262 Asmiixche (Ig;e/lschajien und Ver/mltensstile H induisliscbe Kunst Hindu—Kunst soll den Zugang zum All—Einen öffnen und zur Erlangung hö_ herer Bewußtseinsstufen verhelfen. — Architektur: Wichtigstes architektonisches Leitmotiv ist die (;Ötth Cella, die bei den nomadischen Völkern der Veda noch auf Rädern gezogen wurde, weshalb frühe hinduistische Tempel z.T. noch Spuren der alten Radform erkennen lassen, und deren Dach später in Form eines Götterbcrxs (Meru) wiedergegeben wurde, auf den die Götter — hierarchisch über und untereinander — wohnen und teilweise auch ganz naiv samt ihren Wohnum gen dargestellt werden 4 oft Hunderte an der Zahl. Aus dieser Grundidee der Götterwohnung heraus entwickelten sich Seit dem Ende der (}upta—Zeit zwei Haupttypen von Sakralbauten, nämlich im nördlichen Indien die «Sikhara» und im Süden die «Vimana», beide auf qua— dratischem Grundriß und in pyramidenförmigem Aufbau, die sich vor allem dadurch unterscheiden, daß die Vimana einen von einer stumpfen Kuppel gekrönten Oberbau beibehielt. Beide Bautvpen erreichten ihre Blüte um das jahr 1000. Die Außenwände der Tempel sind mit vollplastischen Skulpturen überzogen, darunter im Norden die berühmten «Liebespaare» und erotif schen Gruppierungen, so z.B. an den Tempeln von Khajuraho (tl.jh.) und Konarak (I}.Jl1.); in Südindien riesige Tempeltore. Südindische Stile wurden auch in zahlreichen südostasiatischen Kulturen rezipiert, so z.B. von einigen hinduistischen Königreichen auf Java. Das hervorragendste Beispiel dafür ist der Prambanan, ein dem Shiva geweihtes Heiligtum in der Nähe des mitteljavanischen jogjakarta, der seinerseits wie— derum den ersten Khmer—Königen als Vorbild für die Bauten von Angkor gedient hat. Auch nach Bali hat sich die hinduistische Kunst fortgepflanzt, doch gibt es dort keine überwälbte Cella; die gesamte Tempelfläche steht vielmehr un- ter freiem Himmel und wird lediglich zur Seite hin durch hohe Mauern aus der Landschaft «herausgeschnitten» « verdient also gewiß den Namen «Tem— pel» (von griech.: temein, schneiden). Eine zweite Eigenart des balinesi— schen Tempels sind die gespaltenen Tore, die über dem Andiichtigen nicht gewölbt werden, sondern ‚ eben v offen bleiben! — Skulptur: Hochbedeutsam ist auch die hinduistische Plastik, die dazu dient, dem Gläubigen wenigstens einige der Götter des ansonsten unüber schaubaren hinduistischen Pantheons sichtbar zu machen. Die Statuen »- meist aus Stein oder Bronze — finden sich zumeist auf den Dächern der Tem< pel und der gewaltigen Tortürme, doch werden sie darüber hinaus auch im Inneren der Tempel aufgestellt — besonders häufig Vishnu und Shiva in ihren verschiedenen Erscheinungsformen, von denen die achte Erscheinung Vi5l}’ nus, nämlich Krishna, wohl am berühmtesten und populärsten ist. Häufig 3U_Ch der tanzende Shiva oder aber Shiva in seinen drei Aspekten (l.ortiillv f“CdVOII, weiblich). Während im (älteren) Buddhismus die Menschendar V, Was Asiazen glauben: Religion und Frömmigkeit 26} stellung noch durchaus anth\ropomorph ist und nur bei den niedrigeren Be— gleitfiguren dämonenhafte Gestalt annimmt, findet im späteren Hinduismus meist eine (vom huropaer so empfundene) «Denaturierumg» statt: Die Wände sind überzogen mit vrelkopftgen, vrelarm1gen und vielbeinigen, bis— weile" auch tierköphgen Wesen. Besonders «abstoßende» Form nehmen einige weibliche Avaratas des Shiva an, so Gamunda, die Zornige und ausge— mergelte Form der schwarzen Gottm Kalt, der T1er0pfer_gebracht werden, und Durga. Beliebter Darstellungsgegenstand Sind auch die Reittiere der je— weiligen Götter, anhand derer die betreffenden Gottergestalten manchmal überhaupt erst identifiziert werden können — allen voran das Reittier Shivas, der Büffel Nandi, und das Renner ViShnus, der Pfau—Adler Garuda, nach dem beispielsweise die moderne indonesrsche Fluglmie benannt ist. Sämtliche Skulpturen — und Architekturen — zeichnen sich durch äußerste Schmuckfülle aus: die Figuren durch Juwelen, mächtige Frisuren und «durchsichtige» Gewebe, die Architekturen aber durch Nachahmung der ursprünglichen Holzbauweise. Bezeichnenderweise wurden die ]ahrhun- dene vorher verwendeten Nägel, Zapfen, Geb'alkformen, die gedrechselten Säulen, die verkröpften Säulenenden und die filigranhaften Zirate minuziös in Stein nachgebildet — und zwar nicht nur in Indien, sondern beispielsweise auch im fernen Angkor: In Angkor Vat finden sich an den umlaufenden Ba— lustraden lange Partien von «Geweben», die so sorgfältig in den Stein einge— meißelt sind, daß man glaubt, sie wehten im Winde. Vielarmigkeit und —köpfigkeit gibt es auch in der mahayana—buddhisti— schen Kunst, doch verliert dieses Merkmal um so mehr an «Aufdringlich— keit», je weiter sich die rezipierende Kultur von Indien entfernt. In der japa— nischen Kunst von Kyoto und Nara beispielsweise gibt es zwar ebenfalls tausendarmige Kannons und vielarmige «Asuras», doch sind diese Bildnisse so anthropomorph «gebändigt», daß von seiten des betrachtenden Europä— ers keinerlei Kontaktschwierigkeiten aufkommen. Der Hinduismus und Südostasien Rund izoo]ahre lang, nämlich von etwa 400 n. Chr. bis zum Beginn der Ko— lonialzeit, hat Indien den meisten Ländern Südostasiens seinen soziokultu— rellen Stempel aufgeprägt — ohne Zweifel eine der erstaunlichsten Leistungen «auswärtiger Kulturpolitik», die es je in der Geschichte gegeben hat. Seit 400 n. Chr. erste hinduistische Einflüsse in Südostasien; ab 1200 the- raVadabuddhistische Missionserfolge A via Ceylon — in Siam, Laos, Kam— b0dscha und Birma. Seit dem i3.]ahrhundflt wurde Indien (südöstliche Coromandel— und südwestliche Malabarküste) auch zum Vermittler des Is— am; Eindringen des Islam in Aceh/Nordsumatra im 13.Jahrhundert‚ in Ma— laya Anfang des „Jahrhunderts und in java im tg.jahrhundert Überlage— rung des Hinduismus und Buddhismus, aber nicht völlige Verdrängung. Ende des indischen Einflusses igii, als Albuquerque Malakka erobert.