Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstile 304 Spiel» gibt. Selbst zwischen Meister und ]üngern wirft man sich hier nich die Bälle und Anregungen zu, sondern schweigt ehrfürchtig vor dem «Lebt rer». In einer Chinesischen oder japanischen Gesprächsrunde führt fast _ der oberste Anwesende das Wort — und jedermann hat zu lachen wen nur das Zeichen dazu gibt. Kein Wunder, daß angesichts solcher Mondkng {ser geistre1ches Zwregespräch und schon gar kein «gemeinsames zwan rl im Philosoph1eren» zustande kommt. % 0565 Während zahlreiche asiatische Gesellschaften die Ungleichheit entw du als karma—verursacht oder als gottgewollt (Islam) akzeptieren herrs—he _sr der (überw1egend katholischen) philippinischen Gesellschaft dai Gefühl tr m daß die Menschen im allgemeinen gleich seien. Wer sich über die andxmn erhebt, wird schnell zum Gegenstand allgemeiner Mißbilligung Auchiilen— mit der egalitaristischen Betrachtungsweise zusammenhängende Ph'in > 515 Neid ist in den theravadabuddhistischen oder malaiiseh—isfamischenl(fer—“illn schaften so gut wie unbekannt, auf den Philippinen dagegen weit verbjreifx » Man bemüht sich daher, Erfolge zu verkleinern und neuerworbenen Reieif turn so weit wie möglich zu verheimlichen, um nicht Neid und Forderun ve— auf srch zu ziehen”. Allerdings gibt es wenige gesellschaftliche Spitzen » iion allem die zoo bis 300 Ilustrado—Familien, die sozusagen jenseits von Gut und Böse stehen und unschuldigsten Gewissens «palakasan» verlangen d h eine pr1vrlegterte Behandlung durch die Machthaber. Die Söhne und Tochter wohlhabender Familien, die sich am Rande des Gesetzes ihre Eskapaden lei— sten und dafür im allgemeinen kaum zur Rechenschaft gezogen werden sind Dauergegenstand heller Empörung in der philippinischen Presse. “ g) Rz!uali5iemng von V)rlmltenttaeßenr Berec*benl7arkeit und Konservativismus Harmonie läßt sich nur wahren, wenn die Umgebung berechenbar bleibt. Spontane1tät und «Go—ins» sind der Schrecken jedes Asiaten. Daher auch der Hang zur Ritualisierung möglichst vieler gesellschaftlicher Situationen. Sogar Konflikte lassen sich ja durch bewußt formelles Verhalten auf ein Mir mmum herabschrauben. Korrekte Verbeugungen, Benutzung der richti°cn Begrüßungsformeln zwischen Gleichen sowie gegenüber Vorgesetzten Lind verehrende bis kritiklose Anerkennung dessen, was ein Lehrer seinem Schü- ler oder ein Vorgesetzter seinem Untergebenen beibringt, sowie überhaupt Konformismus in allen Lebenslagen können dafür sorgen, daß eine "ulC «Atmosphäre» herrseht. «Man» überreicht bei der Vorstellung Visitenkar— ten, «man» bietet den Gästen ein präzises Programm, «man» stellt den (;;r St€n Tee vor, der von einer sonst schweigend im Hintergrund sitzenden Per— son e1ngesehenkt wird. i ‘ kaiii„gerilaäoéiilzzial‚nls-Chen und auch in der hinduistischen Gesellschaft a nliche «Ritcnfr0mmigkeit», die mit der Gesetzeslnim“ VII. Vom alltäglichen Umgang mit Asiaten 305 migkei‘ der alten Israeliten vergleichbar.war. Der Nachvollzug der traditio— geilen Normen als solcherwar bereits ein in sich srttlicher und von der Ge— sellschaft aufs außerste gebt]hgter und geherhgter Akt, da die «Li»—Vorschrif- ten ja nach traditioneller Interpretation nichts anderes waren als Widerspie— dungen makrokosmrscher Gesetze im Mikrokosmos der Familie oder der näheren sozialen Umgebung. Als altester Sohn trauerte «man» drei jahre enn der Vater gestorben war, selbst wenn man keinerlei wirkliche Trauer empfand. «Man» feierte Feste nach einem bestimmten Schema, «man» leistete 0brigkeitlichen Ermahnungen Lippendienste usw. Für das «Ich» gab es wenig legitime Entfaltungsmöglichkeiten. Dies galt und gilt erst recht in der hinduistischen Kastengesellschaft sowie in Gesellschaften, die einst im Zeichen des Hinduismus standen, wie z.B. Java. Vor allem dann, wenn gegensätzliche Interessen aufeinander zukommen, flieht man ins Ri- tual, schreitet zur gemeinschaftlichen Abstimmung (musjawarah) und be- schließt die Einigung mit einem Slametan—Mahl. Angesichts dieser Rituali- sierung weiter Lebensbereiche hat ein westlicher Beobachter manchmal den Eindruck, die Toten herrschten mit ihren Traditionen über die Lebenden. Kein Wunder, daß angesichts dieser Einstellung überall in Asien der Kon- servativismus zu Hause ist. Ein «westliches» Bedürfnis nach «Selbstverwirk— lichung», nach «neuen Erfahrungen» und nach «größerer Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung» ist dem Asiaten, sieht man einmal von wenigen Ausnahmen ab, auch heute noch fremd. Ihm genügt es, wenn seine Bedürf— nisse nach sozialer Einordnung, nach Sicherheit, nach Statusbestätigung und vor allem nach Berechenbarkeit des sozialen Umfelds befriedigt werden. Dieses Kriterium der «Berechenbarkeit» läßt es auch logisch erscheinen, daß der Durchschnittsasiate an Partnern und Waren, die ihm einmal vertraut ge- worden sind, lange festhält. Wer zu einem «Freund» geworden ist, pflegt dies geraume Zeit zu bleiben. Das positive Bild von «den Deutschen» und von «Deutschland», wie es heute fast überall in Asien präsent ist, kann des— halb gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht nur «Freunde», sondern auch Waren können übrigens schnell eine Art Fetischcharakter annehmen. Ein Beispiel dafür ist der Verkauf von «Hamburger Hufeisen» um diejahrhundertwende, wie er von dem amerika— nischen Geschäftsmann Carl Crow” geschildert wird: Als Ende des I9.]ahrhunderts noch Segelschiffe nach China fuhren und dabei nur auf dem Rückwege voll beladen waren, galt es, für den Hinweg Ballast mitzuführen. Eines der Schiffe brachte hierbei eine Ladung alter Hufeisen aus der Hanse- Stadt mit und setzte sie in Shanghai zu Schleuderpreisen ab. Bald stellte es Sich heraus, daß die Hufeisen — halbiert und geschliffen — ideale Rasierme5— ser im traditionellen Stil abgaben. Im Nu stieg die Nachfrage so stark, daß die Reederei den Bedarf kaum noch decken konnte. Dadurch angespornt, versuchten nun auch Schiffe aus Liverpool und Antwerpen alte Hufeisen an— leliefern, stießen jedoch auf eine Mauer der Ablehnung. Die chinesischen lang, W