264 Asiatische Gesellschaften und Vt'tha/temstile Wer waren die Überbringer des Hinduismus? Drei Theorien“: I. KSIL1. triya—Theorie: Indisches Militär als Motor Z.T. direkter Indisierung durch koloniale Expansion. Diese in den zwanziger jahren von der «Great India Society» vertretene Ansicht war ein Kind ihrer Zeit, insofern sich namlich das kolonisierte Indien Trost aus der eigenen Vergangenheit zu holen suclitc_ Zwar gab es militärische Vorstöße Indiens, vor allem unter der südlichen Colad)ynastie, die iedoch Randerscheinungen bei der ansonsten höchst tin— kriegerischen Ausbreitung der indischen Kultur blieben. z. Vaishiya-Th„„_ rie: Indische Händler als Übermittler; trifft zwar für die islamische, aber nicht für die hinduistische Mission zu. Gründe: Hinduismus breitete sich nicht nur in den Hafenfürstentümern, sondern auch im Hinterland aus, Wo es keine indischen Händler gab; ferner war der Missionshinduismus stark durch Sanskrit geprägt, das die Händler nicht beherrschten. }. Bralinianem Theorie: Letztlich dürften es die Brahmanen gewesen sein, die von den lol,“, len Fürstenhäusern als eine Art «Entwicklungsexperten» berufen wurden und die nicht nur ihre Religion mit ihren hochwillkommenen Legitint.nioiw mechanismen, sondern auch W'eisheitsbücher mitbrachten. in denen Regeln der überregionalen Verwaltungskunde, der Baukunst und der Infrastruktur enthalten waren. Später kamen buddhistische Mönche hinzu, die iii, dem Auftrag Buddhas und Ashokas entsprechend, einen Missionsauftrag hatten und die dafür sorgten, daß zahlreiche Südostasiaten indische Universitatm, vor allem die weltber'tihmte buddhistische Universität von Nalanda nahe den heiligen buddhistischen Stätten von Bodh Gaya, besuchten. W’ie tief ging der indische Einfluß in Südostasien? Zum Teil wirkten zwar kolonial—indische Impulse sogar wieder auf das Mutterland zurück, so z. B. die Architektur Angkors auf die südindische Cola—Kultur (i i._]h.); also kein reiner «Monolog» Indiens (zur Verschichtung unten 5. 33i ff.). 'I'rotzdem tiefe Spuren: * Die auch heute noch sichtbarste Hinterlassenschaft ist das Schrift— system, das bei den Birmanen, Thai, Khmer und Cham. aber auch noch bei den inzwischen vom Lateinischen verdrängten javanischen und ballnesi— sehen Schriftformen deutlich zu erkennen ist, wenngleich die alten \f'orlagen regional variiert wurden. — Außerdem sind die südostasiatischen Sprachen mit Sanskrit4\usdrük ken angereichert worden, die in der literarischen Hochsprache, in der Reli« gion und im Austausch zwischen «Mahaguru» und «Mahasiswa» (in Bahasa Indonesia: «Lehrer» und «Schüler») nach wie vor eine wichtige Rolle spit“ len. Vor allem hat das Sanskrit den einheimischen Sprachen die Fähigkeit zur Bildung abstrakter Begriffe erleichtert. — Auch das Indische Recht, das in den klassischen Gesetzbüchern der «Dharmashastras» besonders im Gesetzbuch des Manu niedergelegt war. hat bis zur Rezeption europäischen Rechts laut G. Coedes‘i' eine ähnliche l)ri’ gefimktion ausgeübt wie das Lateinische Recht auf die barbarischen Gesell‘ V. Was Aszazen glauben: Religum und Frömmigkeit 265 haften in nachrömischer Zeit. Vor allem haben die Vorschriften des äajafliti (des königlichen Benehrnens) beträchtlichen Einfluß auf die lokalen Monarchien gehabt. _ . ‘ . ‘ ' Des weiteren verbreiteten Sich die verschiedenen indischen Periodisie— ssy5teme, sei es nun die buddhistische Zeitrechnung, welche 543 v, Chr. ruan nt oder aber das «Kleine Zeitalter»«$ystem, das vom jahre 638 n. Chr. beglflch’net. Die thailändische Königsgeschichte der Chakri«Dynasiic ist ;nBrenoch ganz nach der buddhistischen Zeitrechnung abgefaßt. Die «indi— hen» Kalendarien wurden erst durch eine Übernahme des europäischen sc ab elöst. „ ' _ syitelgginerghat die indische Asthetik die Kunst Südostaswns entscheidend mitbestimmt. Die Tempelstädte von Pagan und Angkor oder die javanischen Heiligtümer Pramban3n und Borobodur waren„ohne das indische Vorbild nicht denkbar, wenngleich lokale Traditionen furnianchmal bedeutsame« und geniale! — Abweichungen gesorgt haben. Diese Vorlnldfunktmn gilt allerdings nicht für die islamische Kunst, die in Südostasien zu keiner nen— nenswerten Entfaltung gekommen ist. _ Auch die verschiedenen indischen Religionen, vorn Shivaismus und Vtshnuismus bis hin zum Theravada— und Mahayantuddhismus sind für Jahrhunderte prägend gewesen, wobei allerdings das Theravada den Umweg über Ceylon nahm. In der malaiischen Welt wurden die hiridutstischen Kulte im 14. und „Jahrhundert vom Islam verdrängt — und haben steh am [ende nur in Bali halten können. Kratzt man freilich in java nur ein wenig am isla— mischen Lack, kommt sofort wieder hinduistische Tradition zum Vorschein. In Vietnam ist es nach wie vor der Mahayarm—Buddhismus, in Thailand, Birma, Laos, Kambodscha und Ceylon aber die Theravada—Uberlieferung, die die Lehre Gautamas, welche in Indien last ausgestorben war, bis auf den heutigen Tag bewahrt hat. _. ' 7 — Eng mit den religiösen sind auch die literarischen Uberhelerungen ver— knüpft, wie sie in der buddhistischen Folklore der jatakas (den soo Vorleben Buddhas) und in hinduistischen Überlieferungen weiterleben, nicht zuletzt im klassischen Tanztheater und im Schattenspiel. Sogar der Tourist begegnet den eindrucksvollen Tänzen Ramas und Sitas auf Schritt und Tritt, sei es nun in Bangkok, in Phnom Penh, Angkor, auf Bali oder sogar im äußerlich doch so islamischen Java. Wohin man auch blickt » überall schimmern die indi— $Chen Muster so kräftig durch, daß Goedes vorgeschlagen hat, _man moge das alte Indien doch einmal «durch die Brille des Ostens» studieren” und fekonstruieren !