246 Aszizlzsrbe Gesellschaften und Verbalrensslile Komnscbm'en Neben dem Recht wird den Institutionen des Lernens im Islam zentrale Be. deutung heigernessen. Iixemplarisch seien hier die indonesischen Pesantren angeführt — Internatsschulen‚ in denen ein islamischer Lehrer (kyai) den Schülern (philt‘lrll die islamische Lehre in der klassischen arabischen Form vermittelt. Rennzeichnend für diese indonesische Schule, die bis zu Beginn des zo.jahthunderts ein Erziehungsmonopol hatte, war und ist ihre Unab— hängigkeit in organisatorischer, politischer, pädagogischer und wirtschaftli— cher Hinsicht. Mit der Verleihung des Ehrentitels «Kyai» bekundet die Be, völkerung einer bestimmten Region ihre Bereitschaft, einen gelehrten Mus» lim (ulama) als ihren religiösen Führer zu respektieren und ihm die nötigen Mittel zur Errichtung und Aufrechterhaltung eines Pesantren zur Verfügung zu stellen. Die Symbiose zwischen Bevölkerung und Kyai kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß die Bevölkerung ihm — als eine Art Huldigung an seine magisch—spirituellen Kräfte — Boden, Baumaterialien und Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, mit denen er eine Moschee und die erforderlichen U„‚ terkünftc (pondok) für seine Santri baut, während er sich mit vielseitigen Diensten gegenüber der Gemeinschaft revanchiert, nämlich als ländlicher Erzieher, als Heiler, als charismatischer Mystiker (sufi) und als Gelehrter Eine der wichtigsten Eigenschaften des Kyai besteht darin, ausländische Einflüsse und einheimische Traditionen miteinander zu versöhnen ‚ eine Aufgabe, die seit dem ig.jahrhundert mit Erfolg gelöst wurde. Zweimal wurde die Kyai«Institution bisher herausgefordert, nämlich im ausgehenden it).]ahthundert, als die aus Mekka zurückkehrenden Pilger (haji) einen eher puristischen Islam zu predigen begannen, und im zo.jahn hundert, als siikulare staatliche Bildungsanstalten eingeführt wurden, die das Bildungsmonopol der Pesantren brachen. Damit gerieten die traditionellen _ Internatsschulen in ein Dilemma: Sollten sie die staatlich anerkannte Schuh ausbildung übernehmen und dabei ihren religiösen Auftrag weitgehend verv gessen oder sollten sie sich auf eine religiöse Zusatzausbildung beschränken, damit aber wichtige Teile ihrer traditionellen Universalerziehungsfunktiof nen aufgeben? Die Pesantren befinden sich hier noch mitten im Experimentiet‘stadium und auf der Suche nach geeigneten Zwischenwegen: Einige Pesantren haben, meist mit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, Initiativen zur Dorfentwicklung ergriffen oder haben ihre Santris zu «Motivatoren» für den ländlichen Bereich ausgebildet. Wieder andere suchen eine landwirtschaftlf che Fachausbildung mit religiöser Erziehung zu verbinden. Eine dritte Rate gorie konzentriert sich auf Sonderprogramme, die z. T. an traditionelle Funktionen der Pesantren oder der Kyai anknüpfen: So bietet beispielsweise ) \ ‘ - . . ‚ . , der Iesantren «Suryalaya» in Westmva eine Drogentherap1e auf mystische! Basis. V. Was Aszaten glauben: Religion und Frömmigkeit 247 mentalismns D€r5:;isiifebzigerjahren hat die Salafiya (die Bewegung zur fundamentalisti- Seit «Rückbesinnung») auch auf Asien Einfluß gewonnen und firmiert schefl‘n Malaysia) unter der Bezeichnung «Dakwah» (wörtl.: «Rückkehr» dort (glauben) Gründe für die Bewegung: «antiwestliches» Unbehagen, zu?”l hr des Verlustes der eigenen Identität, Uberfremdungssyndrome (Coca— 8312-Invasion) und Bedürfnis nach «islamischer Rückbesinnung»‚ Kho— m%lévlo)rabklijah—Bewcgung hat zwei extreme Hügel, nämlich die «Linken» . lrevolutionäre Bestrebungen im Stile Libyens und Algeriens_,_Urrter_ (59218 von Aufständischen wie der Moros auf den sudhchen Philippinen Stu(;chfenrgMuslime in den vier südthailändischen Provinzen) und die «Rech— un die islaimisch in der Form, theokratisch und antikommunistisch dem äiülte nach auftreten (Khomeni—Riehtung). Fundamentalisten kämpfen für die Wiederherstellung der Umma (Gemeinschaft aller Glaub1gen) nach dem Vorbild der (idealisierten) Umma von Medtna, WIC.SIC vom Propheten per— sönlich geschaffen worden war, und bekämpfen gleichzeitig alle Anpassung an säkulare «Sachzwänge» im Stile des Kemahsmus oder der «Weißen Revo— lution» des Schah". Vor allem für die malaysischen Bum1putra(«Sohne der Erde»), die sich von den agilen Chinesen w1rtschafthch an die Wand ge— drückt fühlen, heißt es: «Dakwah» ‚ zurück zum ursprünghchen Islam, weg von der Hohlbeit des modernen, städtischen, pluralistischen und säkularen Lebens mit seiner Trivialität, seiner Sinnlichkeit, seiner Korruption und hin zu den Traditionen der frommen Ahnen”. Dakwah—Anhänger tragen tradi— tionelle Kleidung, Turban, lange lose Hemden (Männer) und Chadorüoder Halbschleier (Frauen), pflegen einen besonderen Wohnsnl (keine M4obel), sorgen für strenge Trennung der Männer— und der Erauenwelt, beschranken das Erwerbsleben aufs Allernötigste und lehnen das welthche Schulsystem ab. Die «New Economic Policy» Malaysias, die den Bumiputra entgegen— kommen soll, wird als ungenügend empfunden «Gemütskrankhetten» las- sen sich nicht mit einem Pflaster heilen! . _ Vier Richtungen sind zu unterscheiden, nämlich der imam— und der umma—getragene Radikalisntus sowie der imam— und der umma—getragene Reformismus”. Imam— und umma—getragene Bewegungen unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, daß die ersteren sich nach innen riCht€n‚fld.h. den Glauben (Imam) der bereits bestehenden Mushmgememden bestarken Wollen, während die Ummaßewegungen ihre Stoßrtchtung nach außen ent— falten und in die Gesamtgesellschaft hineinwirken. Die imam—_getragene Richtung geht von der Prämisse aus, daß eine korrupte und un1slamische Staats— und Gesellschaftsführung nicht durch organ151erte Revolution, son— dem durch moralische Aufrüstung ihrer Gläubigen verbessert und geheilt Werden könne; ergo: stärkere Glaubensarbeit (tabligh) und Appell an die S‘fletheilungskräfte sowie Neubau von Moscheen und Errichtung von