282 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile Zwar nicht so weit verbreitet wie die patrilineare, aber unendlich WiChti. ger als die matrilineare Familienordnung ist das bilaterale Familiensygtern das vor allem in «schwach gefügten Gesellschaften» wie Indonesien, Malavj sia oder Thailand zu Hause ist. Keine Spur von Patrilinearität beispielsweiise in Malaysia. Während es im traditionellen chinesischen Familienverband Clans (zu) und Unterclans (fang) gab, in Japan den «Stämmhaushfi„ (honke) und den Seitenhaushalt (bunke), fehlen solche vertikalen Familien— verklammerungen völlig in Malaysia oder Indonesien — von Clans oder Ah. nenkult ganz zu schweigen. Auch gibt es hier keine eigentlichen Familienna_ men, wenngleich die aus der arabischen Tradition übernommenen Benen— nungsweisen ein patrilineares Brauchtum nahezulegen scheinen. «Ibrahim bin Arun» heißt z.B. «Ibrahim, Sohn des Arun» und «Rokiah binti Arum «Rokiah, Tochter des Arun». Dieser Brauch wirkt freilich etwas verbal auf_ gesetzt, da man in vorislamischer Zeit auch ohne den Abstammungszusatz auskommen konnte. Anders auch als ein Chinese oder Japaner ist der Durchschnittsmalaie kaum in der Lage, die Namen seiner vier väterlichen Urgroßväter zu nennen. Schließlich gibt es, anders als in China oder japan, auch keinen Hofnamen. Zweitens ist die malaiische Familie auch nicht patrilokal, genauer: sie ist weder patri— noch matri—, noch neolokal, sondern richtet sich völlig nach den wirtschaftlichen oder sozialen Gegebenheiten. Ein jungverheiratetes Paar bleibt zwar aus pragmatischen Überlegungen häufig mit Haus und Hof der Eltern oder Schwiegereltern verbunden, doch kann es auch von heute auf morgen aus dem Dorf verschwinden: Feste Regeln gibt es hier jedenfalls nicht. Drittens aber ist eine malaiische Familie weder patri— noch matriarcha— lisch, sondern partnerschaftlich ausgerichtet und setzt diese Tradition erst recht in neuerer Zeit fort. Nicht die Groß-, sondern die Klein(Kern)—Familie ist also vorherrschend. Mühelos kann die Kernfamilie um schnell adoptierte Kinder, um zuziehende Großeltern oder um wieder zurückgekehrte Kinder erweitert werden — ein Vorgang, der sich manchmal freilich auch schnell wie— der in die andere Richtung umkehrt. Was die Ehe anbelangt, so ist sie heut- zutage in aller Regel monogam. Man heiratet früh * Frauen meist vor dem 18. und Männer vor dem 21‚ Lebensjahr; trotz der Möglichkeit zu horizon- taler Mobilität besteht eine Tendenz zur Dorf—Endogamie. Polygamie ist die Ausnahme. Obwohl ein Muslim bis zu vier Frauen gleichzeitig ehelichen kann, machen davon in der Regel nicht einmal 5 % der Männer Gebrauchlfi. Wenn jemand schon mit vier Frauen verheiratet sein will, so ist es angesichts der unkomplizierten Scheidungsprozeduren offensichtlich «bequemerm viermal nacheinander als viermal nebeneinander zu heiraten. Den schwaCh’ institutionalisierten Personalbeziehungen entsprechen auch die Eigenium5' Und Erbschaftsregelungen. Sieht man einmal von Moscheegrundstückefl 50’ Wie vom Friedhof ab, so herrscht Privateigentum vor, und zwar nicht nur an V]. Wie man «Aszate» und 283 bilien sondern auch an Reis—, Kautschuk— oder Gemüseland_ Männer 1 Mo d Fraucnv manchmal auch Kinder, haben getrenntcs Iiigemum. Die Vor- un von Familienland im Sinne eines Gesamthandeigentums ist unbe- StellungAuch die Erbschaftsregelungen sind «individualisiert» — und führen kamigauch zu einer schnellen Fragmentierung von Grund und Boden. Zwei %aeräiltskreise stehen im Familien— und Erbrecht zur Wahl, namlich die Sha— . h und das Adat. In der Regel entscheidet man sich_sowohl in Malay51a als na h in Indonesien für die Adat—Regelung, da die «islamische» Option für auC e]bstbewußter gewordenen Frauen kaum akzeptabel Wäre“ dleEsxflem hoch sind die Scheidungsraten. Fine Statistik aus dem malaysi- schen Bundesstaat Kelantan, die 22 jahre uberspannt, zeigt die ext_remsten Ausschläget 1948 wurden 93vI %, 1969 dagegen «nur» 51,1% aller Ehen ge— schieden. Viele der Trennungen erfolgten bereits wenige Monate nach der Eheschließung; kein Wunder, daß_auch_d1e Wiederverhe1ratungsrate hoch ist: sie lag z.B. 1970 bei 38,6%1f7ur Manner und bei 4i,z“„ für Frauen. Einige heirateten bis zu siebenmal . 4 ‘ . „ Die Scheidung schafft ubr1gens keine hohen Barrieren zw15chen den fru- heren Eheleuten. Nicht selten kommt es zur \Xf’iederverheiratung; vor allem aber können Kinder aus geschiedenen Ehen mühelos zwischen Vater und Mutter «rochieren» — eine Sitte, die in China oder Japan als schock1erend empfunden würde. b) Das traditionelle l"‘mztenlaild In den meisten asiatischen Ländern besteht das traditionelle Frauenbild noch heute. Drei Beispiele sollen hier fürs Ganze in China, Indien und Sudost— asien stehen: . In der traditionellen Literatur Chinas hat sich nach 1ahrhundertelanger Entwicklung ein auf drei Stereotypen reduziertes Frauenbild herausgebddet: Die Heldin, die, als solche unerkannt, in Männerkleidung wahre Wunder VOllbrachte; ferner das von der konfu7ianischen Ethik gehegte] Ideal der «treuen Ehefrau, guten Mutter und keuschen \X'itwe» und schließlich die Femme fatale mit ihren durch und durch verwerlhchen (.harakterzugen - Wie sich ja überhaupt fast die gesamte überkommenc Literatur in Schwarz— weißmanier präsentierte und auf die Schilderungmnerer Vorgange .SOWIe auf individualistisches Filigran verzichtete. Im Zeichen des Soz1ahstrschem Realismus, der vor allem in den fünfziger und sechz1gerüjahren Triumphe feierte, gehörte dann, wie Mao es gefordert hatte, «die Halfte des Himmels den Frauen» —A freilich nur auf dem Papier, wie ein Blick auf dieBesetzung der Spitzengremien in Partei, Staat und Massenorgan15atmn_€n zeigte. Als es nach I978 galt, die Kulturrevolution zu überwinden, erschienen Werke der Bekenntnis— und der «Narben»—I.iteratur‚ in denen die moderne Heldin kaum noch ein frauentypisches Schicksal erlebt. Was die Autorinnen zu be—