VII. Vom alltäglichen Umgang zwischen und mit Asiatem: Ein ABC der Begegnungskunde I. Kommunikationsdefizite als Hauptkonfliktquelle Die Form einer Mitteilung ist oft wichtiger als ihr Inhalt, und so kann e_5 nicht überraschen, daß Kommunikationsfehler meist zur Hauptursache von Konflikten werden, über die niemand mehr erstaunt ist als die am Prozgß unmittelbar Beteiligten. Konfliktfreie Kommunikation ist nur dort moglich, wo die Zeichen und Symbole der anderen Kultur beachtet — und Wenigsum die schlimmsten «Fettnäpfehen» umgangen werden. Ein Europäer, der (le eingefleischten Hierarchieregeln mißachtet, der ein «ja» wörtlich nimmt, der freundliche, ins Persönliche gehende Fragen als Zudringlichkeiten emp— findet, der lieber recht behalten als das Gesicht des anderen wahren mochte, der Unpünktlichkeit für eine Beleidigung hält, der einer jungen chinesischen Mutter ein weißes Blumengebinde mit einem Storchensymbol schenkt, ohne zu wissen, daß beides Tod und Unglück bedeutet, oder der «aus Zeiterspar— nis» ein oder mehrere Glieder in der eingefahrenen, innerbetrieblichen In— formations— und Befehlskette ausläßt, wird erstaunt sein, daß er sich in wi, ner neuen, sonst so zuvorkommenden Umwelt, plötzlich unerwarteten Hindernissen gegenübersieht. 2. Das öffentliche Asien: Begegnung mit den «Massen» und Kulturschock Wer sich längere Zeit in Asien aufgehalten und die anfänglich «exotischen» Eindrücke verarbeitet hat, entwickelt ein eigenes, höchst durchwachscnes Asienbild, das durch diese oder jene Vorliebe, 7.. B. eine tiefe Sympathie für den Buddhismus und seine Verklärtheiten, bestimmt sein mag. Gleichwohl bleiben generelle Haltungen bestehen, die auch nach dem 20. oder 30. BC* such noch spontan durchschlagen können und die sich in Vergnügen oder aber Unbehagen äußern. Als höchst positiv werden im allgemeinen die asiatischen Umgangsformen empfunden, die durch formale Höflichkeit, Heiterkeit, Leichtg.ingiglüöilv Kompromißbereitschaft, Geduld, Aufmerksamkeit, Contenancc und vor A,j‚ lem durch das Bestreben bestimmt sind, offene Konflikte atiszugrt‘nzcn. Mit zunehmendem Alter weiß man auch den asiatischen Hang zur Ritualisierung des Mitmenschlichen Zu schätzen — vor allem die Berechenbarkeit des ande- VII. Vom alltäglichen Umgang mit Asiaten 29} Doch gibt es andererseits eine Reihe von ortsüblichen Erscheinungen, f.“. uf den Durchschnittseuropäer, vor allem wenn er alleine reist, zumin- ie & d bei der ersten Begegnung irritierend, ja schockierend wirken und die est . h mit den Stichworten Gedrängel, Schmutz, Lärm und «Kleine Traditio— SIC wiedergeben lassen. ma 5 fast allen asiatischen Gesellschaften, abgesehen von Ausnahmeer- a ' n en wie der Mongolei, Kambodscha oder Laos, gemeinsam ist, sind “Ehemu gll e enw'a'rtigen Menschenmassen, die nie auch nur einen Augen— dl'e Stats aAlgleignseins zulassen. Stets befindet man sich in einer unübersehba— bllClil"esi dahinschlendernden Menschenmenge, in der es Crstaunlichep ren_‚ afss tgimmer friedlich zugeht. Selbst dort, wo es ausnahmsweise einmal weise an än el kommt, wird Aggressivität vermieden. jedermann beginnt zum Ge l kfäftig zu «rudern» und zu schieben, vermeidet aber gleichzeitig dann waiidernde Augenkonmkte; wer nach rechts schiebt, wendet seine helafäs fi)dsicher nach links — und umgekehrt. Überall ein Zusammenklang Bl“ll € Farben und zunächst schwer sortierbarer optischer Eindrücke. .Fast gle erd5 werden Straßenverkehrsregeln eingehalten. Kein Verkehrsmittel, Elalsgreiilcht vertreten wäre — vom Ochsenkarren über das Fahrrad bis zur Kik— scha. Nirgends geht es hierbei bunter, farbiger und lauter zu als in än%len _— und nun gar in Benares, wo sich täglich unubersehbare Pilger- un youjn— 5tenscharen zu den Gaths am heiligen Fluß Ganges hinunterschiebenh— ind er Menge eingekeilt ein «Kleinunternehmer», derquer uber seinem I‘aKrria1 ge— päckträger einen Sarg transportiert, daneben eine halbverhungerte IC) liem Bettler oder ein Sadhu, der sich aufgemacht hat, im Fluß sein'Morgen a dzu nehmen. Wer in dieses «heilige Irrenhaus» (A. Koestler) hineingerat, hat as Gefühl, von einem Ich schnell zu einem jemand zuywerden, zumal dann, wenn ihn auch noch grelle Hitze auflöst und ihn seine «Wurde» verlieren 2 t‘ . „ . l ßAlles überwältigend auch der Lärm. Wer je in einer der SChnellälif1hen ir}—1 gendeiner asiatischen Stadt eine halbe Stunde .zugebrachtuha't, u te $le Wahrscheinlich überrollt von einer Geräuschkuhsse aus unzahltgen Auto u— pen, lärmender Schallplattenmusik von nebenan, Hundegebell und den Aus— rufen umherziehender Händler. Selbst in den Tempeln geht es larrmg zu — man denke an die «Kanonenschüsse», die den Göttern in da0istischen Schreinen zum Opfer gebracht we;den, pder an das manchmal ohrenbetau— bende Geschrei in hinduistischen empe n. ' ‘ . _ Und doch gibt es gerade in Asien überall auch eine Kultur der 5tlljlij dig Verrnutlich eine sublime Form der Flucht vor dem sonst so alles durc rin genden Lärm ist — man denke an die uralten monastis€hen Traditionen des Buddhismus, die sich von Indien bis japan ausgebre1tet und dort in der Me— ditation der Zen-Gemeinschaften einen Höhepunkt gefunden haben, man denke aber auch an die zahllosen Ashrams (wörtlich <