Asidti5(he Gesellschaften und Verbaltensszi/e 306 Schmiede behaupteten, daß «erst die Größe und das Gewicht der deutschen Zugpferde und das tägliche Abschleifen der Hufeisen auf dem Hamburger Granitpflaster dem Metall jenen Schliff gaben, der gerade für die Erzeugu„g von Rasiermessern notwendig und in keiner Stadt gleichwertig sei». Am Ende wurden in Hamburg Hufeisen aus aller Welt gesammelt und von dort aus zügig nach China verschiffi, wo sie reißenden Absatz fanden, da sie «aus Hamburg» stammten. Wie gesagt: Wer oder was immer einen guten Ruf er— langt hat, behält ihn lange. 19} Gegenseizz'gkez'r In ganz Asien sind die Tugenden des Verpflichtungsdenkens, der Dankbar» keit und der Gegenseitigkeit weit stärker ausgeprägt als in Europa. Den Hö_ hepunkt erreicht dabei japan. Dort gibt es z. B. nicht weniger als 35 ver— schiedene Ausdrücke ftir Geschenke, wie z.B. Abschiedsn Einführungs— oder Beerdigungsgeschenke etc.”. Während man im Westen oft mehr ideelle und individuelle Geschenke macht, seien es nun persönliche Zeichnungen oder Blumen, entsprechen die japanischen Darreichungen materiell exakt der Gegengabe und richten sich im übrigen auch nach dem Rang, dem Alter und der konkreten sozialen Situation, so daß es vorkommen kann, daß je? mand dutzendernal das gleiche Hemd oder eine Flasche Salatöl erhält. Ist der Wert der Gegengabe. geringer als das ursprüngliche Geschenk, kommt Befremden auf, ist er dagegen höher, muß der Beschenkte sogleich nach- schießen, so daß sich hieraus schlimmstenfalls eine endlose Eskalationsspi— rale ergeben kann. Wer als Ausländer die Probe aufs Exempel machen will und seinem Gastgeber ein Geschenk von unterwegs mitbringt, wird diesen Beschluß vielleicht schon bald bereuen, wenn er es nicht versteht, das gegen— seitige Hin und Her des Sehenkens taktvoll wieder «herunterzufahren». Es gibt jedoch (rituell genau festgelegte) Gelegenheiten, bei denen der \X”CI'I der Geschenke nicht im Gleichgewicht stehen muß. Ein klassisches Beispiel (lil' für ist die Hochzeitsgabe, die vom Brautpaar nach Abschluß der Feierliclr keiten mit einem Gegengeschenk erwidert wird, das nur einen Teil des \‘i'erts der Brautgabe ausmacht. Hier und bei anderen Gelegenheiten entwickelt sich m. a. W. eine regelrechte Geschenkmathematik. Da die Geschenkpraxis so hochgradig ritualisiert ist, hat sich die Gepflo« genheit eingebiirgert, die meist hochiisthetische Verpackung sorgfältig zu Öffnen, die Karte des Schenkers herauszunehmen, sie durch seine eigene ZU ersetzen und das Geschenk dann weiter «auf Rundreise» zu schicken; pein- lich nur, wenn darin verderbliche Gegenstände untergebracht sind und einer der Beschenkten auf die unglücklich Idee kommen sollte, das Paket zu öff— nen. Um solche Praktiken zu unterbinden, sind die Geschenkabteilungefl mancher Kaufhäuser inzwischen dazu übergegangen, außen sichtbar einen Datumsstempel aufzudriicken. VII. Vom alltäglichen Umgang mit Asiaten 307 dieser «Ge enseitigkeitspraxis» ist die Harmonisierung der Hauptszri.ClI\/Ianchmal wirden freilich die Grenzen zwischen einer Höf- Bezlebunäbe und einer Bestechung hauehdünn — man denke etwa an Ge- lic1illlwlts%üy Politiker oder gar für Lehrer, die am nächsten Tag die Prüfung SChenkesohn des Schenkers abzunehmen haben. Da die Gaben stets einge_ fü-rde1n 'nd da sie vom Schenker als «höchst bescheiden» hingestelh wer- Wlee [dSlda ‚sie schließlich stets eine Gegenverpflichtung nach sich ziehen, den un höchst delikate Grenzfälle. Zur Bestechung wird das Geschenk entstehen t in dem Augenblick, da der Lehrer bessere als die verdienten No— freillCh ?b5t oder der Politiker bei einer Genehmigung die Augen zudrückt‘“. ten Ve_fghlt noch stärker als in japan (sowie in Korea oder in China) ist der Viellelfier Gegenseitigkeit auf den Philippinen ausgebildet. Zentraler Aus— giiäk der dortigen Verpflichtungsphilosophie ist «utang na Ioob». Inne sol— che «Ehrenverpflichmng» kommt zumeist in drei Schritten zustande: Zuerst rfoIgt die Übergabe eines «Geschenks» an eine Bezugsperson, bei der man e' h in Erinnerung bringen will, wobei diese Gabe vom einfachsten Gegen— SIC d bis hin zur Überlassung ganzer Latifundien gehen kann, je nach dem sm:sönlichen oder politischen Zuschnitt der beiden Parteien. In einem zwei— teen Akt folgt die Annahme oder Ablehnung. Annahme ist gleichbedeutergd mit der Errichtung eines wechselseitigen Verpfhchtungsverhaltmsses, A — lehnung läuft de facto auf einen «Korb» hinaus, der selten verz1ehen Wird. Der dritte Schritt besteht dann in einer Gegenleistung, die praktisch wie— derum eine Neuverpflichtung mit sich bringt. Die Utang—na—Ioob—Bezm- hung löst also objektiv eine Gegenleistung aus, zielt aber vor allem auf eine innere «Verbundenheit» hin, die vom Beschenkten gefli55entlic‘h zur Schau getragen werden muß. Dieses Verbundenheitsgefühl ist n0ch Wichtiger als die Gegenleistung. Es handelt sich hier also weniger um kommerz1elle A(;l$f; tausch— als vielmehr um soziale Integratiönsbezwhungen. Kein Wunder, a das größte Lob für einen Filipino darin besteht, daß man ihn alsb«eifikenkr)it— lich» hinstellt, während der größte Tadel im Vorwurf der}Dndank ar {eig e— steht”. Die Folgen dieses Rollenverständnßses Sind betrachtheh. Sie u (ij'en zu einer weitgehenden Personalisierung aller Beziehungen, zu «fließen. en Übergängen» zwischen Privatgeschenken und Bestechung sow1e zur Kohde— rung Von Wählern. Der örtliche Repräsentant einer politischen „Partei r1c tet beispielsweise eine Dorfhochzeit aus und verkündet aufdem Hohepunktdgs Festes, daß die. Gäste doch bitte einen bestimmten Politiker wahlen moc — ten. _ . . Weniger ausgebildet ist die Gegenseitigkeit— und Dankbarkeitsph1äo(sjogh1g in den Theravada—Ländern. Wer nämlich glaubt, daß eine Wohltat e ig ic die Folge karmischen Tuns ist, wird wenig Anlaß zur Dankbarkeit empfin— den. Ein theravadabuddhistischer Mönch gar, der Sich von den Glaub1gen mit Reis beschenken läßt, sieht keinerlei Anlaß, sich zu bedanken, son— dern erwartet umgekehrt diesen «Dank» vom Schenker, dem er ia Gelegen—