286 Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile gen aus. Einzige Ausnahme: 13 % aller Befragten wollten eine solche Affäre noch hingehen lassen, falls «echte Gefühle» im Spiel seien. Bezeichnender_ weise zeigten sich Personen mit Hochschulabschluß in sämtlichen Ehefragen liberaler als Befragte mit niedrigerer Qualifikation. Darüber hinaus bCWie» sen die Angehörigen asiatischer Religionen (Hinduismus, Islam, DaoismuS und Mahayana-Buddhismus) eine wesentlich traditionellere Haltung als der übrige Befragtenkreis. Kein Wunder, daß Kommentatoren sich die Augen rieben und von Singapur als einer «puritanischen Bastion» des sexuellen Konservativismus sprachen. Thema Nr.} war das Verhältnis zwischen den Geschwistern. Auf die Frage, Wie Söhne und Töchter in Erbangelegenheiten behandelt werden sol— len, optierten 86% für die Gleichheit. Eine andere typische Frage lautete ob ein Mädchen sich früher verehelichen dürfe als seine ältere Schwester? Gegen eine solche Möglichkeit sprachen sich 49 % der Hindus, 32% der Muslims, aber nur 19 % der Chinesen aus. Für die (singapurischen) Christen andererseits schien diese Frage schon vom Ansatz her unverständlich zu sein. Bei sämtlichen Fragen zeigten Personen mit höherer Schulbildung durch- weg geringere Anhänglichkeit gegenüber traditionellen Sitten: ein Hinweis darauf, von wo die größte Gefahr für «traditionelle Werte» ausgeht — oder wo, umgekehrt, die Hauptchance für ihre Überwindung liegt. 4. Rites de passage als gesellschaftliche Klammern Überall in Asien gibt es einen üppigen Kranz von Festen, die z. T. sämtliche Angehörigen einer bestimmten Religion mit einbeziehen, z.T. aber aus— schließlich lokalen Charakters sind. Daneben gibt es noch zusätzlich die Le— bensstationsfeiern, bei denen die «schwach gefügten Gesellschaften» be— zeichnenderweise sogar ein Übergewicht besitzen — eine Tatsache, die nicht weiter verwunderlich ist, da der Mangel an festen Institutionen durch ein Mehr an rituellen Feierlichkeiten wettgemacht sein will. Zeremonien finden statt anläßlich des «Lebendigwerdens» des Fötus im Mutterleib (6.Monat), bei der Geburt, beim Eintritt in die Koranschule (zwischen dem 6. und dem 9. Lebensjahr), bei der Beschneidung (zwischen dem 8. und dem 14.Lebensjahr), bei der Beendigung der Koranstudien, wenn der Lehrer feierlich beschenkt wird, bei der Hochzeit, beim Tod und bei den Nachtodesfeiern. Anlässe für gemeinsame Rituale und Festgelage sind aber auch Ad—hoc—Ereignisse wie der Hausbau, der Antritt einer Reise oder gar einer Pilgerfahrt nach Mekka — nicht zu vergessen die Zahlreichefl Zeremonien zur Geisteraustreibung, die noch den Stempel vorislamischer Traditionen tragen. Zu den guten Geistern in Malaysia gehören u.a. Seman— gat, eInc «Anima», die allen Wesen, ob Tieren, Pflanzen oder Menschen, gt“ V]. Wie man «Asiate» wird 287 einsam ist, vor allem die Reisseele (segmangat padi). Den bösen Geistern eit5 werden die Hantu zugerechnet, die Krankheiten, Autounfälle m 3„alerer5 l"‘ . d' l ‘ . , oder ”fiaseuchen aus ostn, sow1e ie « ang501r» _ Schatten von Frauen, die ‚m Kindheit gestorben sind und die vor allem Wöchnerinnen zu schaden SU- 1 chefl« Die Beschwichtigungund Beschwörung solcher Geister erfolgt durch den irpaW3ng”’ einen Magier,j oder durch den «bornoh», einen Medizin- der ua. Mittel gegen Schlangenbwse verabreicht oder aber, jenseits körperlichen Behandlung, versucht, das psychosomatische und Psy— chosoziale Gleichgewicht mit magischen Mitteln w1ederherzustellen. In kri_ tischen Situationen konnen Pawang und B401110h_ auch zu Anfuhrern eines amoklaufenden Mobs werden, Wie er beispielsweise bei den Rassenunruhen von 1969 mordend durch Kuala Lumpur stürmte. Anlässe zu gemeinsamen Feierlichkeiten liefern auch die (oben S. 203 f., 137f. aufgeziihlten) muslimi— schen ]ahresfeste. Bei all diesen Gelegenheiten finden Feiern statt, zu denen man Familiem mitglieder, Freunde und Nachbarn|einlädt und bei denen man auch jedesmal ein gemeinsames feierliches Mahl einzunehmen pflegt. Solchen KendurifFei— cm, die dem javanischen Slametan entsprechen, liegt die Vorstellung zu— grunde, daß auch die Geister oder die Seelen der verstorbenen Angehörigen mitessen, indem sie nämlich die Essenz abbekommen. Die Kenduri/Slametan—Veranstaltungen können in ihrer Summierung zu einem ruinösen Unternehmen auswuchern und werden deshalb häufig als wirtschaftsfeindlich gescholten, doch müssen auch die Kritiker zugeben, daß sie jeweils ad hoc eine Atmosphäre der Gegenseitigkcit schaffen, wie sie in metakonfuzianischen Gesellschaften beneidenswerterweise bereits insti— tutionell vorhanden ist. Ein besonders wichtiges Ritual, an dem die meisten asiatischen Völker Anteil haben, ist der Ahnenkult. Vor allem im konfuzianischen Asien be— stand ja immer schon die Überzeugung, daß lebende und tote sowie dies— seitige und jenseitige Wesen keineswegs strikt voneinander getrennt sind, sondern daß vielmehr fließende Übergänge bestehen. Dafür spricht einer— seits der Glaube, daß die Menschen von mythischen Urahnen abstammen (LB. die Chinesen vom Gelben Kaiser, die japaner von der Sonnengöttin Amaterasu Oyikami) und daß andererseits Menschen nach ihrem Tod wie— der göttliches Wesen annehmen können — man denke an die zahlreichen Ge- lehrten und Volkshelden, die im chinesischen und vietnamesischen Daois— mU_S oder im japanischen Shintoismus «eingeschreint», durch einen vom Kaiser verliehenen Titel (di) geheiligt und von den Bauern als Schutzpatrone angefleht werden. Nach dem japanischen Volksglauben leben alle Verstor— bel1€n als Kami (Geister) weiter — eine Auffassung, die durchaus auch im Chmesischen oder malaiischen Volksglauben verbreitet war — man denke an dle «Fuchsgeister» in der Ming—Literatur oder an die oben erwähnten Lang— Soir. mann, der rem