unrecht in die Welt. Daher: «Nicht handeln» (wuwei) und «sich verhalten wie das Wasser», das weich und widerstandslos dahinfließt, aber am Ende doch alles an Stärke übertrifft. Wer sich an dieses «Dao» (Weg) des Wassers hält, (d.h. mystisch zum Dao wird), ist ein Weiser, ein «Unsterb licher» (xian), der frei durch die Lüfte schwebt und in überströmendem Glück «wesentlich» ist. Er ist Teil des großen Yin—Yang geworden. Voraus setzung: Strenge Diät, Atem— und Meditationsübungen. }. Auseinandersetzung mit den Rhetorikern (4. vorehr. ]h.) führt zur Schärfung der Begriffe. Der erste Satz des Daodejing besagt, daß das Dao. wenn man es als «Dao» bezeichnet, schon nicht mehr das wirkliche Dao ist. Gut und Böse, Leben und Tod dürfen nicht «begrifflich» festgenagelt, son- dern müssen mystisch erlebt werden. (Vgl. die Schmetterlingsparabel des Zhuang Zi, 5. 197 f.). 4. Schwerste Krise des Daoismus bei Auseinandersetzung mit dem um 65 n. Chr. aus Indien eingeführten Buddhismus. Um überleben zu können, wird der Buddhismus in vielem nachgeahmt: daoistische Göttertrias, Him- mel und Höllen, Daoisten—Liturgie, eine daoistische Statuenkunst, die alte chinesische Gelehrte und Heroen als Götter und Schutzpatrone präsentiert; Xiwangmu (die königliche Mutter im Westen) wird zum Gegenstück der buddhistischen Gnadengöttin Guanyin, der «Schrein» (guan) tritt neben den buddhistischen Tempel (si) usw. Während das Mandarinat die Gestalten des Pantheons nicht anbetete, son— dern sie als sittlich vorbildhafte Gestalten aus der Geschichte gelten läßt, be- trachtete das Volk die Heroen—, Gelehrten— und Buddhastatuen als Götter Zum Anfassen, denen man seine Sorgen anvertraut und die man, wenn Sie nichts taugen, notfalls auch wieder absetzen kann. Für den Bauern ist der D30ismus (und der Buddhismus) ein Dienstleistungsunternehmen, von dem er Sozial— und Ernteversicherung, metet)rologische sowie astrologische Deu- tungen und Voraussagen, ärztliche Hinweise und seelische Tröstungen in ei- Y V. Was Asiaten glauben: Reltgirm und I’mmngk„„ 241 nem erwartet. Er unterscheidet zwischen den «Drei Religionen» nicht nach Dogma, sondern nach Nützlichkeit: I.)enhlxalenderdienst besorgt am besten das konfuzianische Beamtentum, die Bekampfung von Krankheiten, Unfäl- len und Pestilenzen der Damsten—Itxorzist, die Bestattung und das Totenwe— sen der buddhistisc‘he Mönch. Nützlichkeit l\t’l‘rt1114pll Zweckmäßigerweise respektiert man die }} buddhistischen und & daoistischen HirnmcL fürchtet sich vor den 18 buddhistischen und damsnsehen Hollen, vermeidet Feld— arbeit an «Schafs— und Tigertagen», läßt Sich die Träume deuten, die Hand lesen, die Zukunft voraussagen, verehrt seine Götter, indem man ihnen Weihrauch, Nahrungsmittel und «Göttergeld» opfert, und veriagt Dämo— nen, indem man Knallfrösche abbrennt. Buddhistische Himmel (vor allem der «Westliche Himmel») gelten als solider als daoistische. Von Daoisten—Priestern erwartet man handfeste W’ahrsagerei und Metho— den der Lebensverl'a'ngernng: Schattenboxen, Kräutermedizin, Heildrogen, Diätkombinationen‚ manchmal auch Führerschaft: Die großen Bauernauf— stände Chinas standen meist unter Führung clztoistischer Heilsbringer und Propheten. In der Jugend ist man konfuzianischer Beamte, im Alter Daoist, auf dem Sterbebett Buddhist. Der Daoismus fördert die künstlerische Inspiration; seine Philosophie ist die Dialektik: kein Hell ohne Dunkel, keine Erde ohne Himmel, kein Weiblich ohne Männlich. kein Phönix ohne Drache, kein Le— ben ohne Tod, kein Rot ohne Grün. Auch im kommunistischen China lebt diese Dialektik weiter, sei es nun in den Schriften Maos, in der rongrünen Farbkulisse der kulturrevolutionnren (iroliaufmärsche oder in den flattern— den Bändern mit rot kalligraphierten l’olitparolen, in denen die magische Kraft der alten Wolkenschrift—Kalligraphie nachwirkt. nicht zu vergessen auch in der alten Terriiinoltigie: der Klassenleind als «Niugui sheshen» («Kuhdämon—Schlangengeist»). Bisher gab es drei kulturelle Großimporte nach China: den Buddhismus, der bis zur Unkenntlichkeit —«\‘iiil\it'l'ln («daoisiert») wurde, sowie den west— lichen «Kapitalismus» und den Marxismus, denen (aller Voraussicht nach) dasselbe Schicksal zuteil wird. Kunst im Zeichen des Damswus um! Buddhismus Ein Kunstwerk soll die Verktirperung des Dao oder — im Buddhismus ‚ der «Leere» sein: Zwar zahllose Kunstgattungen (Bronzegielierei. Keramik, Porzellan, Lackschnitzerei und Lackmalerei, lilfenbeinschnitzerei, Cloi— SOnné und Champievé, Teppichknüpferei, Architektur, Steinskulptur), aber HauPtentfaltungsgebiet (weil der Polaritin von Yang und Yin am besten ent— sPl"echend) in der Malerei ‚ und hier wiederum im Landschaftsbild, das zu— ment geronnene Dialektik ist. l“iinf hervorstechende Merkmale: 1. Polarit'ait: zum Shanshui vgl. 5.48. 2— Ineinanderübergehm von Mal? und Schreibkunst: Die «polare» Dar—