Asiatische Gesellschaften und Verbaltensstzle «Tun». Nachdem Datuk Hussein Onn zum Ministerpräsidenten aufgestie- gen war, hieß er Tun Hussein Onn. Tunku (gleiche Bedeutung wie «Raia») ist eine erbliche Bezeichnung für Angehörige königlicher Häuser. «Damk Seri» ist ein seltener vorkommender Titel, der nur im Bundesstaat Perak ver- lichen wird, «Tuan» ist ein ehrenvolles Prädikat, das allerdings nicht offiziell verliehen wird, und «Tuanku» («Eure Hoheit») schließlich die Bezeichnung mit der man den König anspricht. Zweitens hat die Sprache fast in allen asiatischen Gesellschaften die Funk- tion der Gemeinschaftlichkeits— und Harmoniebeschwörung. Auf den Dör_ fern zumal kann die Kenntnis der Situation als bekannt vorausgesetzt Wer— den. Wer dort mit anderen in Verbindung tritt, tauscht nicht in erster Linie Informationen aus, sondern versucht mit seinem Redebeitrag eine gemein— schaftsfreundliche Stimmung zu erzeugen. Dazu bedarf es beträchtlichen Einfühlungsvermögens. Der amerikanische journalist Louis Fischer wurde von Freunden gewarnt, doch bitte nicht javanisch zu sprechen, sondern sich nach Möglichkeit der wesentlich neutraleren Bahasa Indonesia zu bedienen. Worte sagten ja niemals, was sie zu sein schienen. »Wenn eine Forderung an dich gestellt wird, deren Ablehnung Schmerz bereiten Würde, mußt du zu- stimmen. Anders zu handeln hieße, deinen Gesprächspartner zu kränken. Zunächst einmal spende stets Freude. Später kannst du immer noch beschei— den andeuten, was du wirklich willst. Umschreibung ist die beste Politik. Stelle nie eine direkte Frage und erwarte nie eine direkte Antwort: Präsident Sukarno besteht zwar auf Pünktlichkeit; in den meisten anderen Dingen aber ist er der lässige Prijaji geblieben: Revolten mögen ausbrechen, feind» liche Partisanen die Dschungel füllen, und die Staatsschatzreserven mögen schwinden: Stets behält der Präsident sein entspanntes Lächeln und bei nimmt sich, als ob er keinerlei Sorgen in der Welt hätte“'.» Nicht nur in java, sondern auch in anderen Ländern Asiens neigen die Menschen dazu, Fragen stets mit ja zu beantworten und das Nein zu tabui— sieren — unmittelbare Folge von Harmoniebedürfnis und Gesichtsstrategie. Nicht auf den Inhalt der Aussage, sondern auf Situation und Atmosphäre kommt es hier an! In den meisten Sprachen wird «ja» übrigens nicht durch eigene Worte, sondern durch affirmative Wiederholung einer Frage ausge— drückt, z.B. «Hast du ihn gesehen?» Antwort: «Ich habe ihn (nicht) gese hen!» «Ja» kann viererlei bedeuten: I. «Ich habe es verstanden», 2. «lch habe es nicht verstanden», 3. «Ich habe es zur Kenntnis genommen» und 4. «ja» im westlichen Sinne. Noch schwieriger ist es mit dem «Vielleicht». Es kann heir ßen: I. «Nein» oder 2. «Vielleicht ja» oder 3. «Vielleicht nein» oder 4. «Möglicherweise» oder aber ;. «Bestimmt nicht». Die wirkliche Bedeutung herauszufinden, bleibt der Feinfühligkeit des Gesprächspartners überlassen. Am besten wiederholt der Ausländer — sich selbst für seine Ungeschicklich- keit beziehtigend — mehrere Male und in immer neuen Umschreibungen VII. Vom alltäglichen Umgang mit dualen 317 seine «Botschaft» und hält vielleicht sogar noch einmal Rückfrage, um wirk- lich sicher zu sem, daß Sie auch angekommen ist und ein wirkliches «Ja» ver- dient . __ . .. . Das Wort «Nein» gehort, w1e erwahnt, nicht zum Wortschatz, da es die «Atmosphäre» trübt. Es wird dagegen immer dann gebraucht, wenn man eine verneinende Frage stellt, dl€ im Deutschen entweder mit «Doch» oder abef mit «Nein» beantwortet_werden müßte. Auf die'Frage «Haben wir das nicht vereinbart?» Wird in Asien überall auch dann mit «Nein» geantwortet, wenn nach deutscher Sprachgewohnhe1t ein «Doch» zu erwarten ware. Für bestimmte Situationen bestehen Sprachtabus. Dies ist etwa der Fall während der Feiern zum chinesischen Neujahrsfest, dessen Verlauf schick— salhaft für das ganze bevorstehende jahr zu sein pflegt — zumindest ist dies der allgemeine Glaube. Niemand würde an diesem Tag die Silbe «guan» in den Mund nehmen, auch wenn sie in einem ganz harmlosen Zusammenhang steht. Guam hat nämlich u.a. auch die Bedeutung von «Sarg». Umgekehrt werden gerne die Laute «fu» und «lu» verwendet: Fu bedeutet sowohl Fle— dermaus als auch Glück, lu sowohl Hirsch als auch Reichtum. Fledermäuse und Hirsche sind deshalb auch in der Kunst beliebte Darstellungsgegen— stände. Zur Gemeinschaft]ichkeitsbeschwörung gehört auch der richtige at— mosphärische Gebrauch der Sprache. Für einen ]apaner erscheint es durch— aus unverständlich, daß europäische Idiome zwar äußerst präzise sind, was die Zeit, den Modus oder das Genus anbelangt, daß sie aber andererseits so wenig auf den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext eingehen, daß man also beispielsweise lediglich «ich» sagt und nicht etwa «ich als Mann» oder «ich als Frau» und daß das Wort «sein» nicht im geringsten ausdrückt, ob es als «höflich seiend» oder «weniger höflich seiend» gemeint ist. Europäische Sprachen (und Sprecher) vermitteln aus dieser Sicht also nur Sachlogik, nicht aber Situationslogik, nur Sprachinhalt, nicht aber «Sprecherinhalt». Für einen Japaner ist es unter diesen Umständen ziemlich schwer, über den eige— nen kulturellen Schatten zu springen. Zwar vollzieht er die westlichen Spiel— regeln mit, um sich aber anschließend noch bewußter in sein ]apanertum zu verkriechen. Kein Wunder, daß japaner(innen)‚ die jahrelang im Ausland waren, sich nach ihrer Rückkehr eifriger dem «Tee—» oder «Blumenweg» widmen als Landsleute, die immer zu Hause geblieben und nie mit den west— lichen Zumutungen konfrontiert gewesen sind. Während es in Europa als Zeichen besonderer Aufmerksamkeit gilt, den Namen des Gesprächspartners möglichst häufig zu nennen, wird diese Ge— Wohnheit in Asien als störend empfunden und dient ganz gewiß nicht der «Gemeinschaftlichkeit». Namen gelten hier nach wie vor als Persönlich— keitsbestandteile, die, wenn sie in den Besitz übelwollender Animae geraten, für ihren Besitzer zum Einfalltor von Mißgeschicken aller Art werden kön— nen‚ Aus diesem Grunde auch gibt man den Namen so wenig wie möglich Preis. Dies gilt vor allem für Kinder, die als ganz besonders gefährdet gelten.