268 Asiatische Gesellschaften und Verhaltensstile tionen, indem es nämlich übelwollende Dämonen die ganze Nacht hindumh so sehr fasziniert und absorbiert, daß sie gar nicht erst auf den GCdanken kommen, dem Neugeborenen oder aber dem jungverheirateten Paar, zu de— ren Festtag das Wayang bestellt wurde, zu schaden. Angesichts der Popularität des Schattenspiels liegt es auf der Hand, dal auch für politische Zwecke eingesetzt werden kann: Dies bekamen u. a. die holländiscben Kolonialherren Zu spüren, denen schnell klarwurde, daß die Symbolik des Kampfes zwischen Gut und Böse bedenkliche Propaganda_ wirkung haben konnte, und die deshalb bestimmte Formen des Wayang Ver- boten. Doch auch in nachkolonialer Zeit wurden Wayang—Gehalte immer wieder auf das politische Leben übertragen. Vor allem bei der Aussendung antikommunistischer Liquidationskommandos im Herbst 1965 oder aber bei der Verhaftung Sukarnos verstanden es die Machthaber, ihre limissäre mit Attributen zu umgeben, die Eigurenassoziationen zum Wayang und zu dessen Kampf gegen das Böse weckten. ! S 05 Gamelan: Musik in Südostasien Sieht man einmal von den Philippinen und von Vietnam ab, wo die spanisch/ südamerikanische Folklore bzw. der chinesische Einfluß tiefe Spuren hinter— lassen haben, begegnet man überall in Südostasien einer Musik höchst bu» denständigen Charakters, die zwar indischen Einfluß da und dort erkennen läßt, bei der aber ansonsten die präindische Tradition erhalten geblieben ist, vor allem, was die Musikinstrumente anbelangt. jedem Besucher Südost— asiens werden die Buckelgong— und Xylophon—Orchester mit ihrer mysti— schen Klangkultur unvergeßlich bleiben A vor allem die (Samelan—Musik. «Camel» heißt Hammer und charakterisiert treffend die Haupteigenschaft des Orchesters, das ja zur Hauptsache aus Schlaginstrumenten besteht. Pro— totypen des modernen Gamelan—Orchesters lassen sich bereits auf den Re— liefs des Borobodur—Tempels aus dem 9.]ahrhundert identifizieren. Das durchschnittliche Gamelan—Orchester setzt sich aus sieben Instrumentew gruppen zusammen, worunter Gongs, Trommeln, «Xylophone» (zT aus Holz, z.T. aus Metall), Zupfinstrumente, Miniflöten und das Gender, eine Art Tasteninstrument, das seine Mechanik auf Klangröhren übertra”gt und mit zwei runden Hammerchen gespielt wird, die Hauptrolle spielen. Auffallend ist, daß Musik kaum je für sich allein, sondern stets im Zusam- menhang mit einem Schauspiel, einem Tanz oder mit einer literarischen Ro Zitation steht. Kein Zweifel: Die südostasiatische Musik ist aufs engsre mit Zeremonien, Ritualen und religiösen Theaterdarstellungen verwoben. Charakteristisch ist, drittens, die in der Musikwissenschaft sogenannte «pdyphone Schichtung», womit gemeint ist, daß einerseits viele musikali— 5Che Linien simultan hörbar werden (deshalb «polyphon») und daß diese ;:s" trennt voneinander laufenden Linien Unterschiede in Bewegungstempo uml Dichte aufweisen. Viertens gibt es den Begriff der absoluten Tonhrihe in V Was Asiaten glauben: Relzgirm und frrnrzmigk„‚ 269 Südostasien nicht. Vielmehr richtet sich der Solist oder das Orchester nach t «stimmung» die der Geluhlslage des ieweihgen Anlasses angepaßt ist nd die deshalb von Mal zu Mal ad hoc festgelegt werden "_IUß‘ u Schließli‘3h ist die Musik, Wie übrigens uberall im traditionellen Asien, iemals Anlaß, indivrduellen (mfuhlen Ausdruck zu verleihen oder die Schönheit der Töne zu genießen.; Vielmehr ist sie Brucke und Kontakrmittc] den überginnlichen \Wesen, die es entwederabyulenkenoder aber gnädig 23 stimmen gilt. Aus diesem Grunde auch trellen Musiker itiitiitiruv.icricr be— sondere Schutzvorkehrungen, so zB. am l_\raton _(d.h. dem l\ontgsiodcr Sultan5h0f) von jog1akarta, wo sich die Musiker bei den groben _]ahresfesten einer Periode des Fastens und der Belbstreinigungyunterzmhen, bevor sie das Gamelan (also das HammenOrchpester) spielen. bogar di_e45chattc‘npuppen— spieler in Kambodscha und in Bali unterziehen sich religioscn Rnualen, be— vor sie ihr Spiel beginnen. Auch in Indien hat die Musik haufig Darbrin— gungsfunktion, vor allem bei den lempelfesten, in deren Verlauf die Gott— heit eingeladen und als anwesend gedacht Wird. lm Abendland wurde die Musik lange 7,011 analog zu den (iestirncn und «Sphären» sowie zur Mathematik gestaltet „ dies klmgi noch in Hindeniith5 «Harmonie der Welt» nach. In Asien gilt sie als (‚ottergeschenk Besonders galt dies für die Hof/Kratow0rchester. aber auch fiir die Tempelmusiken in den buddhistischen Ländern Südostasiens, ior allem in Birma, das wegen seiner jahrhundertelangen [,iremitenlmltigkeit die .iltert't'imlichsten lnstruf mente und Spielweisen besitzt. Diese Traditionen werden heute vor allem durch drei Entwicklungen ger fährdet, nämlich durch die nach westlichem Vorbild organisierten Musik- akademien, wo nicht mehr die Methode des iahi‘elangen mechanischen Nachahmens des Guru durch den Schüler, sondern svstematisches Musizie— ren mit Notationen und westlichen Instrumenten geübt wird, ferner durch den Einbruch der westlichen Musikkultnr (nicht zuletzt auch des «Schla— gers»), drittens aber durch das Aufkommen einer .1l&[i\lstls(lic‘fl Lebensstim— mung, die der kontemplatix entrtickten Welt des (idlt'it‘l1n, des indischen Raga oder aber des überall in Südostasien gt‘pllcgtcti hofischen Piphat— Ensembles fremd ist. Lediglich dort, wo der Tourismus Traditionen «finanzieren» und remoti— Vieren hilft, sind die Musikgebrauche erhalten geblieben, so z. B. der thai— ländische (und früher auch kambodschantsche} Hol» und Volkstanz und die Musik Balis, die wegen ihrer \'irtuosit.n. w;gcii der zeitweise rasenden Tempi und vor allem wegen des luinsatus un\\'.ittirrrtt*r Hammer und Schle— gel extremen Signalcharakter besitzt“. Wer sich mit der asiatischen Musik sonst nicht .ibfinden kann, wird beim Anhören des Gamelan—Orchesters \it'llillClll «eine Meinung lindern. Es gibt kaum lemanden, der nicht von dem tindifit'i‘t‘tt/‚it'i‘tc'ti Klang und von der sei— denen Schönheit, die über der Klangmasse schwebt, entzückt ist. Scharfe