276 /ismliscbe Gesellschaften und Verbaherzsstzle In der philippinischen Gesellschaft ist eher der weiche und anmutige TV gefragt, der in seinem Äußeren auf den europäischen Geschmack meist mp was feminin wirkt, vor allem was die Stilisierung dcr Frisur oder aber die Vorliebe für Rüschcnhemden und für besondere Eleganz in der Kleidung an— belangt. Die als selbstverständlich vorausgesetzte Anmut im äußeren Verhal— ten führt dazu, daß die Übergänge zwischen Heterof und Homosexuellen sozial kaum zur Kenntnis genommen werden. Der «bakla» (Homosexuelle) stößt in der philippinischen Gesellschaft auf keinerlei Vorurteil. Besonder häufig ist er unter Architekten, Friseuren oder Modegestaltern anzutreffen In Thailand wünscht man sich Söhne, Freunde und Ehemiinner mit «küh‚ lem Herzen» (chai yen yin), die Sinn für Spaß (sanuk) haben und mit denen man zwanglos umgehen kann. Viel bewundert werden auch Personen, die andere geschickt hereinzulegen wissen, zumal wenn diese ihr Mißgescliick womöglich gar nicht merken; das Ganze geschehe möglichst noch anmuü;;_ In Ostasien wird demgegenüber eher der herbe Typ geschätzt, sei es nun in der Gestalt des japanischen Samurai oder aber des gerontokratischen Mandarins, um hier einmal zwei besonders prominente Idealbilder zu er— wähnen. In Indien hat sich das britische Virilitätsideal in bestimmten i\spck- ten durchsetzen können und dafür gesorgt, daß, wie Rothermund‘ es aus» drückt, «indische Prachtentfaltung durch spartanische Disziplin ersetzt wurde». So kann es vorkommen, daß der westlich—einfach gekleidete Gene ral sich Diener halt, neben deren orientalischer Kleidungspracht seine eigene Zurückhaltung um so kontrasthafter zur Geltung kommt. Diese äußere Auffassung hat z. T. auch auf die innere Haltung abgefärbt. Weit verbreitet im traditionellen Asien war die Kinderehe, die auf Betrei- ben der Eltern durch professionelle Vermittler gestiftet wurde. In China wa ren auf dem Land noch bis zum Erlaß des Ehegesetzes von 1950 sog. « Kind— bräute» (tongyangxi) üblich, die einem ebenfalls noch kindlichen Knaben anverlobt wurden. Dieser Brauch war Ausdruck eines sozialen Zusammen hangs, der in der neueren westlichen Erziehungspraxis verlorengegangen ist, seit man hier immer stärker zwischen einerjugend und einer Erwachsenen- kultur trennt. In Indien wurde die Kinderehe vor allem in Brahmanenkreisen gepflc_uh da auf diese Weise die jungfriiulichkeit — und damit auch die rituelle «Rein— heit» — zweifelsfrei gewährleistet blieb. Dem gleichen Zweck diente übrigk’“S das (auch in China seit der Sonngeit übliche) Verbot der Wiederverheira- tung von Witwen, das im hinduistischen Indien durch den für Ituroplifl schockierenden - und von den Briten bereits im i9.jahrhundert Verbote» nen — Brauch der Witwenverbrennung ergänzt wurde. In China Wurden der «guten Ehefrau und keuschen Mutter» Gedenkstelen errichtet, und auch in Indien war die «Sati», d.h. die «sich opfernde Gefährtin», hoch geehrt Während andererseits eine weiterlebende Witwe dauernde Demütigungen zu gewartigen hatte. S V]. Wie man «Asiate» wird 277 3. Ehe und Familie „) Eheschließung und Scheidung In china war (und ist) die Verehelichung ein wichtiges, in Indien sogar das zentrale Ereignis im Leben emes_Menschen, wahrend Sie in den theravada- buddhistischen und malaio—islamischen Gesellschaften einen wesentlich ge— ringefen Stellenwert hat. Nirgends m Asten wurde die Ehe bISAVOI‘ kur?em primär 315 Liebes—, sondern fast immer nur als Zeugungsgmnemschaft ver— standen. Individuelle Gefühle spielten also nur eine .Neb‘enrolle; weitaus wichtiger war (und ist) die Erwartung, daß (in der hinduistischen Gesell— schaft) beide Partner der gleichen Kaste angehören, daß ferner die. wirt— schaftlichen Voraussetzungen «stimmen» und daß vor allem das Horoskop für beide günstig ausfiel. Kein Wunder, wenn angesichts solcher Voraus— setzungen Ehen fast immer nur vermittelt wurden. Während man, wie es heißt, in Europa einen heißen Topf auf eine kalte Platte setzt, geschieht es in Asien zumeist gerade umgekehrt. So sehr die Liebe in den großen klassi— schen Romanen Chinas, Indiens, ]apans oder Thailands' auch verklärt sein mag — in der Ehe war und ist sie eher eine angenehme Zugabe als eine Vor- aussetzung. Hohe Erwartungen richten sich auch auf die Fruchtbarkeit der jungen Frau; Kinderlosigkeit gilt allemal als Übel und als seriöser Grund für Ehe— scheidungen, wie sie ansonsten in den metakonfuzianischen und hinduisti— schen Gesellschaften verpönt sind. Die Rechte der Frau in der Ehe fallen verschieden aus, je nachdem ob in der betreffenden Gesellschaft eine patrilineare, eine matrilineare oder eine «bilaterale» Tradition vorherrscht: Die patrilineare Familie ist der asiatische Normalfall ‚ zumindest herrscht sie in den bevölkerungsstarken metakonfuzianischen und hinduistischen Gesellschaften vor. Der Prototyp, nämlich das traditionelle chinesische Fa— milienrecht, war bestimmt von der Herrschaft des Mannes über die Frau und des Alters über die jugend. Es war patrilinear, patriarchalisch, patrilokal und patronym. Es verneinte die «freie Partnerwahl», verbot die Wiederverheira— tung Von Witwen, duldete das Nehmen von Nebenfrauen, behandelte Ehe— schließungen als eine Art Kaufvertrag, durch den die Braut gegen Leistung eines ansehnlichen Geschenks an Familie und Clan des Bräutigams ausge— händigt wurde, und ermöglichte Kindesverlobungen. Nach moderner sinc— l“Om_munistischer Auffassung gilt die traditionelle Familie als einer der vier “Skae» (politische, Sippen—, religiöse Und Gattengewalt), mit denen der größte Teil der Gesellschaft, vor allem aber die Frau, «gefesselt» war”. Auch um ihr Erbrecht gegenüber den Eltern war es zumeist schlecht bestellt, da sie mit der Verheiratung als «weggegeben» und damit für die eigene Familie als ""10ren galt.