272 Asiatische Gesellschaften und Verbaliensstilu z. Geburt, Kindheit und Jugend a) Pränatale Beeinflussung Die Einwirkung auf das Kind beginnt schon im Mutterleib. In China besteht seit alter Zeit der Glaube, daß bereits der Fötus einer Erziehung bi“darf‘_ Man erwartete von der Mutter ruhiges und würdiges Benehmen und ging davon aus, daß jedes mütterliche Fehlverhalten die Zukunft des Ungebore_ nen entscheidend beeinflussen könne. In der malaiischen Welt ist der Glaube verbreitet, daß die Eigenschaften eines Kindes durch die Sehnsüchte der werdenden Mutter mit geformt Wer— den. Wird, wie es manchmal vorkommt, ein Europäer von einer hoch- schwangeren Philippinin verlegen—kichernd berührt, so mag sich darin der Wunsch ausdrücken, daß ihr Kind besonders hellhäutig werde. In traditionellen Familien wird der Mutterkuchen und die Nabelschnur nach der Geburt auch heute noch an einen möglichst «sicheren» Ort ge— bracht und, Z. B. in der indonesischen Welt, vor der Hausschwelle veigj—a_ ben, weil dort die geringsten Chancen für übelwoilende Dämonen bestehen, Zugriff auf diese Teile des Kindes zu bekommen und dadurch magistb von dem Neugeborenen Besitz zu ergreifen. b) Nach der Geburt In China wie in Indien pflegte und pflegt sich die gesellschaftliche Situation der jungen Mutter in dem Augenblick dramatisch zu verbessern, da sie ei— nem männlichen Nachkommen das Leben schenkte. Es war nur logisch, wenn sie unter diesen Umständen in ihrer Mutterrolle völlig aufging und da— bei besondere Aufzucht— und Sozialisationstechniken entwickelte, die in ei— nem fast permanenten «Gewährenlassen» bestehen. Statistische Auswertum gen zum Erziehungsverhalten hinduistisc_her Familien zeigen, daß die mit Abstand elementarste und liebevollste Beziehung innerhalb einer Durch- schnittsfamilie allemal zwischen Mutter und Sohn besteht, gefolgt vom Bru— der/Schwester—, Bruder/Bruder— und Vater/Sohn—Verhiiltnis. Mit weitem Ab— stand hinken die Großeltern/Kinder—‚ Mutter/Tochter- und Vater/Tochter— Beziehungen hinterher. Ganz unten an der Skala schließlich stehen die Vater/ Kinder—, Ehegatten— und Schwestern/Schwestern-Beziehungenh Das Neugeborene hängt von früh bis spät an der Mutter, so daß die Wiege fast nie benutzt wird. In China ist es z.T. auch heute noch üblich, das Kind bis ins 4. Lebensjahr hinein zu stillen — mit der Folge, daß der Nachwuchs auch in späteren jahren immer höchst gemeinschafts— und umsorguiig$bc' dürftig bleibt}. In Indien wird die Stillperiode ebenfalls nur dann unterbro— chen, wenn eine neue Schwangerschaft einsetzt“. Auch sonst bemühen SiCl1 alle Familienmitglieder, darunter neben der Mutter vor allem die älteren (SC‘ VI. Wie man «Asuue» Z£'l7’d 27; ter, dem Nachwmhs jeden Wunsch von den Augen abzulesen Kein dem ein Asienbesucher nicht halbwüchsige Kinder antr'zife, die ihre schWi5 T3 , an . „ . .üfgeren Geschw15ter standig auf dem Arm tragen und unter dieser Last j-neist mit durchgebogenem Rückgrat dastchen. Oft wird das Kind mit einem Sar0ng (Tuch, <